Er sei der beste aller Menschen in den schlimmsten aller Zeiten. Dieser Satz fällt gleich zu Beginn von „Mission: Impossible – The Final Reckoning“, dem letzten Teil der erfolgreichen Actionreihe. Die schlimmsten Zeiten, die sind jetzt, denn eine Künstliche Intelligenz will die Welt zerstören. Der beste Mensch, sie aufzuhalten, das ist natürlich und immer noch Ethan Hunt, verkörpert von Tom Cruise.
Bald wird der amerikanische Schauspieler 63 Jahre alt – fast 30 Jahre spielte er die Rolle des integren Hunt: jenes Mannes, der unmögliche Aufträge ausführt, die der Impossible Mission Force, kurz IMF, angetragen wurden.
„Er ist der Mann für die letzte Instanz“, wird betont, bevor Hunt mit seiner letzten großen Aufgabe betraut wird. Wie auch in den Vorgänger-Filmen wird Cruise für seine Rolle wieder ans Äußerste des körperlich Möglichen gehen.
Die Figur des Ethan Hunt ist damit keine vom Typ James Bond. Nicht nur, weil er weniger Gadgets bedient und Frauen gleichberechtigt an seiner Seite kämpfen, sondern weil niemand anderer als Tom Cruise ihn spielen kann. Er hat diesen Heldentypus für sich geschaffen.
Jedes Genre scheint ihm zu liegen
Dass er auch andere Typen kann, bewies er in seiner langen Karriere oft genug. Auch, dass er ein großartiger Schauspieler ist, zeigte er nicht nur in „Magnolia“, für den er für einen Oscar nominiert wurde.
Die Liste seiner Erfolge ist lang: Er spielte unter vielen Großen (Barry Levinson, Martin Scorsese, Steven Spielberg, Stanley Kubrick) und an der Seite von Großen (Paul Newman, Robert Redford, Dustin Hoffman, Jack Nicholson). Jedes Genre schien ihm dabei zu liegen.

Action-Held mit vollem Körpereinsatz
Doch das des Actionfilms scheint ihm am meisten zu entsprechen: Mit „Top Gun“ feierte er 1986 seinen Durchbruch. Zehn Jahre später begann die „Mission: Impossible“-Reihe, 2001 erschien „Minority Report“ und später kam noch „Jack Reacher“ dazu. Cruise hat in all den Jahren sein Markenzeichen als Blockbuster-Star etabliert: Alle Stunts macht er selbst.
Auch für „Final Reckoning“ wurde sein Körpereinsatz wieder vermarktet: In spektakulären Szenen taucht Cruise in ein U-Boot in einem rotierenden Wassertank und kraxelt zwischen Doppeldeckern, die durch Gebirge sausen. Selbst Nicht-Actionfans wird das beeindrucken.
Dass Cruise für die beste Version eines Films alles möglich machen will, ist eine Eigenschaft, die er schon seit seinem ersten Dreh an den Tag legte: Für „Die Kadetten von Bunker Hill“ habe er sich alles technische Filmwissen angeeignet. Und auch in heutigen Interviews betont er unentwegt, dass Schauspieler erst einmal eine Kameralinse verstehen müssten, um für dieses Medium spielen zu können.
Drang nach Perfektion führt zu Scientology
Dieser Drang nach Perfektion entspringt dem großen Minderwertigkeitskomplex seiner Jugend: Wegen der Legasthenie konnte er seinen Wissensdurst nie richtig stillen. Frustrierend sei es für ihn gewesen, sagte er früher mal, Wissen nicht richtig aufnehmen und behalten zu können.
Und vielleicht ist es die große Tragik dieses talentierten jungen Mannes, dass er bei der Suche nach Abhilfe auf einen Artikel von L. Ron Hubbard stieß, der ihm eine erfolgreiche Lernmethode versprach.
Die sogenannte „Study Technology“ ist ein Einstiegstext der Sekte Scientology, die hierzulande vom Verfassungsschutz beobachtet wird und in den Vereinigten Staaten als Religion gilt. Sie predigt die sogenannte Dianetik, den Glauben daran, dass in jedem Menschen eine göttliche Macht wohne, die von negativen irdischen Erfahrungen zurückgehalten wird, ihr Potenzial zu entfalten: Telekinese, Telepathie, Levitation, das sei alles möglich.

