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Klaus Mäkelä: (Zu) junger Dirigent übernimmt große Orchester?

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Christoph Vratz
Christoph Vratz (Foto: Pressestelle, Christoph Vratz)

Klaus Mäkelä wird neuer Chefdirigent in Chicago und Amsterdam. Er ist außerdem Chef bei den Orchestern von Paris und Oslo. Manche begleiten den Erfolg des erst 28-Jährigen Dirigenten skeptisch, andere halten ihn für eine Jahrhundert-Begabung. Was bedeutet die Wahl des Chicago Symphony Orchestra, wo Mäkelä das Erbe des inzwischen 82-jährigen Ricardo Muti antritt?

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Gut, es ist noch ein bisschen hin. Genauer: erst in drei Jahren wird der finnische Dirigent Klaus Mäkelä seine neuen Chef-Positionen in Amsterdam und Chicago antreten. Dann wird er nicht mehr 28, sondern immerhin 31 Jahre alt sein und weitere Erfahrungen gesammelt haben bei seinen aktuellen Ämtern in Paris und Oslo.

YouTube-Video: Mäkelä dirigiert das Concertgebouw Orchestra

Zu wenig Erfahrung?

Doch rechtfertigt dieser Zeitpuffer die jetzige Ernennung, die Inthronisierung bei zwei der weltweit bedeutendsten Orchester? Auf der einen Seite steht das Concertgebouw in Amsterdam als Vertreter für Old Europe mit seinem warm-bronzenen Timbre, dort das auf Perfektion ausgerichtete, blechblitzende Chicago Symphony.

Beide Aufgaben sind, schon für sich genommen, riesige Herausforderungen (Andris Nelsons, der den Spagat in Boston und Leipzig vollzieht, dürfte das bestätigen).

Beide Aufgaben sind, schon für sich genommen, riesige Herausforderungen.

Und beide Ämter verlangen – neben Talent und Begabung – vor allem Erfahrung. In diesem letzten Punkt hege ich derzeit leichte Zweifel, inwieweit Klaus Mäkelä dafür der Richtige ist, ohne sich zu überheben. 

Orchester erhoffen künstlerische Impulse

Doch hat Mäkelä sich beide Ämter nicht selbst erfochten, er ist von den jeweiligen Orchestern gewählt bzw. gefragt und ernannt worden.

Man sollte den Verantwortlichen in Amsterdam und Chicago unterstellen, dass sie bei ihrer Entscheidung nicht allein aktuellen Trends oder gar dem Medienhype um Mäkelä gefolgt sind, sondern sich ernsthafte künstlerische Impulse von ihm erhoffen. Inwieweit er diese Ansprüche auch erfüllen kann, bleibt abzuwarten. 

Inwieweit er diese Ansprüche auch erfüllen kann, bleibt abzuwarten. 

Mäkelä hätte auch ablehnen können

Ich möchte mal ein Gegenbeispiel zu Mäkelä anführen. Patrick Hahn ist nur wenigen Monate älter als sein finnischer Kollege und hätte bereits höhere Aufgaben übernehmen können. Doch er hat sich ganz bewusst dazu entschieden, noch ein paar Jahre als Generalmusikdirektor im beschaulichen Wuppertal zu bleiben.

SWR2 Treffpunkt Klassik extra Patrick Hahn, Dirigent, Pianist, Komponist und Musikkabarettist

Wer mit elf Jahren Musik studiert und mit zwölf seine erste Oper komponiert, der bekommt schnell den Stempel "Wunderkind" aufgedrückt. Dem ist Patrick Hahn längst entwachsen. Als jüngster Generalmusikdirektor im deutschsprachigen Raum bringt der 28-jährige Österreicher viele frische Ideen an die Wuppertaler Bühnen und hebt als erster Gastdirigent des Münchner Rundfunkorchesters seltene Musikschätze.

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Dort kann er sein Repertoire erweitern und sein Handwerk verfeinern, bevor er eines Tages bei renommierteren Orchestern als Chef gehandelt werden wird – eine Kapellmeisterlaufbahn, wie sie viele prominente Dirigenten vor ihm durchlaufen haben, ob Karajan, Furtwängler, Günter Wand und andere.

Hype um Jungspunde?

Natürlich gab es auch in der Vergangenheit Ausnahmen wie Leopold Stokowski, der mit 27 Jahren als Chef in Cincinetti für Furore gesorgt hat – aber eben nur mit einem Amt als Chefdirigent im Rücken.

Skepsis ist angebracht.

Skepsis ist angebracht, wenn sich das internationale Dirigenten-Karussell mehr und mehr um wenige Jungspunde dreht, wie eben Klaus Mäkelä.

Natürlich hat er eine faire Chance verdient. Nutzt er sie, haben die beiden Orchester mit ihrer Entscheidung alles richtig gemacht. Dann würde der Finne alle Skeptiker Lügen strafen, auch mich.

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