Von der Musical-Bühne zurück im Kino

Remake des Spielberg-Films „Die Farbe Lila“ als Feelgood-Kinomusical

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AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

In Hollywood und am Broadway sind Remakes ein wiederkehrendes Phänomen, derselbe Stoff wird über Jahrzehnte hinweg neu aufgelegt. So geschehen auch bei Steven Spielbergs „Die Farbe Lila“, 1985 gedreht nach dem Roman von Alice Walker. Ein junges schwarzes Mädchen in Georgia wird Anfang des 20. Jahrhunderts gezwungen, einen Mann zu heiraten, der sie ständig misshandelt und von ihrer Schwester trennt. Regisseur Blitz Bazawule ist ein Feelgood-Musical gelungen, dass es nicht schafft, Spielbergs Werk zu aktualisieren.

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Familiäre Formen der Hölle

In dem beeindruckenden Anfang des Films reisen wir zurück nach Georgia im Jahr 1909. Die jungen Schwestern Celie (Phylicia Pearl Mpasi) und Nettie (Halle Bailey) erleben kostbare Momente des Glücks, wenn sie den Grausamkeiten ihres monströsen Vaters Alfonso für einen Augenblick entkommen. Er hat Celie jahrelang vergewaltigt und mit einem ebenfalls grausamen und gewalttätigen Mann verheiratet. Diese Verbindung entpuppt sich nur als eine andere Form der Hölle. 

 

"Die Farbe Lila" (Regie: Blitz Bazawule) (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Georgia im Jahr 1909: Nettie (Halle Bailey, rechts) ist das Licht im Leben ihrer Schwester Celie (Phylicia Pearl Mpasi). Nach dem Tod ihrer Mutter leben die beiden Mädchen alleine mit ihrem Vater Alfonso. Bild in Detailansicht öffnen
"Die Farbe Lila" (Regie: Blitz Bazawule) (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Der Vater vergewaltigt Celie, die zwei Kinder bekommt. Er zwingt sie zur Heirat mit einem älteren Farmer, der eigentlich um Netties Hand anhält. Als der Vater dann der jüngeren Schwester nachstellt, holt Celie sie zu sich und ihrem neuen Mann. Bild in Detailansicht öffnen
"Die Farbe Lila" (Regie: Blitz Bazawule) (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Celies Mann Albert „Mister“ Johnson (Colman Domingo, Mitte) sieht in Celie nicht mehr als eine Haushälterin für sich und seine drei Söhne, die er schikanieren kann. Als Nettie sich gegen seine Avancen wehrt, jagt er sie fort. Nettie verspricht, Celie zu schreiben. Bild in Detailansicht öffnen
"Die Farbe Lila" (Regie: Blitz Bazawule) (Foto: IMAGO, IMAGO / ZUMA Press)
Acht Jahre später lebt Celie (nun gespielt von Fantasia Barrino) noch immer im Haus ihres Mannes und erträgt die ständigen Erniedrigungen stoisch. Mut machen ihr die anderen Frauen in ihrer Umgebung. Bild in Detailansicht öffnen
"Die Farbe Lila" (Regie: Blitz Bazawule) (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Vor allem Sofia (Oscar-nominiert: Danielle Brooks) beeindruckt Celie. Sie heiratet „Misters“ Sohn Harpo (Corey Hawkins), da er sie geschwängert hat. Als Harpo versucht, sie zu schlagen, wehrt sie sich. Ein späterer Zwischenfall mit der Frau des Bürgermeisters bricht den Willen der resoluten Frau. Bild in Detailansicht öffnen
"Die Farbe Lila" (Regie: Blitz Bazawule) (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Statt Sofia lässt sich Harpo nun mit Mary „Squeak“ Agnes (H.E.R.) ein. Über die Jahre wird auch sie zur Verbündeten Celies. Bild in Detailansicht öffnen
"Die Farbe Lila" (Regie: Blitz Bazawule) (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Celies Leben ändert sich, als die Jazz-Sängerin Shug Avery (Taraji P. Henson) auf der Türschwelle ihrer Farm erscheint. Die Frau bietet „Mister“ die Stirn und ergreift für Celie Partei. Als sie einen an Celie adressierten Brief von Nettie findet, ist Celie bereit, sich gegen ihren Demütiger zu wehren. Bild in Detailansicht öffnen

