Obada Barmou ist aus Syrien nach Deutschland geflüchtet, perfekt integriert und bekommt dennoch keine deutsche Staatsbürgerschaft.

Ein Beispiel aus Germersheim

Der schwere Weg für Syrer zur deutschen Staatsbürgerschaft

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Florian Barth, Lena Jenschar

Zwischen Studium, politischem Engagement und bürokratischen Hürden: Der 25-jährige Obada Barmou ist perfekt integriert, sein großes Ziel: deutscher Staatsbürger werden. Doch Obada Barmou wird der Weg zum deutschen Pass schwer gemacht.  

Ein Montagabend bei der Fraktionssitzung der Grünen in der 7.000-Einwohner-Gemeinde Jockgrim. Mittendrin: der 25-jährige Ortsverbandsvorsitzende Obada Barmou aus Syrien. "Wir haben heute im öffentlichen Teil der Sitzung unter anderem über die Ausschreibung für den Grabaushub gesprochen", sagt Obada Barmou. Auf den ersten Blick seien das nicht die spannendsten Themen, sagt der 25-Jährige. Dennoch ist es für ihn wichtig, sich als junger Mensch in der Kommunalpolitik zu engagieren, um mitbestimmen zu können.  

Vor acht Jahren ist er aus Syrien nach Deutschland geflohen, machte hier Abitur, spricht fließend Deutsch und studiert mittlerweile technische Volkswirtschaftslehre in Karlsruhe. Neben seinem Studium setzt er sich ehrenamtlich für andere syrische Geflüchtete ein, indem er für sie übersetzt und sie bei Behördengängen begleitet. Aus dem Exil engagiert er sich auch für die syrische Opposition, organisiert Demonstrationen und ist Mitglied bei zahlreichen Initiativen, die sich gegen das Assad-Regime stellen.  

Obada Barmou erfüllt diese Voraussetzungen. Im Dezember 2021 stellte er einen Antrag auf Einbürgerung, von der Einbürgerungsbehörde erhielt er bis heute keine Antwort.  
 
Obada Barmous Problem: Seit 2017 ist sein syrischer Reisepass abgelaufen, die Ausländerbehörde verlangt von ihm, dass er ein neues Reisedokument in der syrischen Botschaft beantragt. Vom Landkreis Germersheim erhielt er 2021 einen Bußgeldbescheid über 300 Euro, da er der in Deutschland geltenden Passpflicht nicht nachkomme.  

"Ich kann nicht zur Botschaft gehen"

Doch Obada Barmou hat, wie viele andere syrische Geflüchtete, Angst die syrische Botschaft in Berlin zu betreten. "Ich kann nicht zur Botschaft gehen, weil ich politisch aktiv bin und meine Familie dadurch gefährde", sagt er.

Laut Obada Barmou verlange die Botschaft bei einer Passausstellung oder -verlängerung eine umfassende Datenauskunft. Unter anderem müssen die Namen der Eltern, deren Adresse in Syrien, die eigene Adresse in Deutschland sowie die Nummer des Aufenthaltstitels angegeben werden. Obada Barmou hat Angst, dass die Daten an den syrischen Geheimdienst weitergegeben werden und für seine Familie negative Konsequenzen folgen könnten.

Syrische Botschaft verlangt hohe Gebühren für Reiseausweise

In Syrien werden immer wieder Menschen willkürlich inhaftiert und gefoltert. "Ich habe noch Familienangehörige in Syrien, mein Halbbruder, mein Vater, die dann eventuell verfolgt werden und inhaftiert werden können, um gegen mich Druck auszuüben." Außerdem will Obada Barmou nicht das unterdrückerische Assad Regime mit Passgebühren unterstützen.

Laut einer kleinen Anfrage der Linken im Bundestag aus dem letzten Jahr gehört der syrische Pass zu den teuersten der Welt. Für einen zwei Jahre gültigen Reiseausweis verlangt die Botschaft Gebühren bis zu 700 Euro. Nach Berechnungen von Menschenrechtsorganisationen nimmt das Assad-Regime damit jährlich bis zu 100 Millionen Euro ein. 

