Spätestens seit der Pussy Hat-Bewegung ist die Vulva ein popkulturelles Phänomen. Ein Anstoß auch für die Stand-Up-Comedienne Lisa Frischemeier sich mal näher mit dem, was sie „untenrum“ hat, auseinanderzusetzen.
Achtzig Fotografien, die an Vulven erinnern
Eine Hauswand in Berlin hat Lisa Frischemeiers Blick auf die Welt schlagartig verändert. Nicht weil dort ein kreatives Graffiti oder ein Plakat hing. Der Zahn der Zeit hatte die Mauer verändert: „Da war der Putz abgebröckelt“, erinnert sich die Autorin. „Das hat mich stark an eine Vulva erinnert, weil es Vulvalippen gab, dann gab es einen Eingang, eine etwas tiefere Kerbe.“
Eine ovale Form, ein etwas ausgefranster Rand: Ein Foto dieser Fassade findet sich in Lisa Frischemeiers Bildband „I See Vulvas Everywhere“. Es ist eine von achtzig Fotografien. Manche hat die Stand Up-Comedienne selbst gemacht, andere wurden ihr zugesendet.
Was alle Fotos verbindet? Sie zeigen Variationen von ovalen Formen, die, wenn man es einmal so sieht, in ihrer Vielfalt tatsächlich an Vulven erinnern.
Ein schambehaftetes Körperteil
Lisa Frischemeier möchte das und ihr Buch lädt dazu ein, es ihr gleichzutun. Denn während Kritzeleien von Penissen zahlreiche Toilettenkabinen zieren, bleibt die Vulva ein schambehaftetes, fast schon mysteriöses Körperteil.
„Es fängt damit an, dass wir Penis-Graffitis sehen, aber fast nie eine Vulva“, erklärt die Autorin das Konzept hinter ihrem Band. „Oder dass das immer noch im Sexualkunde-Unterricht, in Hollywood, sogar in der Medizin, in der Forschung ... wie ausgerichtet das ist auf die männliche Lust.“
Neben Gottvater kein Platz für die Vulva
Warum das so ist, erklärt Lisa Frischemeier zu Beginn ihres Buches. In einem einführenden Text fasst sie die kulturgeschichtliche Entwicklung der Vulva zusammen. In einigen Mythologien gilt die Vulva noch als kraftvolles Symbol der Fruchtbarkeit und als stolze Waffe, deren Anblick sogar den Teufel in die Flucht jagt.
Doch je mächtiger die Kirche wurde, umso mehr wurde dieses Körperteil abgewertet: Neben einem einzigen Schöpfer-Gott hat eine Vulva keinen Platz. Über Jahrhunderte wurde sie also verleumdet und verdrängt.
Dabei findet sich ihre ovale Grundform überall um uns herum, das machen die vielfältigen Fotos in Lisa Frischemeiers Buch deutlich. Ihr selbst habe das Sammeln der Bilder dabei geholfen, selbstbewusster über ihre eigene Vulva zu sprechen. Denn Sichtbarkeit und Sprache hängen eng zusammen.
Lernen, wie eine Vulva richtig aussieht
„Man muss wissen, wie die Vulva aussieht und welche Bestandteile es gibt, um die richtig benennen zu können“, ist Frischemeier überzeugt. „Als ich in der Schule von den großen und kleinen Schamlippen gelernt habe, war ich total irritiert, weil ich immer dachte, nee, bei mir stimmt das aber nicht. Die Inneren sind größer und die Äußeren sind kleiner.“
Lange Zeit haben sie diese Begrifflichkeiten tatsächlich verwirrt, sagt sie, denn sie habe die entsprechenden Bilder dazu nie gesehen. Auch um sagen zu können, wenn „untenrum“ etwas nicht stimmt oder wie man Lust empfinden möchte, muss die Vulva von der jahrhundertalten Scham befreit werden.
„Auch Kinder dürfen sich dieses Buch anschauen.“
Lisa Frischemeiers Bildband lädt ganz unverkrampft dazu ein und bringt einen angesichts dieser Formen-Vielfalt zum Staunen. Und damit auch wirklich die letzte Hürde genommen wird, zeigt das zitronengelbe Cover nicht nur eine perlenbesetzte Haarspange, die alltäglichste aller ovalen Formen, sondern auch einen Aufkleber mit dem Versprechen „100% pornofrei“.
Das sei aber keine Warnung, sagt Frischemeier: „Es ist auch überhaupt nicht so gemeint von wegen ‚Hier geht es nicht um was Dreckiges‘. Sondern eher so: Auch Kinder dürfen sich dieses Buch anschauen.“