Weltstar auf Europatour

Klassik-Vermittler zwischen West und Fernost: Lang Lang in Deutschland

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Matthias Nöther
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Dominic Konrad

Zu Beginn seiner Karriere faszinierte und befremdete der in den USA ausgebildete chinesische Pianist das westliche Klassik-Publikum gleichermaßen: Kritiker befanden sein Stil für zu plakativ und oberflächlich. Mittlerweile weiß man aber: Lang Lang hat damit dazu beigetragen, dass sich die Klassikwelt ein Stück weiter internationalisiert. Ein Gespräch zu Beginn seiner Europa-Tournee.

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Auch für den Weltstar sind Ticketverkäufe schwieriger als vor der Pandemie

Immer auf Achse rund um die Welt: So stellte die Universal Music Group Lang Lang immer wieder vor. Dass der Pianist in unterschiedlichen Kulturen zuhause ist, lässt sich gut vermarkten.

Für ihn persönlich führt es aber auch dazu, dass er den Klassikmarkt nach der Corona-Pandemie aus verschiedenen Perspektiven beobachten kann: „Es ist nicht so, dass das Publikum nicht zurückkommt, aber es ist auf jeden Fall schwieriger geworden, Tickets zu verkaufen nach Covid“, meint der chinesische Pianist. „Die durchschnittlichen Konzertbesucher zu bekommen, ist schwieriger als vorher.“

Lang Lang spielt Disneys „Die Schöne und das Biest“

Disney-Filmmusik ist eine Herausforderung für das europäische Publikum

Lang Lang geht dabei einen kommerziell erfolgversprechenden Weg, aber nicht unbedingt den leichtesten. Während der Pandemie hat er für Sony ein Album mit Disney-Filmmusik aufgenommen.

Auf seiner Europa-Tournee präsentiert er sich jetzt nicht nur mit klassischen Werken, er versucht auch, die Disney-Stücke vor ein großes Live-Publikum zu bringen. Im Vergleich mit einem reinen Beethoven-Programm ist das in Europa eine Herausforderung:

„In Europa ist das nicht so wie in den USA, dass es sofort bei den Leuten klingelt, wenn bekannt wird, dass ich ein Disney-Programm spiele. In Asien ist es auch nicht so“, erklärt Lang Lang. „Nur in Amerika sagen die Leute sofort: ‚O wow!‘ Und sie wissen sofort, was das für Musik sein muss.“

Für seine Interpretation der Disney-Melodien habe er einen klassischen Stil gewählt, so der Pianist. Er habe sich in den USA von einigen großen Komponisten für die Arrangements helfen lassen. Entstanden sind dreißig Stücke in völlig neuen Arrangements. 

The Disney Book: Lang Lang spielt „Mary Poppins“

„Nur im chinesischen Publikum sehe ich so viele Kinder sitzen“

Mit 15 Jahren verließ Lang Lang seine Heimatstadt Shenyang im Nordosten Chinas für ein Klavierstudium am Curtis Institute in Philadelphia. Heute hat er für seine Konzerte in Asien einen Zweitwohnsitz in Shanghai. Er beobachtet, wie sich das Interesse an klassischer Musik in China entwickelt.

Es sei immer noch sehr anders, in China aufzutreten, meint der Weltstar: „Nur im chinesischen Publikum sehe ich in normalen Konzerten so viele Kinder sitzen. Das sind all diese Kinder, die dort Klavier lernen. Der Altersdurchschnitt des Publikums ist also schon mal viel niedriger als in Europa.“

Ganz anders sehe es in Europa aus: „Hier in Europa haben Sie immer noch viele Abonnenten, die es gewöhnt sind, Konzerte von professionellen Musikern dargeboten zu bekommen“, so seine Einschätzung, „also wirklich langjährige und eingefleischte Klassik-Fans, die wahnsinnig konzentriert zuhören.“

Lang Lang unterrichtet Studierende an der Shandong University in Jinan.
Unterstützung für Nachwuchspianisten: Der 41-jährige Weltstar gab im März eine Masterclass für Studierende an der Shandong University in Jinan.

Musikschüler in China: Je jünger, desto besser

In China geht es, so Lang Lang, immer noch stärker darum, junges Publikum zu gewinnen, das zum ersten Mal in einem Konzert ist. Man kann also sicher sein, dass der Klavierstar mit der Aufnahme der C-Dur-Sonatine von Muzio Clementi vor allem seinem jungen chinesischen Publikum einen Anker auswerfen wollte, den sie auch aus ihrem Klavierunterricht kennen.

Erst im Mai war Lang Lang in der südchinesischen Stadt Shenzhen und traf dort die Kinder, die am Musikkonservatorium der Stadt Klavier studieren. „Je jünger sie waren, desto besser“, so das Urteil des Experten. „Es gab so viele Talente im Alter zwischen 7 und 10 Jahren. Technisch spielten sie unglaublich gut.“

„Wir alle müssen uns natürlich die Frage stellen, wie man daraus Karrieren entwickeln kann“, meint der Pianist. „Da geht es ja nicht nur um das Talent, sondern auch um die richtigen Lehrer, die richtigen Mentoren, das richtige Umfeld, um auf die nächste Stufe zu kommen.“

Lang Lang spielt Bachs Goldberg-Variaton Nr. 30 in der Thomaskirche Leipzig

Würde Lang Lang seine Karriere rückblickend anders angehen?

Lang Lang hat bei seinem Studium in Amerika vor allem davon profitiert, dass sein Klavierprofessor ein Sammler asiatischer Kunst war. So konnte er seinem Studenten die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen westlicher Musik und asiatischer Kultur nahebringen. Würde Lang Lang seine Annäherung an die westliche Musik oder überhaupt seine ganze Karriere heute selbst anders angehen?

„Mein Vater hätte zu mir als Kind etwas netter sein können. Er war sehr streng. Aber die Strategie hat funktioniert“, urteilt er rückblickend. „Wenn sie nicht funktioniert hätte, dann würde ich tatsächlich eine Menge nachträglich ändern wollen. Ich bin keinen leichten Weg gegangen, aber das Ergebnis zählt.“

Was sich vor allem nicht ändern wird: dass Lang Lang aus Überzeugung ein Vermittler zwischen unterschiedlichen Kulturen bleibt. Durch seine Ehefrau, eine deutsch-koreanische Pianistin, hat er sogar dauerhaft einen Koffer in Deutschland.

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