Gedenktag am 27. Januar

NS-Verbrechen: Wie Ulmer Frauen von den Nazis verfolgt wurden

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Peter Schmid
SWR-Aktuell Redakteur Peter Schmid

Über die Verfolgung von Frauen im Nationalsozialismus ist wenig bekannt. In Ulm wird der Gedenktag am 27. Januar genutzt, um fünf Frauen in den Mittelpunkt zu rücken - und aufzuklären.

Die Ulmerin Erna Ritz auf dem Marktplatz, um sie herum hunderte Schaulustige. Ihr werden als Strafritual die Haare abgeschnitten. Gedemütigt vor hunderten Schaulustigen: Weil Erna Ritz eine Liebesbeziehung mit einem ausländischen Kriegsgefangenen hatte, wurden ihr als Strafe im Jahr 1940 auf dem Münsterplatz die Haare abgeschnitten.
Gedemütigt vor hunderten Schaulustigen: Weil Erna Ritz eine Liebesbeziehung mit einem ausländischen Kriegsgefangenen hatte, wurden ihr als Strafe im Jahr 1940 auf dem Marktplatz die Haare abgeschnitten.

Die Verbrechen der Nationalsozialisten an Frauen sind noch immer kaum aufgearbeitet. Der Ulmer "Arbeitskreis 27. Januar" möchte den Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz nutzen, um das zu ändern.

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Unter anderem wurde die Geschichte von Pauline Stoß-Wallersteiner, genannt Alice, aufgedeckt. Sie wurde von den Nazis verfolgt, weil sie Jüdin war und sich den gesellschaftlichen Normen widersetzte. Die Neu-Ulmerin Stoß-Wallersteiner war Tochter des jüdischen Weinhändlers Oskar Rosenstiel.

Der Pass der Neu-Ulmer Jüdin Pauline Stoß-Wallersteiner, genannt Alice. Die Ehe mit Mediziner Dr. Ludwig Stoß schützte sie vor Deportation und Ermordung, nicht jedoch vor Hetze und gesellschaftlicher Ausgrenzung. In ihrem Pass steht der stigmatisierende Namenszusatz "Sarah" und die Kennzeichnung "J".
Der Pass der Neu-Ulmer Jüdin Pauline Stoß-Wallersteiner, genannt Alice. Die Ehe mit Mediziner Dr. Ludwig Stoß schützte sie vor Deportation und Ermordung, nicht jedoch vor Hetze und gesellschaftlicher Ausgrenzung. In ihrem Pass steht der stigmatisierende Namenszusatz "Sarah" und die Kennzeichnung "J".

Verheiratet war sie mit dem Mediziner Ludwig Stoß. Die Ehe rettete sie vor Deportation und Ermordung, da sie Jüdin war, ihr Mann aber nicht. Allerdings wurde Pauline Stoß-Wallersteiner gesellschaftlich ausgegrenzt. In ihrem Pass stehen der stigmatisierende Namenszusatz "Sarah" und die Kennzeichnung "J".

Ein Portrait von Erika Schmid aus der Nachkriegszeit. Erika Schmid litt unter Repressalien der Nationalsozialisten, weil sie führendes Mitglied der katholischen Gruppe Heliandbund war und sich widersetzte die Gruppe aufzugeben und dem BDM beizutreten.
Erika Schmid litt unter Repressalien der Nationalsozialisten, weil sie führendes Mitglied der katholischen Gruppe Heliandbund war und sich widersetzte die Gruppe aufzugeben und dem BDM beizutreten.

Verfolgte Frauen: Fünf Biografien aus Ulm und Neu-Ulm

Das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg rückt neben diesem Schicksal in diesem Jahr noch vier weitere Frauen in den Mittelpunkt. "Wir werden das am Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg mit dem Blick auf 1933 thematisieren", sagt Leiterin Nicola Wenge. Eine kulturhistorische Einordnung soll es laut Wenge am Abend im Stadthaus geben.

DZOK-Leiterin Nicola Wenge und Archivar Josef Naßl haben zusammen mit dem Arbeitskreis 27. Januar fünf Einzelschicksale von den Nazis verfolgter Frauen recherchiert.
DZOK-Leiterin Nicola Wenge und Archivar Josef Naßl haben zusammen mit dem Arbeitskreis 27. Januar fünf Einzelschicksale von den Nazis verfolgter Frauen recherchiert.

Gedenktag: NS-Verbrechen an Frauen weniger bekannt

"Die Schicksale verfolgter Frauen sind weniger bekannt als die der männlichen Opfer", erklärt Archivar Josef Naßl. Das liege unter anderem an der geschlechterspezifischen Brille in der Widerstandsforschung. Verfolgt worden seien laut dem Archivar damals Frauen aus politischen, weltanschaulichen, rassistischen und eugenischen Gründen. Darunter versteht man die Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen. Aufgrund dieser Ideologie wurden Menschen unter dem Nazi-Regime zum Beispiel zwangssterilisiert.

Gedenktag: Erinnerung in der KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg

Bei einer Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg am Samstag um 14:30 Uhr wird Anita Siemann-Wahl über das Schicksal ihrer Mutter Elisabeth berichten. Die Schwäbisch Gmünderin wurde 1933 im KZ Gotteszell inhaftiert und mehrere Wochen lang verhört, um Informationen über ihren Ehemann Oscar Wahl zu erzwingen. Dieser war ebenfalls inhaftiert, weil er Flugblätter verfasst haben soll.

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