Altersfreigabe: ab 0 (verfügbar von 0 Uhr bis 24 Uhr)
Über sechs Millionen Deutsche leiden unter verstärktem Knochenabbau, Osteoporose genannt. Das Tückische daran: Oft wird sie zu spät erkannt. Und bislang erhalten nicht alle Patientinnen und Patienten die passende Therapie.
Wann zahlt die Krankenkasse die Knochendichtemessung?
Risikofaktoren Osteoporose
Osteoporose bei Frauen und Männern
Die richtige Ernährung bei Osteoporose
Sport und Bewegung
Rüttelplatte bei Osteoporose
Medikamentöse Behandlung
Wo werde ich richtig behandelt?
Bessere Behandlung bei Osteoporose
Die aktuelle ärztliche Leitlinie von 2023 soll dazu führen, dass Erkrankte schneller und besser behandelt werden – sie hilft nämlich dabei, das individuelle Osteoporose-Risiko zuverlässiger und vor allem frühzeitig zu bestimmen.
Anna-Katharina Doepfer ist Spezialistin für Osteoporose. Für die Orthopädin bedeutet die überarbeitete Leitline von 2023 einen echten Fortschritt: Schnellere Therapie – weniger Beschwerden: “Insgesamt fangen wir dadurch früher an zu therapieren, weil wir eben nicht warten, bis der Knochen ganz schlecht wird, sondern wir versuchen, ihn frühzeitig zu stabilisieren und damit eben Leid und weitere Probleme den Patienten zu ersparen.“
Was ist Osteoporose genau?
Osteoporose heißt wörtlich "Knochenschwund". Bei dem Krankheitsbild ist der Erneuerungsprozess der Knochen gestört: Die knochenabbauenden Zellen arbeiten schneller als die knochenaufbauenden Zellen.
Die Knochen werden mürbe und können deshalb schneller brechen. Dies führt zu einem Teufelskreis: Durch schwache Knochen können Schmerzen entstehen, man schont sich, die Muskeln können verspannen. Es kommt zu einer generellen Fehlhaltung. Die Folge: noch mehr Schmerzen. Die Betroffenen bewegen sich noch weniger und das lässt den Knochen weiter schwinden.
Osteoporose Diagnose: Anamnesebogen und Knochendichtemessung
In den meisten Fällen beginnt die Osteoporose in der Wirbelsäule. Wer also einen zunehmenden Rundrücken an sich entdeckt oder auch ein Schrumpfen der Körpergröße feststellt, sollte einen Osteoporose-Check in Erwägung ziehen, denn all das können erste Anzeichen sein.

Das individuelle Risiko für Knochenbrüche muss ermittelt werden. Das ist der entscheidende Teil der Osteoporose-Diagnostik. Dabei hilft ein Anamnesebogen.
Die Antworten aus dem Anamnesebogen werden in den sogenannten Risikorechner übertragen. Aus 33 Faktoren wird damit das Knochenbruchrisiko errechnet – diese Methode ist Teil der aktuellen Osteoporose-Leitlinie, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert.
Ergibt sich ein erhöhtes Frakturrisiko, wird die Knochendichte gemessen, dabei wird die Knochenstruktur analysiert, genauer: die Mineralienzusammensetzung.
Die Knochendichtemessung ist eine bestimmte Art des Röntgens. Sie misst die Dicke des Knochens an der Lendenwirbelsäule und an beiden Hüften sowie den Mineralgehalt der Knochen.
Knochendichtemessung: Wann zahlt die Krankenkasse?
Wenn bestimmte Risikofaktoren zutreffen, sollte man ab dem 50. Lebensjahr die Knochendichte messen lassen, empfiehlt Prof. Dr. Ulrich Liener, ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Marienhospital Stuttgart.
Laut Gemeinsamem Bundesausschuss (G-BA) muss die Krankenkasse dann die Untersuchung zahlen, wenn „eine gezielte medikamentöse Behandlungsabsicht“ besteht.
Am besten direkt beim Arzt nachfragen, ob die Leistung übernommen wird.
Einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zufolge rechnen Ärzte die Knochendichtemessung via DXA-Methode allerdings häufig zu Unrecht als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) ab. Patienten müssen die Leistung dann selbst bezahlen, obwohl sie eigentlich Anspruch auf Übernahme durch die Krankenkasse hätten.
Die DXA-Methode selbst ist unumstritten. Sie gilt weltweit als Goldstandard bei der Knochendichtemessung.
Osteoporose Risikofaktoren
Der größte Risikofaktor für Osteoporose ist das Alter. Ab etwa dem 30. Lebensjahr nimmt die Dichte unserer Knochen nämlich tendenziell ab. Spätestens jetzt sollte man sich um eine knochengesunde Lebensweise bemühen, besonders, wenn gewisse Risikofaktoren für Osteoporose vorliegen, wie zum Beispiel:
- eine genetische Vorbelastung,
- Rauchen oder
- starker Alkoholkonsum.
