Gespräch

Die Hetze der AfD: Wie Social Media die Sprache im Bundestag verändert

Stand
INTERVIEW
Jan Tussing

Die Hetze- und Hassreden der AfD im Bundestag seien wohl kalkuliert, erklärt Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje. Die AfD würde seit Jahren eine „Provokationsstrategie“ führen.

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Ziel: Reiz-Reaktionen hervorrufen

„Sie arbeiten mit Diffamierung und Diskreditierung des politischen Gegners und gesellschaftlicher Minderheiten“, so Hillje. Das Ziel dabei sei, eine Reiz-Reaktion zu erzeugen.

In dieser Strategie spielen soziale Medien eine bedeutende Rolle. Die letzte provokative Rede von Alice Weidel im Bundestag habe zum Beispiel über eine Million Aufrufe auf verschiedenen Kanälen in wenigen Tagen erreicht, erklärt Hillje.

Stärkere Positionierungen der demokratischen Parteien

„Sie halten plattformkonforme Reden“, erläutert Hillje. Darin würden Sätze so formuliert werden, dass sie sich in Form und Länge gut als Video-Schnipsel eignen. Denn die „primäre Zielgruppe“ von AfD-Reden seien nicht im Bundestag, sondern auf den sozialen Plattformen.

Das Gefährliche an dieser kalkulierten Reiz-Reaktion sei, dass auch Politiker*innen demokratischer Parteien sich positionieren müssten. Deswegen würden wir immer emotionalere und radikalere Reden im Bundestag hören, so der Politikberater. Er rät den demokratischen Parteien daher, sich emotional ebenfalls stärker zu positionieren.

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Eine Million gegen rechts: Wie macht man Antifaschismus nachhaltig?

Die Bilder aus München, Berlin, Frankfurt, Hamburg, Leipzig, Bonn, Köln, Erfurt und vielen, vielen anderen Städten waren beeindruckend. Nach den Enthüllungen um rechte Deportationspläne war das Erschrecken in breiten Teilen der Bevölkerung so groß, dass mehr als eine Million Menschen spontan auf die Straße gegangen sind. Was wird davon bleiben, wenn die erste Welle der Demonstrationen abgeflaut ist?

Der Journalist und Autor Mohamed Amjahid ist skeptisch: “Für deutsche Verhältnisse ist es erstaunlich, dass überhaupt so viele Menschen auf die Straße gehen." Gerade in Cottbus, in Luckenwalde, aber auch in Baden-Württemberg, wo die AfD auch sehr stark ist, ist das gut. Aber ich würde nicht sagen, es ist fünf vor zwölf, sondern eher viertel nach drei.”

Gut, dass es diese Protestwelle gibt, sagt Amjahid. “Aber wir müssen auch mal abwarten, was in den nächsten Wochen passiert.” Denn im Gegensatz zu rechtsextremen Gruppen seien progressive Bevölkerungsschichten schlecht organisiert. Eine wirklich breite Bewegung sei auch deshalb so schwierig auf die Beine zu stellen, weil rechtes Gedankengut mittlerweile normalisiert sei, unterstreicht der Journalist.

“Ich bin jetzt der Party Pooper: Die AfD auf null Prozent zu drücken, wird nicht klappen.” Aber eine Sache hätten die Großdemonstrationen: Es gebe eine Nachfrage nach antifaschistischer Politik. “Das Potenzial dafür zu erkennen, ist eine politische Aufgabe.”

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