Anselm Kiefer zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Jetzt wurde sein restauriertes Elternhaus bei Rastatt mit einer Ausstellung seiner frühen Werke erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Vor der alten Haustüre eine beachtliche Menschentraube, die Atmosphäre angespannt, erwartungsfroh: Am Sonntag, 27. April, öffnete das „Haus Kiefer“, wie das Elternhaus von Anselm Kiefer ab jetzt heißt, zum ersten Mal seine Türen für die Öffentlichkeit.

Zeitreise in Kiefers Kindheit
2019 hat Anselm Kiefer es zurückgekauft und aufwendig restaurieren lassen. In den schlicht gehaltenen Räumen, die eng mit Kiefers Kindheitserinnerungen verbunden sind, wird die enge Verzahnung von Biografie, Erinnerung und Kunst besonders spürbar.
Ich kam immer wieder vorbei an dem Haus, wenn ich zum Rhein gefahren bin, und dachte, es hat sich verändert. Ich wollte es so haben, wie es war, also habe ich entschieden, es zurückzubauen.

Präzise Erinnerungen an die 1950er-Jahre
Tatsächlich begibt man sich im inneren des Hauses auf eine Zeitreise in Kiefers Kindheit. Der Holzdiehlenboden knarzt, die Wände sind schlicht hell verputzt, selbst die Fenster gleichen dem historischen Original. 1875 als Schulhaus erbaut, wohnte Kiefer als Kind von 1951 bis 1957 mit seiner Familie im oberen Stock – eine sehr prägende Zeit für den nunmehr international gefeierten Künstler.
Der Künstler erinnert sich noch sehr genau an diese Zeit: „Ich musste immer in den Keller gehen, um Sauerkraut zu holen. […] und auch Kohlen. Und dann, ganz selten, aber einmal, wenn ich mich noch ganz bestimmt erinnere, war der Keller voll Wasser. Weil da war der Rhein übergetreten, wegen der Schneeschmelze, und dann stieg der Grundwasserspiegel […].

Kompromisslose Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich
Das Thema Grenzen und vor allem, was sie mit Menschen machen, beschäftigt Kiefer noch heute. Kaum ein anderer Künstler hat sich so kompromisslos mit den Verbrechen des Dritten Reichs, dem Mythos der Nation und dem kulturellen Gedächtnis Deutschlands auseinandergesetzt. Besonders zu Beginn seiner Karriere brachte ihm das viel Kritik ein.
Schlüsselwerke der 70er- und 80er-Jahre
Die Eröffnungsausstellung im Haus Kiefer zeigt Werke aus den 1970er- und 1980er-Jahren, als Kiefer in seinen Ateliers in Hornbach und Buchen im Odenwald arbeitete. Zu den Schlüsselwerken gehören Resumptio (1974), Unternehmen „Hagenbewegung“ und Unternehmen „Wintergewitter“ (1975) sowie Dein aschenes Haar, Sulamith (1981). Diese Werke, die bereits in bedeutenden Museen weltweit gezeigt wurden, spiegeln zentrale Themen wie Landschaft, Geschichte, Mythologie und die Poesie von Paul Celan wider.
Ein Künstler kann nicht ohne Erinnerung arbeiten. Alles geht durch die Erinnerung. Wenn wir uns erinnern, treten wir gleichzeitig in die Zukunft.
Die Ausstellung im Haus Kiefer ist mehr als nur eine Werkschau. Sie ist ein lebendiges Zeugnis von Kiefers Auseinandersetzung mit seinen Wurzeln und seiner künstlerischen Weiterentwicklung. Der Raum, in dem er als Kind spielte, wird nun zum Ort, an dem seine frühen Werke in den Kontext seiner Lebensgeschichte gesetzt werden.
Weitere Informationen zum Thema
Vom Elternhaus zum Museum Haus Kiefer in Rastatt: Anselm Kiefer kehrt zu seinen Wurzeln zurück
Anselm Kiefer eröffnet in seinem Elternhaus in Rastatt ein Museum. Ein Blick auf seine Kunst, seine Biografie und sein schwieriges Verhältnis zu Deutschland.