Steven Spielbergs Schatten ist lang

Inzest, Pädophilie, Sklaverei, häusliche Schläge, Justizverbrechen, Rassismus und das völlige Fehlen eines Staates, der seine Bürger beschützt: Diese schrille Kombination von Themen ist kein echter Grund für eine Neufassung von „The Color Purple“, „Die Farbe Lila“, dem Film von Steven Spielberg aus dem Jahr 1985, der auf dem gleichnamigen Roman von Alice Walker aus dem Jahr 1982 basiert.

Spielbergs Schatten ist lang, aber es gelingt diesem Film, ihn weitgehend zu umgehen, im Guten wie im Schlechten. Selbst der Ton der Geschichte scheint ein anderer zu sein, und wir haben es mit einem freundlicheren, helleren, hoffnungsvolleren Film zu tun.

Musical-Songs mit Blues-, Jazz- und Gospel-Touch

Die Songs dieses Musicals sind relativ gut und respektieren – abgesehen von der gelegentlichen surrealen und traumhaften Sequenz, die der klassischen amerikanischen Musik nachempfunden ist – die Genres der historischen Epoche wie Blues, Jazz und Gospel: Das mindert das künstlich-poppige Gefühl des Films und bringt ihn einer bodenständigeren Herangehensweise näher, auch im Umgang mit den Themen, die er behandelt. 

"Die Farbe Lila" (Regie: Blitz Bazawule) (Foto: IMAGO, IMAGO / Landmark Media)
Celies Leben ändert sich, als die Jazz-Sängerin Shug Avery (Taraji P. Henson) auf der Türschwelle ihrer Farm erscheint. Die Frau bietet „Mister“ die Stirn und ergreift für Celie Partei. Als sie einen an Celie adressierten Brief von Nettie findet, ist Celie bereit, sich gegen ihren Demütiger zu wehren.

Regisseur Blitz Bazawule schafft es nicht, Spielberg zu aktualisieren

Dem Film fehlt der erzählerische Schwung in einer Geschichte, die mit mittleren und kurzen Einstellungen gespickt ist, die den Dialogen der Handlung nichts hinzufügen und sich wie etwas aus einer Fernsehserie ausnehmen.

Blitz Bazawule schafft es nicht, Spielbergs Werk zu aktualisieren oder vielmehr zu korrigieren, sondern er reproduziert jede einzelne seiner Veränderungen von Walkers Buch. So ist dies im Wesentlichen ein sehr orthodoxes Remake und nicht eine neue Lesart des Stoffs.

Neu verfilmt im Kino „Die Farbe Lila“: Das lebendige Erbe von Alice Walkers Roman

Blitz Bazawule verfilmt Alice Walkers Romanklassiker „Die Farbe Lila“ erneut, jetzt als Musical. Für ihren Roman gewann Walker als erste Schwarze Frau den begehrten Pulitzer Prize.

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Ein Revival, das trotz Schwächen als Gutelaune-Film funktioniert

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Mut, dies in den 1980er-Jahren auf die Leinwand zu bringen, durch die politischen Erfolge, die die Afroamerikaner seitdem errungen haben, heute völlig unsichtbar ist. 

Zugleich ist dieser Film ein Symptom für die fade erzählerische Routine des zeitgenössischen Hollywood, das kaum noch in der Lage scheint, Begeisterung für irgendeines seiner austauschbaren Materialien und Vorlagen zu wecken. 

Es ist ein Revival, das trotz allem als Gutelaune-Film funktioniert, eher fröhlich als wehmütig ist und das Publikum auf eine erbauliche Reise mitnimmt. 

Trailer „Die Farbe Lila“, seit 8.2. im Kino

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Rüdiger Suchsland