An einem der heißesten Tage der vergangenen Woche schnappt Nadine Jänen aus Winterspelt sich ihre Hunde und fährt mit ihnen in den Eifeler Wald, um am kühlen Ihrenbach spazieren zu gehen.
„Da saß es dann auf einmal vor mir. Ich dachte, das ist eine Fata Morgana“, erinnert sich Jänen an ihre Begegnung mit einem Känguru im Wald. Sie kann nur ein verschwommenes Foto machen, dann bellen ihre Hunde und das Känguru springt fort.
Am nächsten Tag fährt Jänen noch einmal zu der Stelle. "Damit niemand denkt, ich hätte einen Sonnenstich", lacht sie. Und sie hat Glück: Das Känguru ist wieder da und sie kann zwei Videos des Tieres machen.
Verdacht, das Känguru stamme aus dem Zoo
Jänen erkundigt sich und hat den Verdacht, das in Australien heimische Tier könnte aus dem nahen Eifel-Zoo Lünebach ausgebüxt sein. Also ruft sie dort an.
„Das war ein ernüchterndes Gespräch, weil ich eigentlich dachte, dass dort alle Hebel in Bewegung gesetzt werden.“ Aber die Dame am Telefon des Zoos habe ihr gesagt, das Känguru sei schon länger unterwegs und lasse sich nicht einfangen.
Auch Christian Frank, Revierleiter für Winterspelt beim Forstamt Prüm, hat bereits im Mai ein Känguru in Bleialf gesehen. Und auch in dieser Woche sei es in der Schneifel aufgetaucht. Wo es herkommt, weiß er aber nicht, sagte er dem SWR.
Zoo kennt sich mit Ausbüxern aus
Aber wie kann ein Känguru im Wald überleben? Das weiß Ken Reise aus dem Team des Eifel-Zoos Lünebach. Tatsächlich war vor gut zwei Jahren nach einem Wasserschaden ein Känguru ausgebüxt.
Auch aktuell sei ein Känguru ausgebrochen, aber nicht in der Eifel unterwegs, sagt der Leiter des Zoos, Markus Wallpott: "Kängurus sind Herdentiere. Deshalb bleibt unseres auch auf dem Grundstück des Zoos und läuft in der Nähe des Geheges rum. Wir werden es bald eingefangen haben."
Steckbrief Känguru
Kängurus sind die tierischen Weltmeister im Weitsprung. Und sie leben wie Koalas in Australien.
Dass ein Känguru, das eigentlich die Hitze Australiens gewohnt ist, im Eifeler Wald rumhüpft, wundert Wallpott dennoch nicht: "Kängurus sind winterhart, die finden immer irgendwas." Die Tiere seien nicht anspruchsvoll und ernährten sich von Heu und Gras.
Waldspaziergänger müssten keine Angst haben, wenn sie einem Känguru begegnen: "Eher im Gegenteil, die hauen ab, wenn sie jemanden sehen. Die fangen auch nicht an zu boxen, wie man das aus Filmen kennt." Denn bei dem Tier in der Eifel handle es sich sicher nicht um ein Riesenkänguru, sondern um eine kleinere Art, wie etwa Bennett-Kängurus.
Private Känguru-Haltung ist nicht meldepflichtig
Wallpott vermutet, dass das in der Eifel gesichtete Tier einem privaten Halter entlaufen sei. Man dürfe Kängurus natürlich nicht im kleinen Kämmerchen halten, auf großen Weiden sei das aber durchaus möglich. Die Haltung ist allerdings nicht meldepflichtig.
Deshalb hat auch das Veterinäramt des Kreises keinen Überblick über private Halter solcher Tiere, teilte die Kreisverwaltung dem SWR mit. Dass der Kreis es aber durchaus wüsste, wenn ein Känguru entflohen wäre, zeigt ein Fall von Ende Oktober 2021.
Damals war im Kreis ein Wallaby-Jungtier entwichen und vom privaten Halter gemeldet worden. Dass es sich bei dem Tier im Eifeler Wald um dieses Känguru handelt, sei aber unwahrscheinlich.
Känguru aus Nachbarland eingewandert?
Es sei möglich, dass ein in Belgien oder Luxemburg entlaufenes Tier in das grenznahe Gebiet im nördlichen Eifelkreis eingewandert sei, so die Verwaltung. In unmittelbarer Nähe gibt es allerdings keinen Tierpark. Auch in diesem Fall ist es also möglich, dass ein unbekannter privater Halter ein Känguru vermisst.
Das Veterinäramt und die Kreisverwaltung sehen keinen Grund, das Känguru in der Eifel einzufangen - auch ein freilaufendes Reh würde man schließlich in Ruhe lassen. Denn dem Kreis liege keine Vermisstenmeldung vor und aus tierärztlicher Sicht haben bestimmte Känguru-Arten demnach hier gute Überlebenschancen bei milden Wintern und ausreichend Nahrung.
Waldspaziergänger wie Nadine Jänen können also weiter in der Eifel nach dem Känguru Ausschau halten und darauf hoffen, ein Foto oder ein Video von einer exotischen Begegnung mitzunehmen.