Nach dem Boom der Kochshows im TV machen jetzt Serien Furore, die sich mit Kochen, Essen oder besonderen Köchen beschäftigen, etwa „Chef's Table“ oder „The Bear“. Apple TV+ reist mit einer Serie über 200 Jahre zurück, zum „ersten Starkoch der Geschichte“, der natürlich aus Frankreich stammt: Antonin Carême (Benjamin Voisin).
Als Koch vom Tellerwäscher zum Millionär
Eigentlich ist die Lebensgeschichte von Antonin Carême eine XXL-Version des alten amerikanischen Traums: vom Tellerwäscher zum Millionär. 1784 in Armut als eines von mindestens 15 Kindern geboren, schlägt er sich früh alleine durch. Er entwickelt sein unfassbares Küchen-Talent bald bei einem der bekanntesten Pariser Patissiers, Sylvain Bailly.
Aber von dem Werdegang sieht man in der Serie sehr wenig. Sie setzt da an, wo Carême schon kurz vor dem Durchbruch steht als Küchenrevoluzzer mit Sinn für Kunst und Wissenschaft, und sie inszeniert ihn als einen, der ständig auf des Messers Schneide unterwegs ist. Und die Haute Cuisine als Ausdruck französischer Identität zelebriert.






Politik geht durch den Magen
Frankreich steht kurz vor einem Bürgerkrieg. Eigentlich ist Carême glühender Gegner Napoleons, der Frankreich wenige Jahre nach der Revolution allmählich in einen autoritären Polizeistaat umbaut. Aber als sein Ziehvater Bailly verhaftet wird, lässt er sich auf einen Deal mit dem verschlagenen Politiker Talleyrand ein. Der verspricht ihm zu helfen, lässt ihn kochen und seine Karriere verfolgen, verlangt aber auch, dass Carême für ihn spioniert.

Politik geht durch den Magen - Blätterteignester, Skulpturen aus Zucker und Sahne, filigrane Bauwerke, die spektakuläre Süßigkeiten verbergen. Carêmes Koch- und Backkunst führt ihn im Auftrag Talleyrands in die Küchen der Schönen, Reichen und vor allem der Mächtigen: dabei lässt er es an Selbstbewusstsein nicht fehlen und seine Rocker-Attitüde mit Strubbelhaar, dickem Ohrring und aufgestelltem Kragen verschafft ihm so manches strategisch wichtiges Liebesabenteuer.

Der Koch als eine Mischung aus Magier und Womanizer
Benjamin Voisin spielt Antonin Carême manchmal mit etwas zu selbstgewissem Charme, dennoch sieht man diesem Küchenpunk meistens mit großem Vergnügen zu. Der Serie geht es schließlich nicht zuletzt darum, das historische Frankreich als Hort der prallen Sinnlichkeit zu inszenieren. Regisseur Martin Bourbulon protzt mit einer Welt voller Farben, Gerüche, und Sex. Dekadenz und Wollust auf der einen, strenge Küchenkultur und Disziplin auf der anderen. Für die Gegensätze stehen auch zwei Frauen: Carêmes Geliebte Henriette und seine Sous-Chefin Agathe, der er sich immer mehr annähert.
Erinnerungen an den Netflix-Hit „Bridgerton“ blitzen auf
Historische Genauigkeit oder tief schürfende Charaktere sollte man von der Serie nicht erwarten, sie liegt als saftige Unterhaltungsshow näher an dem Netflix-Hit „Bridgerton“ als an dem vielschichtigen Epos „The Bear“. Aber sie ist eine Hommage an eine der prägendsten Figuren der französischen Küche. Und damit auch an eine Kultur, die ihre Köche und Patissiers am Ende vielleicht doch höher schätzt als ihre Könige, und so mit Geschmack ihren ganz eigenen „Code Civil“ entwickelt hat.
Trailer „Carême“ auf Apple TV+
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