Buchkritik

Sönke Iwersen, Michael Verfürden – Die Tesla-Files

Stand

Von Autor/in Judith Leister

In ihrem Enthüllungsbuch „Die Tesla-Files“ weisen zwei Journalisten des „Handelsblatts“ anhand von geleakten Dokumenten nicht nur einen allzu lockeren Umgang mit Daten bei Tesla nach, sondern auch Vertuschungsversuche bei schwerwiegenden technischen Mängeln der Fahrzeuge.

Elon Musk hat einen tiefen Sturz hinter sich. Galt „der reichste Mann der Welt“ noch vor Kurzem als exzentrischer, aber irgendwie auch genialer Spinner, der eine Firma nach der anderen aus dem Boden stampft, so ist er spätestens seit seiner Parteinahme für Donald Trump nach dem Attentatsversuch vom 13. Juli 2024 für die meisten ein Anti-Held, stellt der „Handelsblatt“-Redakteur Sönke Iwersen, Co-Autor von „Die Tesla-Files. Enthüllungen aus dem Reich von Elon Musk“, fest: 

Ganz öffentlich hat man das Kippen gesehen an dem Tag, als er sich für Donald Trump eingesetzt hat. Als er gesagt hat: Das ist mein Mann, nachdem er ihn vorher verlacht hat, und als er ganz offen Korruption betrieben hat. Er hat Stimmen gekauft, und sich in die die Position gebracht, in der er die Behörden kontrolliert, die ihn eigentlich kontrollieren sollen. Klassischer Interessenskonflikt, klassische Korruptionssituation, die aber da in Amerika ganz offen ausgelebt wird.

Zwielichtige Trump-Unterstützung 

Iwersen spielt darauf an, dass Musk im US-Wahlkampf als Unterstützer des Kandidaten Donald Trump eine Millionenlotterie veranstaltete. Sein „Political Action Committee“ verloste täglich bis zu eine Million Dollar an Wähler, die eine Petition für freie Meinungsäußerung und Waffenbesitz unterschrieben – eine rechtlich durchaus zwielichtige Aktion.

Bekanntlich hat sich Musk danach im Auftrag von Trump als Leiter des „Department of Government Efficiency“ betätigt, das den Staat effizienter machen soll – wodurch massenhaft Staatsbedienstete auf der Straße landeten.  

Sorgloser Umgang mit Mitarbeiterdaten 

Längst vorher, im Februar 2023, hatte sich ein Whistleblower von Tesla Norwegen bei Iwersen gemeldet, der auf dramatische Datenlecks bei Tesla hinwies. Zunächst ging es Lukasz Krupsky, so hieß der Mann, um den mangelnden Schutz von Mitarbeiterdaten – geradezu eine Einladung zum Identitätsdiebstahl, der in den USA mit nur wenigen persönlichen Angaben möglich ist.

Iwersen und sein „Handelsblatt“-Kollege Michael Verfürden kontaktierten daraufhin an die 200 Tesla-Mitarbeiter, die über das Datenleck natürlich aufgebracht waren. 

Wir wissen heute, dass einzelne das gemeldet haben in die Konzernzentrale. Trotzdem wurden die Mitarbeiter erst ein halbes Jahr später informiert. Andererseits existieren scharfe Sicherheitsvorkehrungen im Unternehmen und den Mitarbeitern ist es unter Androhung höchster Strafen untersagt, auch nur irgendwas aus dem Unternehmen an Dritte zu tragen. Das ist ein Widerspruch, den wir nicht auflösen können.

Gravierende technische Mängel bei Fahrzeugen 

Unter anderem fand das „Handelsblatt“-Team in den geleakten Datensätzen zahlreiche Verstöße gegen das Arbeitsrecht, aktuelle Rechtsstreitigkeiten oder geheime technische Zeichnungen. 

Geradezu kriminelle Energie zeigte sich allerdings im Fall des Autonomen Fahrens. Hier bestehen offenbar schwere technische Mängel, die von Tesla systematisch verschwiegen werden. 

Das ist natürlich das Dramatischste, wenn wir sehen können in den Unterlagen, wie verstört Kunden von Tesla sind, dass ihre Autos von selbst beschleunigen, von selbst bremsen. Und noch verstörter sind, wenn ihnen der Kundendienst sagt: Das Auto ist völlig in Ordnung. Gleichzeitig haben wir die Korrespondenz zwischen Mitarbeitern gesehen, wo sie sich schreiben: Ich mache meinen Autopiloten auch immer aus, ich traue dem nicht.

Durch die Mängel beim Autonomen Fahren ist es zu mehr als 1.000 Unfällen gekommen, bei denen Tesla regelmäßig die Herausgabe der betreffenden Fahrzeugdaten verweigert.  

„Die Tesla-Files“ ist ein wichtiges, ja notwendiges Buch. Es deckt Missstände im Musk-Unternehmen in bislang unbekanntem Maßstab auf. Ein echtes Lehrstück des investigativen Journalismus, zu dem man den beiden Autoren nur gratulieren kann. 

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