- Auch Erkrankungen wie Diabetes,
- Neurologische Erkrankungen,
- Rheumatoide Arthritis,
- eine Schilddrüsenüberfunktion oder die
- langfristige Einnahme von Medikamenten wie Kortison.
Hier gibt es einen Selbsttest des Osteoporose Selbsthilfegruppen Dachverbands e.V. zur ersten Einschätzung, ob dies der Fall sein könnte.
Osteoporose: Frauen und Männer
Frauen erkranken mehr als drei Mal so häufig an Osteoporose wie Männer, vor allem in fortgeschrittenem Alter. Ein Grund hierfür ist, dass der Östrogenspiegel nach den Wechseljahren absinkt.
Aber auch Männer können an Osteoporose erkranken.

Da die Erkrankung häufig als „Frauenkrankheit“ gesehen wird, haben viele Mediziner wie Patienten Osteoporose bei Männern nicht auf dem Schirm.
Professor Liener, ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Marienhospital Stuttgart, beobachtet seit Jahren, dass bei Männern die Osteoporose viel zu selten diagnostiziert und behandelt wird. Dabei ist es für den Therapieerfolg wichtig, die Krankheit so früh wie möglich zu erkennen.
Jeder fünfte Mann erleide im Laufe seines Lebens eine osteoporotische Fraktur, so Prof. Liener. „Wenn Sie das mit dem Prostatakarzinom vergleichen: Da ist es jeder achte und das ist ja wesentlich stärker im Bewusstsein der Patienten. Und die Folge ist, dass eben weniger als 20 Prozent mit einer Osteoporose adäquat behandelt werden.“
Risikofaktoren für eine Osteoporose bei Männern
Sie sind teilweise die gleichen wie die bei Frauen. Zu den Risikofaktoren für Osteoporose bei Männern zählen:
- Genetik und Umweltfaktoren,
- Diabetes mellitus,
- längere Cortison-Therapie,
- Testosteronmangel,
- Calcium- und Vitamin-D- Mangel,
- Alkohol und Rauchen,
- zu wenig Bewegung.
Neben einer medikamentösen Therapie sollten alle Betroffenen versuchen, dem Knochenschwund durch einen entsprechenden Lebensstil entgegenzuwirken – mit der richtigen Ernährung und Sport.
Ernährung: Vitamin D und Calcium wichtig
Zur Basistherapie bei Osteoporose gehört die ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Calcium.
Prof. Liener empfiehlt, Calzium über die Nahrung und nicht über Tabletten aufzunehmen. Sollte es doch über Tabletten eingenommen werden, so empfiehlt es sich, Calcium-Tabletten in Wasser zu lösen und dieses dann über den Tag verteilt in kleinen Mengen zu trinken, denn dann kann der Körper das Calzium viel besser aufnehmen.
Vitamin D sollten Menschen mit Osteoporose jedoch in jedem Fall substituieren, also zusätzlich zuführen, empfiehlt der Experte. Idealerweise zusammen mit einem fetthaltigen Getränk – das darf beispielsweise ein Milchkaffee sein – oder einer fettreichen Mahlzeit, weil der Körper das Vitamin D dann besser resorbieren kann.
Dosierung: Häufig reichen 1.000 Milligramm Kalzium und 1.000 Einheiten Vitamin D täglich.
Die Orthopädin Ngozi Mora beschreibt es ihren Patienten so: „Das Calcium sind die Ziegelbausteine für den Knochen und das Vitamin D der Mörtel. Und man braucht beides, um eine stabile Mauer zu errichten.“
Bewegung regt Knochenwachstum an
Auch Bewegung ist wichtig, um das Knochenwachstum anzuregen.
Regelmäßiges Stauchen des Knochens wie etwa beim Seilspringen oder auf einer Vibrationsplatte, gibt dem Knochen den Impuls zu wachsen.
Andrea Semmelhack-Leetz ist Osteoporose-Patientin. Sie trainiert Muskeln UND Gleichgewicht. So verringert sie das Sturzrisiko. Denn schon kleinere Stürze können zu (weiteren) Knochenbrüchen führen.
Endokrinologe Prof. Christian Wüster rät dringend zu regelmäßigem Muskelaufbau, denn, “je besser Du Deine Übungen gemacht hast und die muskuläre Koordinationsfähigkeit trainiert hast, desto weniger fällst Du! Und wenn Du fällst, fällst du besser. Ein Mensch, der nicht trainiert hat, der fällt dappig und bricht sich sofort etwas.”
Welche Sportarten eignen sich bei Osteoporose?
Prof. Liener empfiehlt, bei Osteoporose generell Kraft, Koordination, Ausdauer und Balance zu trainieren. „Wichtig ist, dass bei den Sportarten das Skelettsystem unter Belastung gesetzt wird“, sagt Prof. Liener. Aus diesem Grund sei Wassergymnastik hier weniger gut geeignet.
Gut eigneten sich Krafttraining, kraftbasiertes Tai-Chi, Ballsportarten oder kräftiges Walken. „Wichtig ist, dass man ein individualisiertes Programm absolviert, was zum Beispiel in einem Sportstudio für einen entworfen wird“, erklärt Prof. Liener.
