Simone Rürup (Montage: SWR) (Foto: dpa Bildfunk, SWR, Picture Alliance)

Religiöse Reiterprozession

Blutritt in Weingarten: Baindter Bürgermeisterin als eine der ersten Frauen dabei

Stand
AUTOR/IN
Andreas Böhnisch
ONLINEFASSUNG
Stefan Eich

Nach Jahrhunderten reiten beim Blutritt in Weingarten erstmals Frauen mit. Eine von ihnen berichtet von den besonderen Herausforderungen - nicht nur bei der Wahl von Frack und Pferd.

Bisher war der Blutritt in Weingarten historisch bedingt eine reine Männerveranstaltung. Simone Rürup ist Bürgermeisterin von Baindt im Kreis Ravensburg und als eine der ersten Frauen dabei. Sie erklärt im SWR, wie sie auf diese historische Premiere schaut.

SWR: Mit welchem Gefühl sind Sie selbst als eine der ersten Frauen beim Blutritt mit dabei?

Simone Rürup: Nachdem ich am Anfang schon sehr unbedarft war und es für mich selbstverständlich war, dort mitzureiten, wenn es die Möglichkeit gibt, ist es natürlich jetzt, umso näher diese Veranstaltung rückt, schon so, dass ich doch sehr nervös bin.

Wie macht sich das bemerkbar?

Natürlich muss man seine Ausstattung zusammensuchen, was ja für Frauen in besonderem Maße eine Herausforderung ist. Es gibt nicht an jeder Ecke Fracks, es gibt auch nicht viele liebe, folgsame Pferde, die die Strapazen und den Stress eines Blutritts aushalten. Dann sind da natürlich noch die Reitstunden - und so oft auch die Frage: "Warum, wieso, weshalb?" Da wird man dann langsam doch etwas nervös.

"Es gibt nicht viele folgsame Pferde."

"Warum, wieso, weshalb" – es ist also so eine Art Rechtfertigungssituation, in die Sie da vielleicht als Frau auch hineingedrängt werden. Weshalb war das schon immer ihr Wunsch, beim Blutritt mit dabei zu sein?

Es war immer mein Wunsch, wenn die Möglichkeit besteht, dass Frauen mitreiten dürfen, dass ich dann mitreiten werde. Ich bin 2014 ins Schussental gekommen und war vorher im Rems-Murr-Kreis über 20 Jahre wohnhaft. Ich habe mich hier gleich sehr wohlgefühlt und auch heimisch. Pferde haben mich immer schon fasziniert, schon in der Jugend. Und dann ist da die Gesamtsumme, dem Glauben Raum zu geben und Platz zu schaffen in so einer hektischen Zeit. Da war mir schon klar, ich möchte da gar mitreiten, es war für mich mehr oder weniger schon selbstverständlich. Dazu kommt natürlich als Bürgermeisterin: Wenn ich mir meine Kollegen anschaue, ist es ist völlig normal, dass die männlichen Bürgermeister dabei sind. Also warum soll ich dann als Frau da nicht mitreiten?

"Dem Glauben Raum geben in so einer hektischen Zeit"

Mussten Sie Überzeugungsarbeit leisten?

Nein. Ich habe eine sehr offene, ganz tolle Blutreitergruppe in Baindt. Natürlich sind es dicke Bretter, die man da bohrt in unserer Region, mit dieser Veränderung. Es war bisher eine reine Männerwallfahrt. Und häufig fühlten sich die Blutreiter bisher ungerecht behandelt, wenn es heißt, da durften ja nur Männer mit. Es war immer schon ein Gemeinschaftsprojekt der Familien. Der Mann konnte nur dann mitgehen, wenn sich die Frau um Haus und Hof gekümmert hat. Also: Im Hintergrund stand immer die Frau, die Familie, die das dem Mann ermöglicht hat, dass er da teilnehmen kann. Deshalb sind sie manchmal schon so ein bisschen … ich möchte nicht sagen, 'verschnupft', aber sie möchten das schon klarstellen. Auch bisher hat man Frauen sehr wertgeschätzt, selbst wenn sie im Hintergrund waren. So ein bisschen Kommunikation und Diskussion war durchaus notwendig, aber die wurde sehr offen und konstruktiv geführt. Das Ergebnis war dann für alle klar: Es ist völlig okay, und sie freuen sich, dass ich mitreite.

"Es war immer schon ein Gemeinschaftsprojekt der Familien."

Lassen Sie uns auf den Ablauf der Wallfahrt schauen. Machen Sie als Frau beim Blutritt etwas komplett anders als die Männer?

Nein - es war komplett aufwendig, dieses äußere Erscheinungsbild hinzubekommen, mit Frack und Zylinder. Das war richtig schwierig. Aber ansonsten bin ich bemüht, nicht aufzufallen. Das wäre mir ein Anliegen. Es kommt auf die innere Haltung, an, die man hat, bei dieser Veranstaltung und weniger, ob man sich jetzt optisch abhebt.

Blutritt-Prozession bei Weingarten (Foto: SWR)
2020 und 2021 konnte der Blutritt nur in kleinerem Rahmen stattfinden. (Archivbild)

Die innere Haltung - da sie das ansprechen: Muss man gläubig sein, um da mitreiten zu können, zu dürfen?

Ja! Es spielt keine Rolle, ob man Mann oder Frau ist. Aber die innere Haltung, die Einstellung zu der Wallfahrt, die sollte schon passen. Einen Zugang zum Glauben zu haben, wäre wichtig.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Blutritt-Wallfahrt in Weingarten?

Für den heutigen Blutritt wünsche ich mir an erster Stelle, dass wir alle wieder gesund nach Hause kommen, die Reiter und die Reiterinnen und natürlich auch die Pferde. Und für die Zukunft wünsche ich mir Offenheit aller Gruppen. Die eine oder andere Gruppe hat schon noch gezögert, ob das jetzt in Ordnung ist, dass Frauen mit dabei sind. Und den Zusammenhalt. Eigentlich zeigt ja der Blutritt auch den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Und das wünsche ich mir natürlich auch für die Zukunft.

Weingarten

Erstmals sind Frauen mitgeritten Das war der Weingartener Blutritt 2022

98 Reitergruppen haben die Heilig-Blut-Reliquie der Basilika Weingarten mit der traditionellen Prozession begleitet. Den Mitschnitt des Livestreams können Sie nun hier anschauen.

Stand
AUTOR/IN
Andreas Böhnisch
ONLINEFASSUNG
Stefan Eich