Sie ist zu schön, um wahr zu sein. Anmutig, nobel und unnahbar schwebt sie über den Dingen – ein Bild der Makellosigkeit und Eleganz: Celeste Giglio – gefeierte Lilie!
Eine Blume für die Könige
Die Lilie hat adligen Status: Die Bourbonen haben sie als Wappen-Symbol der französischen Monarchie genutzt. Scherzbold Rossini hat das ironisch ausgeschlachtet: In seiner komischen Oper „Die Reise nach Reims“ stranden alle, die zur Krönung des Bourbonenkönigs Karl wollen, im Hotel „Zur goldenen Lilie“.
Lange vor Rossini haben sich aber bereits die Barockkomponisten um die Lilie gerissen: Denn eine perfektere Allegorie für die Reinheit gab es nicht.
In einer Serenade von Tomaso Albinoni muss die Nymphe Daphne sich vorwerfen lassen, sie sei spröde. Sie aber verteidigt sich als tugendhaft – mit dem Argument: „Eine Lilie ist weiß“.
„Perche un giglio a nel candore“ aus Albionis „Il nascimento dell'Aurora“
Jungfräulich rein oder doch einfach nur arrogant?
Die Lilie, lateinisch lilium, gehört zu den ältesten Zierpflanzen überhaupt und wird wegen ihrer Schönheit in vielen Kulturen geschätzt. Auch als religiöses Symbol findet man sie häufig.
Die weiße Lilie als Sinnbild der Jungfräulichkeit – ein Symbol für Gottesmutter Maria und die unbefleckte Empfängnis. Auf Gemälden hält die Immaculata oft eine Lilie in der Hand.
Dass die Lilie so unantastbar ist, macht sie in den Augen mancher aber auch arrogant. Vivaldi beschießt sie in einem seiner Schäferspiele mit den wütenden Worten: „Nie läßt sich die stolze, weiße Lilie herab / das wilde, einsame Veilchen zu küssen.“
Überraschend wenig anspruchsvoll und ausdauernd
Die Lilie ist eine Verwandlungskünstlerin: Im geschlossenen Zustand ist ihre Blüte ein längliches Oval, geöffnet wird sie zur kelchförmigen Fontäne. Trotz ihrer Eleganz ist sie übrigens robuster, als man denkt, denn Lilien sind ausdauernde, aufrecht wachsende Zwiebelpflanzen. Es gibt kleine Arten, die etwa 30 Zentimeter hoch wachsen und Lilienriesen, die über zwei Meter hoch werden.
Majestätisch und irgendwie abgeklärt – so hat auch die kroatische Komponistin Dora Pejačević die Lilie eingefangen. Dabei hat sogar die edle Lilie ganz schlichte, menschliche Bedürfnisse:
Fehlt Lilien genügend Licht, verkümmern die Pflanzen. Sie mögen einen sonnigen bis halbschattigen Standort auf humusreichem, durchlässigen Boden. Je nach Art und Sorte variieren die Ansprüche leicht.
Betörende Erinnerung an den zu früh verstorbenen Sohn
Eine der schönsten und zugleich traurigsten Lilien-Vertonungen stammt von der englischen Komponistin Liza Lehmann. 1918 hat sie sich auf ein Poem des Barockdichters Ben Johnson besonnen: „Die Lilie ist nicht so stark wie die Eiche“, heißt es darin, „doch selbst wenn sie nur einen Tag lebt, gibt sie Licht.“
Lehmann hat „The Lily of a Day“ ihrem Sohn gewidmet, der viel zu jung verstorben ist. Am Ende des Lieds heißt es: „In kleinen Maßen kann das Leben vollkommen sein.“
Eine Aufforderung dazu, jeden noch so kurzen Moment zu würdigen und zu genießen. Die Lilie ist eben nicht nur überirdisch schön – sie ist auch weise.
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