Im Fitnessstudio unter Anleitung, aber auch für sich zuhause, mindestens zweimal in der Woche zu trainieren sei empfehlenswert. Wichtig dabei: die Rücken-, Rumpf- und Beinmuskulatur zu festigen, auch mit Gewichten und Widerständen.
Eine stabile Muskulatur sei das A und O bei Osteoporose, so Prof. Wüster.
Rüttelplatte bei Osteoporose?
Eine sogenannte Rüttelplatte oder Vibrationsplatte könne das Training unterstützen, sagt Prof. Ulrich Liener.
Dr. Berthold Fohr, Endokrinologe in einer Osteoporose-Schwerpunktpraxis in Mannheim findet die Vibrationsplatte grundsätzlich als Idee gut: „Das erhöht die Knochenfestigkeit und auch die Muskel-Nerven-Koordination. Aber das reicht meistens nicht aus. Sie müssen natürlich die gesunde Ernährung aufrechterhalten und auch etwas aktive Bewegung. Also nicht nur auf der Platte stehen, sondern auch aktiv mit ein bisschen Krafttraining und Ausdauersport.“
Sollte das Risiko für Brüche sehr hoch sein, erhalten Patienten außerdem spezielle Osteoporose-Medikamente. Neu ist, dass immer häufiger knochenaufbauende Medikamente empfohlen werden.
Medikamente gegen Osteoporose
Generell gibt es zwei unterschiedliche Wirkungsweisen der Osteoporose-Medikamente. Die einen sollen den Knochenabbau hemmen. Die anderen stärken den Knochenaufbau. Manche Medikamente vereinen sogar beide Wirkweisen. Grundsätzlich sollen sie die Krankheit aufhalten und Knochenbrüchen vorbeugen.
Orthopädin Anna Katharina Doepfer empfiehlt bei akuten Brüchen im Wirbelsäulenbereich oder bei Schenkelhalsbruch schnell wirkende Medikamente, “weil wir wissen, dass es zu Folgebrüchen kommen kann. Daher sind es dann Medikamente, die idealerweise knochenaufbauend sind, denn wenn ich einen schlechten Knochen habe, möchte ich den aufbauen.“
Für viele Patienten reicht eine Standardtherapie etwa mit sogenannten Bisphosphonaten oder anderen Präparaten, die den Knochenabbau hemmen. Typische Nebenwirkungen dieser Therapie sind Beschwerden im Magen-Darm-Trakt. In solch einem Fall kann auch zu einem intravenösen Präparat gewechselt werden. „Generell muss man sagen, dass aber über 90 Prozent der Patienten die Medikamente nebenwirkungsfrei einnehmen können“, sagt Prof. Liener.
Knochenaufbauende Medikamente kommen bei schwerer Osteoporose zum Einsatz.
In Extremfällen greifen Experten zum Wirkstoff Romosozumab, den es seit etwa fünf Jahren gibt. Er soll den Knochenaufbau fördern und zudem in geringem Maß den Abbau hemmen. Maximal 12 Monate dauert die Behandlung mit dem Medikament, das sich der Patient monatlich spritzen muss.
Doch nicht jeder Patient kommt für eine solche Therapie in Frage. Der Wirkstoff ist nur für Frauen nach den Wechseljahren zugelassen und bei erheblichem Knochenbruchrisiko. Der Grund dafür: ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und sogar Tod kann nicht ausgeschlossen werden.
Osteoporose: Wo werde ich richtig behandelt?
Wer von Osteoporose betroffen ist, sollte sich um Spezialisten bemühen, meist Orthopäden, die auf die Erkrankung spezialisiert sind, um die richtige Therapie zu erhalten. Bei schweren Fällen sollte man eine Endokrinologie aufsuchen.
Nach fünf bis sieben Jahren medikamentöser Therapie sollte eine Pause gemacht werden, um den Knochenstoffwechsel wieder zu animieren. Gegebenenfalls sollte die Therapie dann später wieder aufgenommen werden – zur genauen Diagnose sollte man sich regelmäßig untersuchen und die Knochendichte kontrollieren lassen.
Dr. Berthold Fohr erklärt: „Eine Kontrolluntersuchung ist in der Regel einmal im Jahr erforderlich. Wenn Patienten neu eingestellt wurden auf z.B. Spritzenmedikamente, die etwas anders wirken als die herkömmlichen Tabletten, sind auch frühere Kontrollen sinnvoll. Etwa einen Monat nach Beginn der Therapie zur Blutkontrolle und Kontrolle der Anwendung und Handhabung.“
Hier gibt es weitere, detaillierte Informationen zu Diagnose und Therapie bei Osteoporose.
Expert*Innen aus den Filmen:
Dr. med. Anna Katharina Doepfer, Orthopädin und Osteoporose-Spezialistin
Ngozi Mora, Expertin für Osteoporoseversorgung, Fachärztin für Orthopädie