Es sind beklemmende Bilder vom 14. Juli 2021. Ganze Landstriche an der Ahr, die überflutet sind, ganze Dörfer eingeschlossen von Wassermassen. Jede Menge Häuser, die vielfach bis unter das Dach im Wasser stehen. Der Polizeihubschrauber flog damals zwischen 22:14 Uhr und 22:42 Uhr die Ahr flussaufwärts. Laut Polizei sind Ortschaften von Mayschoß bis Schuld zu sehen.
Achtung: Das folgende Video enthält Aufnahmen von Menschen, die um ihr Überleben kämpfen. Die Bilder könnten als verstörend empfunden werden.
Hilfesuchende Menschen senden mit Taschenlampen Signale
Immer wieder wird von der normalen Kamera auf Wärmebildkamera umgeschaltet. So kann man beispielsweise Menschen besser erkennen. Dort wo Hilfesuchende zu sehen wären, wurden die Videos jedoch verpixelt. Stattdessen sieht man häufig Lichtpunkte, die sich bewegen. Das sind Menschen mit Taschenlampen, die auf sich aufmerksam machen wollen, auf Rettung hoffen. Einmal schwimmt ein Auto vorbei, mit eingeschalteter Innenbeleuchtung. Ob Menschen darin sind, ist unklar.
Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministeriums und der Polizei sind die Videos bearbeitet worden, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren. Bestimmte Stellen wurden durch Verpixelung unkenntlich gemacht. Geschnitten worden seien die Videos nicht, so das Innenministerium. Der SWR hat sich wegen der hohen landespolitischen Bedeutung entschieden, die Videos in der vom Ministerium zur Verfügung gestellten Form zu veröffentlichen. Damit soll allen die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst ein Bild zu machen.
Flut-Videos aus dem Ahrtal Für einen Innenminister ein Offenbarungseid
Das Ausmaß des Hochwassers im Ahrtal im Juli 2021 ist seit Dienstag für alle in Flut-Videos der Polizei sichtbar. Zur Haltung von Innenminister Lewentz (SPD) ein Kommentar von SWR-Redakteur Dirk Rodenkirch.
Hubschrauber-Videos wurden erst kürzlich bekannt
Die Videos hat ein Polizeihubschrauber am späten Abend der Katastrophe aufgenommen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, an dem am Unterlauf der Ahr noch viele Menschen lebten, die später in den Fluten starben. Der Kommandant des Hubschraubers schilderte die Eindrücke gleich nach dem Aufklärungsflug auch dem Lagezentrum des Innenministeriums. Damit lagen die Informationen auch wenig später Innenminister Roger Lewentz (SPD) vor.
Warum die Videos damals nicht auch sofort an das Ministerium weitergeleitet wurden, wird nach Angaben der Polizei noch ermittelt. Dass derartige Aufnahmen überhaupt existieren, war erst im vergangenen September bekannt geworden, mehr als ein Jahr nach der Katastrophe. Die Polizei spricht von einem Dokumentationsfehler und einem Missverständnis. Die Videos seien erst kürzlich auf der externen Festplatte eines Mitarbeiters der Hubschrauberstaffel gefunden worden. Es habe aber nie die Absicht gegeben, die Aufzeichnungen unzugänglich zu machen.
Rekonstruktion einer Katastrophe Was ist in der Flutnacht passiert? - Ein Protokoll
Knapp ein Jahr nach der Jahrhundertflut im Ahrtal hat der Untersuchungsausschuss viele Zeugen befragt, um Klarheit zu gewinnen: Wie konnte es zu einer solchen Katastrophe kommen?
Lewentz sieht Videos nicht als Beleg für eine Katastrophe
Die Videos gelten als wichtiges Beweismittel. Innenminister Lewentz hat bisher stets erklärt, er habe in der Flutnacht zwar von Einzelereignissen gewusst, aber kein "belastbares Lagebild" einer Katastrophe gehabt. Auch nach Kenntnis der Videos bleibt Lewentz bei seiner Einschätzung: "Ich sehe hier ein ganz großes starkes Hochwasser", so der Innenminister.
Für ihn sei aber keine Katastrophe erkennbar, wie sie am kommenden Tag sichtbar geworden sei. Lewentz begründete dies unter anderem damit, dass keine einstürzenden Häuser, keine Sturzflut und auch keine Toten in den Videos zu sehen seien. Er fügte aber hinzu, er meine das nicht relativierend.
Innenminister weiter in Bedrängnis durch Opposition
Nach Bekanntwerden der Flut-Videos hatten CDU und AfD in Rheinland-Pfalz den Rücktritt des Innenministers gefordert. CDU-Fraktionschef Christian Baldauf bekräftigte diese Forderung jetzt erneut. Baldauf sagte, Lewentz' Behauptung im Untersuchungsausschuss des Landtags, die Situation sei nicht ansatzweise erkennbar gewesen, sei falsch. "Es gab eine sehr klare Lage: Menschenleben zu retten. Das hätte Lewentz sehen müssen", so Baldauf. Der Minister habe sämtliche Hinweise auf die sich anbahnende Katastrophe ignoriert. Lewentz könne sich nicht länger der Verantwortung entziehen. "Sein Rücktritt ist unausweichlich", sagte Baldauf.
Auch die rheinland-pfälzische AfD wiederholte ihre Rücktrittsforderungen gegen Lewentz. Fraktionschef Michael Frisch nannte die Aussagen der beiden Polizeipräsidenten zu den Flutvideos "konstruiert". Sie hätten nur das Ziel, den Innenminister aus der Schusslinie zu bringen. Dass Lewentz jetzt sage, er hätte auch nicht anders gehandelt, wenn er die Videos früher gekannt hätte, disqualifiziere ihn endgültig, so Frisch. Wenn Lewentz nicht freiwillig gehe, müsse Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ihn entlassen.
Der Obmann der Freien Wähler im Untersuchungsausschuss, Stephan Wefelscheid, warf Lewentz ebenfalls Unglaubwürdigkeit vor. Wefelscheid sagte, die Einschätzung des Innenministers, dass diese Videos nicht als Beleg für eine Katastrophe angesehen werden könnten, sei nicht nachvollziehbar. An mehreren Stellen der Ahr sei in den Videos deutlich zu sehen, dass Menschen verzweifelt an den Fenstern stehen und mit Taschenlampen den Polizeihubschrauber um Hilfe anflehen.
Befragung Hubschrauber-Besatzung hat begonnen
Ermittler haben damit begonnen, die Besatzung der Polizeihubschrauber zu befragen. Seit Dienstag seien Angehörige der in Winningen an der Mosel stationierten Hubschrauber-Staffel gehört worden, darunter auch ein Pilot, teilte die Staatsanwaltschaft Koblenz am Mittwoch mit. Die Vernehmungen dauerten an.