Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, steht nach einer Pressekonferenz auf dem Dach eines Gebäudes in der Tübinger Innenstadt (Archivfoto) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat (Archivfoto))

Debatte über N-Wort

Kommentar zu Palmer-Eklat: Über mäßigende Töne wird kaum gesprochen

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Sandra Müller
Sandra Müller ist Redaktionsleiterin beim SWR im Studio Tübingen. (Foto: SWR, Jochen Krumpe)

Tübingens OB Palmer streitet mit Studenten über das N-Wort. Sie nennen ihn Nazi, er hält den Vorwurf für ausgrenzend - "wie beim Judenstern". Eine Eskalation wie aus dem Bilderbuch, schwer auszuhalten, kommentiert Sandra Müller.

Er hat es wieder getan. Boris Palmer (Grüne, Mitgliedschaft ruht), der Berserker und Radikalrhetoriker, der so gern streitet, hat erneut vor allem dafür gesorgt, dass ein Streit eskaliert. Und das traurigerweise erneut bei einem Thema, das Diskussion verdient. Denn: Ist es sinnvoll, ein verletzendes, niederträchtiges Schimpf-Wort generell aus dem deutschen Wortschatz zu streichen - auch dann, wenn man es nur zitiert? Darüber darf und soll man streiten, auch Palmer.

Aber im Ernst: Wie sinnvoll kann es sein, so eine Diskussion mal eben im Vorbeigehen zu führen - mit Demonstranten in einer eh schon aufgeheizten Stimmung? Und wie sinnvoll kann es sein, denen das Wort, das sie ablehnen, penetrant ins Gesicht zu sagen und ihre Argumente dann - egal wie diffamierend man sie findet - mit dem "Judenstern" zu vergleichen? Tja, wohl eher nicht so. Und wer, wenn nicht ein Politiker mit ein wenig Grips, sollte das wissen? Eben. Man muss wie immer davon ausgehen: Palmer war klar, was er damit auslöst. Und es ist absolut nachvollziehbar, dass ihm deshalb jetzt sogar sein grüner Parteikollege Rezzo Schlauch öffentlich die Freundschaft kündigt.

Nicht nur Palmer eskaliert

Dennoch - und Achtung: Jetzt wird es scheinbar paradox. Dennoch finde ich, dass nicht nur Palmer eskaliert ist. Die Debatte hat auch auf der anderen Seite eine Gereiztheit und Tonlage erreicht, die nur noch schwer nachzuvollziehen ist. Das zeigen die Handyvideos der Auseinandersetzung deutlich - mit sich überschlagenden Stimmen und Gebrüll. Und dass ausgerechnet über die mäßigenden Töne danach kaum noch gesprochen wird - das ist das größte Problem an dem Eklat.

Sandra Müller ist Redaktionsleiterin beim SWR im Studio Tübingen. (Foto: SWR, Jochen Krumpe)
Sandra Müller ist Redaktionsleiterin beim SWR im Studio Tübingen

Denn ja: Es gab später auf der Konferenz Redner wie den Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans und den Psychologen Ahmad Mansour. Sie haben klar gemacht, dass man kein Wort je komplett verbieten sollte und es trotzdem nicht so achtlos benutzen sollte wie Palmer. Blöd nur, dass die Uni Frankfurt das Video mit diesen Wortmeldungen gelöscht hat. Jetzt bleibt nur noch die Empörung über die Extreme dieser Auseinandersetzung. Wie sinnvoll ist das wohl? Eben.

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