Das Augustinermuseum zeigt in „Alter!“ 77 Grafiken aus fünf Jahrhunderten und fragt: Wie haben Künstlerinnen und Künstler im Laufe der Zeit das Alter thematisiert? Unter anderem mit Druckgrafiken von Rembrandt, van Rijn, Erich Heckel, Käthe Kollwitz und Pablo Picasso.
Falten und Runzeln im Freiburger Museumsbestand
Die Idee zur Ausstellung hatte eine ausgesprochen junge Kunstwissenschaftlerin: Adana Schulz hat bereits in ihrer Magisterarbeit Alters-Stereotypen in der Kunst behandelt.
Nun hat sie die Freiburger Museumsbestände nach Falten, Runzeln und Krückstöcken durchsucht. Die wohl positivsten Altersdarstellungen fand sie bei biblischen Heiligenfiguren. Zumindest bei männlichen!
Der klassische Alte der Antike
Adana Schulz zeigt auf zwei Holzschnitte von Hans Baldung von 1514 und 1516. Sie stünden für den klassischen Alterstypus, der auch aus der Bibel bekannt sei - lange Bärte, faltige Stirn, kahles Haupt.
„Das ist ganz eng verknüpft mit einem positiven Altersbild, das von deren Weisheit und Erfahrungswissen zeugt“, sagt Schulz.

Und weibliche Heilige? Durften selten alt und runzlig sein, Tugendhaftigkeit war für damalige Künstler mit Jugend und Schönheit verknüpft.
Die alte Frau war böse
Es gibt aber durchaus welkende Frauenkörper im 16. Jahrhundert, dann aber in allegorischen Darstellungen mit moralischer Botschaft: Das böse alte Weib.
In der Kunstgeschichte versinnbildlichte es oft Geiz, Neid, Gier oder Eitelkeit. Positiv dagegen, wenn Frauen ihre Rollen erfüllten. „Die Mutter des Künstlers“: ein beliebtes Motiv, in Freiburg sehen wir gleich zweimal die ehrwürdig ergraute Mutter von Rembrandt.
Selbstportät von Käthe Kollwitz
Zu den Highlights der Schau gehören die Künstler-Selbstporträts. Wie das von Käthe Kollwitz 1924. Ihre hängenden Augenlider und schmalen Lippen verraten ihr Alter, aber auch ihr schweres Schicksal – Kollwitz verlor ihren Sohn im Ersten Weltkrieg.

Ganz anders Picassos Selbstporträt als Faun von 1956: Seine Runzeln sind kleine Kreuzchen und die Falten bunte Wellenlinien. Verspielte Lebensfreude – trotz Alter.
Gretel Haas-Gerber malte sich mit 90
Berührend das Selbstportrait von Gretel Haas-Gerber: Die 90-Jährige, fast blinde Künstlerin schuf es 1997 mit zitternder Hand, schemenhaft und doch stolz mit Malerpalette in der Hand.
Für Kuratorin Adana Schulz ist das eine wichtige Botschaft: Frauen wirken heute selbst mit am Alters-Bild in der Kunst. Wie die Body-Art-Künstlerin Annegret Soltau mit ihren Collagen aus Familienfotos: „Wir haben hier ihre Tochter und ihre Urgroßmutter. Das sind Aktfotografien, die hat sie ausgeschnitten und ineinander vernäht. Hier wird auch die weibliche Vererbungslinie thematisiert.“
Das Alter in all seiner Schönheit
Fast alle der 77 ausgestellten Druckgrafiken stammen aus den eigenen Sammlungen des Augustinermuseums und des Museums für Neue Kunst in Freiburg. Die jüngsten Arbeiten aber sind Leihgaben des Berliner Foto-Künstlers Darius Ramazani von 2006: Zwei sehr betagte Damen mit strahlendem Lächeln und rot geschminkten Lippen im Großformat.

Museumsleiterin Jutta Götzmann wollte sie unbedingt für die Ausstellung, denn sie stünden für die positive Umdeutung des Alters: „Diese Gesichter strahlen einem entgegen: Fürchtet euch nicht vor dem Alter, auch diese Zeit ist lebenswert.“
Tatsächlich erstaunlich, wie schön Falten und Altersflecken sein können, wenn man sie nur richtig ausleuchtet. Adana Schulz und Jutta Götzmann wünschen sich, dass Ausstellungsbesucher im Alter in Zukunft nicht nur Hinfälligkeit und Verlust sehen. Sondern vor allem einen Gewinn an Lebenserfahrung und – ja –Schönheit.
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