Ein Plakat der stadt Tübingen, angebracht auf einem Schaufenster, mit der Aufschrift "Hier gilt die Verpackungssteuer"

Klage von McDonald's abgewiesen

Grundsatzurteil: Tübingen darf Verpackungssteuer erheben

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Stefanie Assenheimer
Stefanie Assenheimer

Die Stadt Tübingen darf Steuern auf Einwegverpackungen erheben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Eine Regel der Stadt muss aber geändert werden.

Die Stadt Tübingen hat den Rechtsstreit gegen die Leiterin einer McDonald’s Filiale in Tübingen gewonnen. Noch im März 2022 erklärte das Verwaltungsgericht in Mannheim die Verpackungssteuer für unrechtmäßig. Nachdem die Stadt Revision eingelegt hatte, landete der Fall schließlich beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dieses hat am Mittwoch entschieden, dass die Steuer in Grundzügen nun doch umsetzbar ist.

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Die Betreiberin einer McDonald's Filiale in Tübingen hatte dagegen geklagt, unterstützt von dem Fast-Food-Konzern. McDonald's bedauerte die Entscheidung des Gerichts und kündigte an, dass die Franchise-Nehmerin eine Verfassungsbeschwerde prüfen wolle. "Aktuell gilt es nun erst einmal, noch die schriftliche Begründung des Gerichts abzuwarten", hieß es vom Konzern.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) sprach nach der Urteilsverkündung von einem "tollen Tag für Tübingen und für den Klimaschutz allemal".

Gericht kassiert früheres Urteil zur Verpackungssteuer

In dem Rechtsstreit ging es im Kern um die Frage, welche Steuern eine Kommune in Eigenregie erheben darf. Generell seien örtliche Steuern möglich, so das baden-württembergische Verwaltungsgericht in Mannheim in seiner schriftlichen Urteilsbegründung im Frühjahr 2022. Die Tübinger Steuer sei aber nicht auf Verpackungen für Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle beschränkt, sondern erfasse auch Produkte zum Mitnehmen, deren Verbleib im Gemeindegebiet nicht gewährleistet sei.

In Leipzig wurde nun anders entschieden: In der Regel würden "To-go" -Speisen und -Getränke noch innerhalb des Gemeindegebiets verzehrt, auch wenn sie zum Mitnehmen gekauft wurden. Damit sei die Steuer ortsgebunden und dürfe von der Stadt erhoben werden, so das Bundesverwaltungsgericht. Die Verpackungssteuer verstoße auch nicht gegen das Abfallrecht des Bundes.

Obergrenze muss geändert werden

Bei der Ausgestaltung der Verpackungssteuer in Tübingen rügte das Bundesverwaltungsgericht allerdings zwei Punkte. So sei die Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro "pro Einzelmahlzeit" zu unbestimmt. Dadurch würden Kunden, die für mehrere Personen bestellen, gegenüber Einzelkunden bevorteilt werden. Rechtswidrig sei zudem, dass die kommunalen Aufsichtsbehörden die Verkaufsstellen "ohne zeitliche Begrenzung" jederzeit betreten dürfen.

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Deutsche Umwelthilfe begrüßt Urteil zur Tübinger Verpackungssteuer

Die Deutsche Umwelthilfe forderte Städte und Gemeinden auf, dem "Tübinger Erfolgsmodell" zu folgen und den Druck auf Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zu erhöhen, damit eine bundesweite Einweg-Abgabe auf "to-go"-Verpackungen eingeführt wird. Von McDonald's forderte die DHU einen umfassenden Umstieg auf klimafreundliche Mehrweg-Alternativen.

Wie viel Steuern die McDonald's-Franchisenehmerin in Tübingen nun zahlen muss, war umstritten. Ihre Anwälte gingen von mindesten 870.000 Euro für das Jahr 2022 und 670.000 Euro für dieses Jahr aus. Die Vertreter der Stadt sprachen eher von 200.000 Euro. Zudem sei es das erklärte Ziel der Stadt, dass die Menschen zu Mehrwegverpackungen greifen. "Wir hoffen, dass bald gar keine Steuer mehr anfällt."

Hilft Verpackungssteuer bei Müllvermeidung?

Nachdem das Urteil von vielen als wegweisend für den Umweltschutz bezeichnet wurde, ist nun eine Studie erschienen, die besagt, dass der Abfall in den Mülleimern im Stadtgebiet Tübingen - gemessen am Gewicht - nicht weniger geworden sei. Stefan Moderau, Doktorand der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre an der Uni Tübingen, legte seiner Studie Daten der kommunalen Servicebetriebe Tübingen zu Grunde und verglich diese mit der Abfallmenge anderer Kommunen. Somit könnten Einflussfaktoren wie beispielsweise die Corona-Pandemie ausgeklammert werden.

Dass die Müllmenge trotz Verpackungssteuer dieselbe geblieben sei, müsse aber nicht heißen, dass nicht weniger Einwegverpackungen genutzt wurden, so Moderau. Denn beim Wiegen fielen eher Flaschen als leichte Pappschachteln ins Gewicht. Einen positiven Effekt sieht der Doktorand allerdings beim Mehrwegangebot. Hier liege Tübingen seit Einführung der Verpackungssteuer auf Platz Eins. Die Stadt Tübingen selbst gibt an, keine Zahlen zum veränderten Verpackungsmüll erhoben zu haben. Eine langjährige Mitarbeiterin der Stadtreinigung, die täglich die Mülleimer in der Innenstadt leert, sagte dem SWR, der Verpackungsmüll sei deutlich weniger geworden, Hausmüll habe aber zugenommen.

Auch in Zukunft darf Tübingen Verpackungssteuer erheben

Egal ob Plastik, Pappe oder Alu, auch in Zukunft darf die Stadt Tübingen eine Steuer auf Einmalgeschirr und Einwegbesteck erheben. Zahlen müssen unter anderem Imbisse, Metzgereien und Schnellrestaurants für jeden Wegwerf-Becher oder -Teller 50 Cent extra, pro Mahlzeit maximal 1,50 Euro. Betroffen sind davon laut Stadt rund 440 Betriebe. In der Regel geben die Betriebe die Mehrkosten an die Kundschaft weiter.

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