Unzumutbarkeit für Barmou nicht festgestellt

Auch bei der Ausländerbehörde in Germersheim hat Obada Barmou vorgetragen, warum es ihm aus Angst um seine Familie nicht möglich sei, in die Botschaft zu gehen. Auf eine Anfrage teilt das rheinland-pfälzische Ministerium für Migration und Integration dem SWR mit, dass eine Unzumutbarkeit festgestellt werden kann, wenn beispielsweise glaubhaft und schlüssig vorgetragen wird, dass der Gang zur Botschaft eine Gefährdung Dritter im Heimatstaat bedeuten würde.  

Das Aufenthaltsgesetz besagt außerdem, dass einem Ausländer bei Unzumutbarkeit der Passbeschaffung ein Passersatz, ein sogenannter Reiseausweis für Ausländer, ausgestellt werden kann. Aber das wird im Einzelfall von der Ausländerbehörde entschieden und die teilt auf SWR-Anfrage mit, dass aus ihrer Sicht bei Obada Barmou die Unzumutbarkeit nicht festgestellt werden kann.

Passpflicht stellt für viele Syrer Problem dar 

Obada Barmou hat 2015 bei seiner Einreise nach Deutschland vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den "subsidiären Schutz" erhalten. Der subsidiäre Schutz wird erteilt, wenn keine konkrete Verfolgungsgefahr, sondern laut Asylgesetz "... bei der Rückkehr in das Heimatland die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens droht". Subsidiär Schutzberechtigte wie Obada Barmou müssen ihren syrischen Pass bei der Botschaft verlängern lassen.

Obada Barmou ist aus Syrien nach Deutschland geflüchtet, perfekt integriert und bekommt dennoch keine deutsche Staatsbürgerschaft.
Obada Barmou ist durch die fehlende deutsche Staatsbürgerschaft in vielen Bereichen eingeschränkt: Er kann nicht frei reisen, darf nicht wählen oder sich für politische Ämter aufstellen lassen.

Bis 2018 war der Gang zur Botschaft nicht nötig, weil Menschen wie Obada Barmou einen Ausweisersatz, einen Reiseausweis für Ausländer erhielten. Doch 2018 ordnete das Innenministerium unter Horst Seehofer (CSU) an, dass die Ersatzausweise eingezogen werden und es für Syrer zumutbar sei, die syrische Botschaft zu besuchen, um einen Nationalpass zu beantragen. Außer die Unzumutbarkeit des Gangs zur Botschaft kann bewiesen werden.

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor, fordert nun Horst Seehofers Entscheidung rückgängig zu machen: "Wir brauchen nun eine zweite Anordnung durch das Bundesinnenministerium, welche diese Praxis wieder beendet und eine generelle 'Unzumutbarkeit' feststellt." Das würde bedeuten, dass Syrern wie Obada Barmou der Gang zur Botschaft erspart bliebe.  

"Ich fühle mich auf jeden Fall hier in Deutschland zu Hause"

Die fehlende deutsche Staatsbürgerschaft schränkt Obada Barmou in vielen Bereichen ein. Er darf nicht wählen, sich nicht für politische Ämter aufstellen lassen, kann nicht frei reisen und muss regelmäßig bei der Ausländerbehörde vorsprechen. Für ihn fühle sich das demütigend an, sagt er. Bei der nächsten Kommunalwahl würde er sich gerne für den Gemeinderat aufstellen lassen, doch ohne deutsche Staatsbürgerschaft ist das nicht möglich.

Demokratische Werte und die Achtung der Menschenrechte sind für ihn besonders wichtig, in Deutschland habe er endlich den Freiraum, sich oppositionell zu äußern und sich gegen das syrische Regime zu stellen. "Identität sind für mich die demokratischen Werte, die Menschenrechte. Wenn sie in diesem Land, in dem ich lebe, verletzt werden und außer Kraft gesetzt werden, dann habe ich meine Identität in diesem Land verloren. Dann muss ich eine neue Heimat finden." Diese "neue Heimat" ist für Obada Barmou Deutschland geworden.  

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Florian Barth, Lena Jenschar