Aus SWR2 wird SWR Kultur

Professorin für Kulturvermittlung: Geschichten erzählen, nicht Vorträge halten

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„Kultur darf eigentlich alles“ und somit auch widersprüchlich sein, betont Birgit Mandel, Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement an der Universität Hildesheim. Es gebe kein Richtig und kein Falsch. Zur Umbenennung von „SWR2“ in „SWR Kultur“ erklärt Mandel, warum Kulturvermittlung so wichtig ist und warum auch mal bei SWR3 ein klassisches Lied laufen sollte.

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Trennung von Pop- und Hochkultur in Deutschland besonders stark

„Ich glaube, es gibt in kaum einem anderen Land eine so starke Trennung in Hochkultur und eher populäre Kultur“, sagt Mandel. Sie würde sich sehr wünschen, dass wir uns davon lösen. Gerade auch öffentliche Kultureinrichtungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollten sich deutlich breiter aufstellen.

Birgit Mandel, Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement an der Universität Hildesheim (Foto: Birgit Mandel)
Birgit Mandel, Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement an der Universität Hildesheim

Hochkultur ja, aber was hat das mit mir zu tun?

Die Unterscheidung zwischen E- und U-Kultur, ernste Kultur und Unterhaltungskultur, sei nicht gut in Hinblick auf die kulturelle Teilhabe. Bevölkerungsbefragungen, die Mandel gemacht hat, zeigen: Viele haben zwar das Gefühl, klassische Hochkultur sei „unglaublich wertvoll für die Gesellschaft“, aber auch, dass sie „überhaupt nichts mit ihrem eigenen Leben zu tun“ habe. Dass sie das nicht verstehen, dass sie keinen Zugang haben und auch keine Lust drauf haben.

Kultur braucht mehr populäre Themen und Vermittlung

Zum einen müsse die Programmgestaltung in den öffentlich geförderten klassischen Kultureinrichtungen, in Theatern, Museen etc., deutlich durchlässiger werden, betont Mandel: mehr populäre Themen und vielfältigere Inhalte, nicht nur der klassische Kanon.

Kulturvermittlung ist kein fachwissenschaftliches Seminar

Aber es ginge natürlich auch darum, dass „eigentlich immer noch so anhand fachwissenschaftlicher Kriterien“ vermittelt wird. „Da hört man dann irgendwelche Einführungen und hat das Gefühl, man sitzt in einem kunsthistorischen oder musikwissenschaftlichen Seminar, statt wirklich klar verständliche, populäre, niedrigschwellige, spannende Geschichten“ zu hören.

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Also von Schiller, Goethe, Beethoven, Mozart verabschieden?

„Nein“, sagt Birgit Mandel, das würde sie nicht machen, weil es ja ein unglaublicher Gewinn sei, unsere Tradition ganz viel Wert habe. Aber der Kulturbegriff von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sei deutlich weiter, sie hätten viel weniger Zugang zum westlichen Kanon und dafür andere kulturelle Ideen und Programme.

„Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Dinge miteinander verschränken“, findet Mandel, „dass wir viel mehr, vielleicht auch so Crossover-Veranstaltungen machen, was Leute ganz spannend finden.“

Überraschen statt formatieren  – Mehr Mut zum Crossover

Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wundert sich Mandel, „dass es immer noch solche Spartenprogramme gibt, wo dann quasi alles, was komplexe, elitäre klassische Kultur ist, zusammengepackt wird.“

Stattdessen solle man einfach versuchen, das auch in populären Programme einzubauen und Menschen, die das auch gar nicht erwarten, mal zu überraschen. Da kommt dann plötzlich zwischen der bekannten Popmusik auch mal ein kurzes, klassisches Stück, aber vermittelt mit einer spannenden Story.

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In Zeiten der Spaltung kann Kultur Menschen zusammenbringen

Man müsse sich außerdem lösen von diesem eher elitären Sprachduktus, den Mandel oft wahrnimmt, wenn es um klassische Kultur geht. Für sie ist das „absolut notwendig“.

In Zeiten, wo die Gesellschaft so sehr auseinander driftet, könne Kultur wirklich das Potenzial haben, Menschen zusammenzubringen über soziale Milieus, politischer Auffassungen hinweg. Kultur habe dieses Potenzial, dürfe jedoch nicht in „Spartenprogrammen eingesperrt“ bleiben.

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Kultur darf das – ja was denn eigentlich?

„Eigentlich alles“, resümiert Mandel und plädiert noch einmal intensiv für die gesetzlich verankerte Kunstfreiheit: „Kultur darf widersprüchlich sein. In der Kultur gibt es kein Richtig und kein Falsch. In der Kultur gibt es ganz unterschiedliche Wahrheiten und Perspektiven.“

Kultur könne alles zusammenbringen, alles ausprobieren. „Das ist das Wunderbare, mindestens in der Kunstkultur, dass sie ja dafür steht, dass sie keinen bestimmten Zweck hat und dass sie tendenziell utopisch ist. Alles ist möglich, alles kann man einfach spielerisch ausprobieren. Und dann sieht man weiter.“

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