Impfung gegen das Coronavirus (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Post-Vac-Syndrom, Thrombosen, Herzbeschwerden

FAQ: Was es für eine Anerkennung von Corona-Impfschäden in RLP braucht

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Jeanette Schindler

Millionen Menschen haben sich gegen das Coronavirus impfen lassen und leichte Nebenwirkungen verspürt. Wenige trugen offenbar bleibende Schäden davon - und fühlen sich nun allein gelassen mit ihren Fragen.

Wer entscheidet über den Antrag zur Anerkennung eines Corona-Impfschadens?

Wer nach einer Impfung bleibende gesundheitliche Schäden hat, hat Anspruch auf Versorgungsleistungen, d.h. finanzielle Unterstützung. Dazu muss man beim Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) einen Antrag stellen. Bearbeitet werden die Anträge mit der Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes zunächst von der Verwaltung des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV). Das bedeutet, sie fordert Befund- und Behandlungsberichte sowie Impfnachweisen ein und befragt das Paul-Ehrlich-Institut sowie die Gesundheitsämter. Bei der Prüfung, ob dem oder der Betroffenen eine finanzielle Versorgung zusteht, also ein Impfschaden anerkannt wird, stützt sich das Landesamt auf Medizinerinnen und Gutachter. Der Bescheid wird dann durch die Verwaltung des LSJV erteilt.  

Wer sind die medizinischen Gutachterinnen und Gutachter?

Die medizinische Auswertung erfolgt durch die Versorgungsärztinnen und -ärzte des LSJV, die den ursächlichen Zusammenhang zwischen der geltend gemachten Gesundheitsstörung und der Impfung beurteilen. Im Einzelfall können auch externe Untersuchungen bei Fach-Gutachterinnen und -Gutachtern (z. B. von Uni-Kliniken) in Auftrag gegeben werden, die in die Beurteilung einfließen.

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland, UPD, verweist darauf, dass Ärztliche Gutachter nach den Berufsordnungen dazu verpflichtet sind, bei der Ausstellung von Gutachten "mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen". (§ 25 MBO-Ä) Außerdem sind Ärzte verpflichtet, in beruflichen Beziehungen zu Dritten ihre ärztliche Unabhängigkeit zu wahren. (§ 30 MBO-Ä). Es sei daher davon auszugehen, dass die Gutachter, die für die Versorgungsämter arbeiten, unabhängig sind, teilte die UPD mit. Anderenfalls würde sie gegen Ihre Pflichten aus der Berufsordnung verstoßen.

Nach welchen Kriterien wird ein Antrag entschieden?

Laut Gesetz gilt: Nicht jede Erkrankung, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung auftritt, stellt einen Impfschaden dar.

Nur wenn der manifestierte kausale Gesundheitsschaden länger als sechs Monate anhält, wird er nach § 60 Infektionsschutzgesetzes, IfSG, als Folge einer Impfung anerkannt. Klingen die Gesundheitsschäden innerhalb von sechs Monaten ab, hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen. Ein kausaler Zusammenhang zur Impfung gilt dann als gegeben, wenn eine Impfung nachgewiesen wird, die Impfreaktion über das übliche Maß hinausgeht und ein bleibender Gesundheitsschaden besteht.

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Was müssen die Betroffenen zum Beweis für einen Impfschaden vorlegen?

Alle Befunde und Behandlungsunterlagen werden vom LSJV eingeholt. Die Antragstellenden müssen sie nicht selbst einholen! Allerdings berichten Betroffene, dass ihr Impfschaden erst anerkannt wurde, nachdem sie selbst noch Gutachten eingeholt haben.

Wie wird sichergestellt, dass die Studien wirklich unabhängig sind?

Die Versorgungsärztinnen und -ärzte in Rheinland-Pfalz beziehen sich auf Dokumentationen und Studien, die z. B. vom Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht wurden oder von dort auf andere Studien verweisen. Sie stehen zudem zu diesem Thema mit den Versorgungsärztinnen und -ärzten der anderen Bundesländer im ständigen Austausch.

Die UPD will sich pauschal nicht dazu äußern. Generell sei aber eine möglichst große Zahl von Studien mit möglichst vielen Teilnehmern und einer möglichst hohen Qualität (doppelblind, randomisiert, placebo-kontrolliert etc.) wünschenswert. Zum Thema Post-Vac bei Corona sei das aktuell noch nicht der Fall. Ähnliches gelte auch für Post- und Long-Covid.

Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts werden weiterhin Sicherheitsstudien zu den Impfstoffen gegen COVID-19 durchgeführt.

Welche anerkannten Corona-Impfschäden gibt es und wie oft kommen sie vor?

Zu den Gesundheitsstörungen, die als Impfschaden anerkannt werden können, zählen u.a. die Myokarditis, Perikarditis, Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom, venöse Thrombosen, Hirnvenenthrombose, idiopathische thrombozytopenische Purpura, Guillain-Barré-Syndrom und die Transverse Myelitis. Sie treten offiziellen Erhebungen nach selten bis sehr selten auf. Genaue Zahlen liegen dem LSJV nicht vor. Der Direktor der Uniklinik Marburg, Bernhard Schieffer, vermutet, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist als die bekannten Fälle deutschlandweit.

Er kritisiert, dass es versäumt wurde, von an Anfang an sämtliche Nebenwirkungen zu erfassen. "Man hätte ein Register für die Impfungen auflegen können, wie es sie in Großbritannien oder in Schweden beispielsweise gibt. Da hat man in Deutschland keinen Gedanken daran verschwendet." Dadurch seien Nebenwirkungen nicht ausreichend dokumentiert worden.

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Wer kommt für Behandlungskosten, bzw. den Arbeitsausfall auf, wenn der Antrag noch nicht bewilligt ist?

Wie bei jeder Erkrankung einer Person ist die jeweilige Krankenkasse der erste Ansprechpartner.

Warum dauert die Bearbeitung der Anträge so lange, nämlich zirka ein Jahr?

Das Landesamt ist gesetzlich verpflichtet, den Sachverhalt umfassend zu prüfen und zu klären. Dazu werden auch behandelnde Ärztinnen/Ärzte und Kliniken einbezogen. Die Auswertung der medizinischen Unterlagen erfolgt dann gemeinsam mit ärztlichen Sachverständigen. Wie schnell ein Antrag bearbeitet wird, ist auch davon abhängig, wie schnell die medizinischen Experten zuliefern.

Patientenvertreter fordern, dass mehr Personal zur Verfügung gestellt und die Prozesse beschleunigt werden.

Wo können Menschen, die nach einer Corona-Schutzimpfung unter Beschwerden leiden, Hilfe bekommen?

Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf Post-Vac-Syndrom sind die Spezialambulanz für Post-Vac-Fälle am Universitätsklinikum Marburg und die neurologische Post-Covid-19-Sprechstunde an der Klinik für Neurologie, Charité Universitätsmedizin Berlin. In Berlin werden Post-Vac-Betroffene im Gegensatz zur Marburger Ambulanz allerdings nur bei primär neurologischer Symptomatik betreut. Sollte der Zugang zu diesen Post-Vac-Spezialambulanzen beispielsweise aufgrund langer Wartelisten erschwert sein, können behandelnde Ärztinnen und Ärzte aufgrund der Ähnlichkeiten zum Long/Post-Covid-Syndrom die Patientinnen und Patienten an eine Spezialambulanz für Long-Covid verweisen.

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Die UPD fordert mehr Forschung, mehr spezialisierte Anlaufstellen und Ambulanzen. "Dazu gehören auch Hotlines und die Aufklärung und Steigerung der Kompetenz bei Ärztinnen und Ärzten in Haus- und Facharztpraxen sowie Kliniken jenseits von spezialisierten Ambulanzen", so ein UPD-Sprecher. "Nur dann können sich Patientinnen und Patienten menschlich und fachlich ernst genommen und gut versorgt fühlen."

Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium hat angekündigt, dass im Land fünf Anlaufstellen für Post-Covid-Patientinnen und Patienten eingerichtet werden, also Menschen, die an Langzeitfolgen einer Covid-Erkrankung leiden. Aber auch Menschen, die nach einer Corona-Impfung unter Beschwerden leiden, sollen dort Hilfe finden. "Die Situation der Betroffenen in Rheinland-Pfalz muss verbessert werden. Dabei mitgedacht werden natürlich auch die Themen das chronische Erschöpfungssyndrom, ME/CFS und Post Vac “, sagte Ministerialdirektor Daniel Stich.

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