Blick in eine beängstigende Zukunft der USA

Roadmovie durch ein Amerika im Bürgerkrieg: „Civil War“ von Alex Garland

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AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

Es herrscht Bürgerkrieg in den USA: Vier Journalisten wagen den gefährlichen Trip zwischen den Fronten und durch das Chaos des Krieges. „Civil War“ von Alex Garland ist Roadmovie, Kriegsreporter-Film, und Near-Future-Drama über eine beängstigende Zukunft. Der Film hat die USA erschüttert, in der Hauptrolle, als abgebrühte Kriegsfotografin: Kirsten Dunst.

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Es beginnt mit der Probe einer Rede: Immer wieder, in neuer Intonation, neuer Sprechhaltung werden die gleiche Sätze gesagt. Es spricht der US-Präsident.

Dazu sehen wir Zwischenschnitte auf Demonstrationen, auf Polizisten, die Demonstranten niederprügeln, auf Gewalt. Die Stimme des Präsidenten wird mit jedem neuen Ansatz selbstbewusster, offizieller. Ein sehr guter, intelligenter Anfang. Ehrlichkeit in der Politik ist oft nur eine Pose.

Filmstill (Foto: © A24 / DCM)
Momentaufnahme einer einst undenkbaren Entwicklung: In Amerika herrscht Bürgerkrieg. Bild in Detailansicht öffnen
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Das Land ist über jede Vorstellung hinaus zerrüttet. Bild in Detailansicht öffnen
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Die Kriegsjournalistin Lee (Kirsten Dunst) wird Zeugin von desaströsen Entwicklungen, ein brutaler Konflikt droht ein gänzlich unvorbereitetes Land in Schutt und Asche zu legen. Bild in Detailansicht öffnen
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Der Film spielt in naher Zukunft in einem Amerika, das sich in zahlreiche Gruppierungen aufgespalten hat, die sich nun in einem Bürgerkrieg gegenseitig bekämpfen. Die „Westlichen Streitkräfte“, ein bewaffnetes Bündnis von Staaten, die gegen die föderale Regierung rebellieren, werden das Kapitol in wenigen Tagen zur Kapitulation zwingen. Bild in Detailansicht öffnen
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In der Hoffnung auf ein letztes Interview mit dem Präsidenten reist Lee (Kirsten Dunst) mit einer kleinen Truppe von Journalisten zum Weißen Haus. Bild in Detailansicht öffnen
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Mit dabei ist die junge, ehrgeizige Fotografin Jessie (Cailee Spaeny), deren Mentorin Lee widerstrebend wird. Bild in Detailansicht öffnen
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„Ich glaube nicht, dass diese Gefahren abstrakt sind. Ich glaube, sie sind real“, sagt Regisseur Alex Garland. „Ich denke auch, dass sich die Gefahren manifestieren, lange bevor ein umfassender Zerfall in einen Bürgerkrieg mündet. So weit muss es gar nicht kommen, damit wirklich existenzielle Probleme entstehen. Mancherorts geschieht das schon. Es gibt Elemente, die nicht spekulativ sind.“ Bild in Detailansicht öffnen

Politik ist nicht, was sie scheint

Der Film beginnt mit einem Selbstmordattentat auf eine Demonstration in New York. Nur durch Zufall wird die Kriegsfotografin Lee Smith gerettet – ihr Name und diese Geschichte ist nicht zufällig angelehnt an Lee Miller, die berühmte US-Kriegsphotografin im Zweiten Weltkrieg.

Filmstill (Foto: © A24 / DCM)
„Als ich das Drehbuch las, kam es in meinem Bewusstsein zu einer kognitiven Disruption“, sagt Wagner Moura, der den Reporter Joel, Lees Partner, spielt. „Bilder, die wir normalerweise in weiter Ferne und im Fernsehen sehen, spielen sich nun plötzlich in den USA ab – das ist verrückt, beängstigend.“

Der Bürgerkrieg scheint sehr nah

Es herrscht Bürgerkrieg in den USA. Kalifornien, Texas und Florida haben sich gegen den Präsidenten erhoben und dieser Widerstand steht nun kurz vor Washington. Lee wagt mit drei Kollegen den gefährlichen Trip durch das Chaos des Krieges, fährt 1.000 Kilometer nach Washington, um den Präsidenten zu interviewen.

So ist dieser Film ein Roadmovie durch den Südosten der USA, ein Kriegsberichterstatter-Film, der mit den entsprechenden Klischees des Genres spielt und eine Art Science-Fiction-Film wird, in dem die Wirklichkeit der Gegenwart zum Verwechseln ähnlich sieht. Der Film zeigt auch, wie gewalttätig und brutal und oft innerlich kaputt die Verhältnisse in den USA heute schon sind. Der Bürgerkrieg scheint sehr nah.

Satire und Farce auf die politischen Verhältnisse der USA

Am Ende werden Washington und das Weiße Haus in heftigen Kämpfen erobert. Ist das ein Erfolg, ein Happy End? Der Film lässt das offen.

„Civil War“ ist ein kluger Film, ein guter Film, kurzweilig und differenziert. Zugleich fast eine Satire und Farce auf die politischen Verhältnisse. „Civil War“ verurteilt Gewalt und zeigt doch den eventuell kommenden Aufstand gegen Trump. Oder gegen einen, der ihm zum Verwechseln ähnlich ist.

Trailer „Civil War“, ab 18.4. im Kino

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