1986 wurde Cruise Mitglied und ist nach David Miscavige, der die Sekte leitet, die zweitmächtigste Person. In den Nullerjahren trat Cruise mit seinem Glauben immer wieder missionarisch in die Öffentlichkeit, wurde interviewt, befragt, angezweifelt – bis er 2008 schließlich zum Gespött wurde: Hacker verbreiteten Videos von Cruise, in denen er wirre Phrasen drescht (unterlegt vom „Mission: Impossible”-Soundtrack) und manische Reden hält.
Irritierende Interviews und fragwürdige Integrität
Weitere irritierende Interviews würden folgen: Der Sprung aufs Sofa (Oprah Winfrey), die Beichte, einem Kollegen beim Dreh Sauerstoff abgedreht zu haben (David Letterman), das Wettern gegen die Einnahme von Antidepressiva (Matt Lauer). Es ist zu einem langanhaltenden Witz geworden, dass Christian Bale seine Darbietung in „American Psycho“ an Tom Cruises falsches Lachen angelehnt hat.
Dieses Auftreten ließ Tom Cruise in Ungnade fallen: Zahlreiche Kollegen wandten sich von ihm ab, das Produktionsstudio Paramount machte ihn für die schlechten Einspielergebnisse von „Mission: Impossible III“ verantwortlich und entließ ihn.
Über die Integrität eines großen Schauspielers, der einer Sekte angehört, welcher unter anderem Missbrauch, Menschenhandel und Zwangsarbeit vorgeworfen wird, wurde dann ausgiebig diskutiert, als er einen historischen Helden, nämlich Claus Schenk Graf von Stauffenberg in „Operation Walküre“ spielte.
Nachdem seine damalige Ehefrau Katie Holmes sich 2012 von ihm scheiden ließ – sie wollte ihre Tochter vor Scientology schützen, gleiches hatte seine Ex-Frau Nicole Kidman für die Adoptivkinder zu erwirken versucht –, hielt Cruise sich mit öffentlichen Bekundungen zur Sekte zurück.
Die Musik von „Mission Impossible“ bei Score Snacks
Vom Spinner zum geliebten Actionheld
Kaum hätte man sich damals vorstellen können, dass Tom Cruise bei den Olympischen Spielen 2024 zum Fahnenträger werden würde. Von allen geliebt und hofiert, bis auf einige kritische Stimmen, die sich fragten, warum er seitdem keine Rechenschaft mehr ablegen musste.
Zuletzt erwähnte Cruise Scientology 2015 bei der „Jack Reacher”-Pressetour, als „wundervolle Religion“, die ihm in seinem Leben „unglaublich geholfen“ habe. Dass sich sein Image gewandelt hat, vom talentierten Spinner zum tüchtigsten aller Filmstars, liegt daran, wie Cruise das Actiongenre für sich nutzte.
Seit den Zehnerjahren produziert er die Filme, in denen er die Hauptrolle spielt, selbst. Für „Jack Reacher“ verpflichtete Cruise 2012 Christopher McQuarrie, der für „Operation Walküre“ das Drehbuch geschrieben hatte, als Regisseur. Die Regie sollte er auch für die seit 2015 folgenden „Mission Impossible“-Filme übernehmen.

Ein neues Image: Der Retter des Kinos
Und als mit Streamingdiensten und der Pandemie die schlimmsten aller Zeiten für das Kino anbrachen, wurde Cruise zum besten aller Filmschaffenden: Beim Dreh zu „Mission: Impossible – Dead Reckoning“ wies er die Crew harsch zurecht, sich an die Corona-Regeln zu halten, was gemeinhin als Hingabe zum Film interpretiert wurde.
Als er sich dann dafür einsetzte, dass „Top Gun: Maverick“ nicht auf einem Streamingdienst verscherbelt werden sollte, sondern im Kino laufe, wendete sich das Blatt für ihn: Der Film spielte weltweit gut 1,5 Milliarden US-Dollar ein.
Steven Spielberg – einer derjenigen, die sich von Cruise abgewandt hatten – attestierte ihm: Er habe Hollywood den Arsch gerettet. Dass er mit „Mission: Impossible – The Final Reckoning“ und einem geschätzten Budget von 400 Millionen US-Dollar nun einen der teuersten Filme aller Zeiten gedreht hat, darf man als Ausdruck seines Selbstverständnisses deuten.
Vielleicht wirkt Cruise im heutigen Amerika nicht mehr so abgedreht wie damals; vielleicht kann man ihn vor diesem Hintergrund nur noch als Filmvernarrten sehen, denn als personifizierte Hybris.
Wie Scientology sein Leben heute noch beeinflusst, wird nur durch Boulevardblätter angedeutet, die berichten, dass seine Tochter den Nachnamen abgelegt hat. Wer das Kino und die Welt rettet, kann sich vielleicht nicht vor sich selbst retten.