Pressekonferenz zur Schweizer Endlager-Entscheidung in Bern

Atomendlager an der deutschen Grenze

"Die Geologie hat gesprochen": Schweiz begründet Standort für Atomendlager

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Katharina Seeburger
Eine Frau mit dunkelblonden Haaren lacht in die Kamera. Ihre Haare sind etwas länger als schulterlang. Katharina Seeburger trägt einen gestreiften Pullover in blau, rosa und grau.

Die Schweiz begründet, warum sie für das Atomendlager das Gebiet "Nördlich Lägern" gewählt hat. Es ist wenige Kilometer von Hohentengen im Kreis Waldshut entfernt.

Nachdem am Samstag bekannt geworden war, dass die Schweiz als Standort für ein geplantes Atommüll-Endlager das Gebiet "Nördlich Lägern" bevorzugt, hat sie am Montagvormittag ihre Entscheidung in einer Pressekonferenz begründet.

Die Sicherheit habe stets im Zentrum des ganzen Verfahrens gestanden, so Matthias Braun, Chef der Schweizer Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) am Montagvormittag auf einer Pressekonferenz. Ausschlaggebend sei das Opalinuston-Gestein gewesen, das am Hochrhein zwischen Rheinfall und Laufenburg zu finden ist. Damit sei es an allen drei Standorten vorhanden, die zuletzt zur Auswahl standen.

"Es ist eine eindeutige Entscheidung. Die Geologie hat gesprochen."

Laut Matthias Braun ist die Schicht des Opalinuston-Gesteins im Gebiet "Nördlich Lägern" am dicksten. Zudem sei der Abstand zu wasserführenden Schichten und zur Oberfläche größer, als in den Gebieten "Jura Ost" und "Zürich Nordost". Die Gebiete "Jura Ost" und "Zürich Nordost" waren zuletzt ebenfalls in der engeren Auswahl.

Opalinuston-Gestein sei sehr dicht, könne radioaktives Material wie ein Magnet binden und könne sich von selbst heilen, wenn es doch einmal brechen sollte, so Matthias Braun weiter.

Waldshuter Landrat fordert Beteiligung auf beiden Rheinseiten

Der Waldshuter Landrat Martin Kistler forderte im SWR-Interview, dass sein Landkreis und die deutsche Seite nun gleichberechtigt und "auf Augenhöhe" in den weiteren Endlager-Prozess eingebunden werden müssten. Das gelte auch für einen finanziellen Ausgleich. Überrascht habe ihn die Entscheidung für Nördlich Lägern indes nicht, sagte Kistler.

Hören Sie hier das ganze SWR4-Interview:

Vorwurf: Sicherheit nicht das einzige Kriterium für Standortauswahl?

Vorwürfe, dass bei der Entscheidung nicht die Sicherheit, sondern Kosten oder der geringere Widerstand im Gebiet "Nördlich Lägern" eine Rolle spielten, weist die Nagra zurück. Seit Jahren werfen Gegner des Atomendlagers den Verantwortlichen in Bern und der Nagra vor, dass lediglich an der Grenze gesucht worden sei und dort, wo es den geringsten Widerstand gebe.

Karte von der Hochrheinregion um Hohentengen
Bei Stadel im Kanton Zürich, südlich von Hohentengen, soll das Schweizer Atommüll-Endlager entstehen.

Diese Zweifel werden mit der Entscheidung vom Wochenende erneut genährt. Denn das Gebiet "Nördlich Lägern" war von der Nagra vor einigen Jahren zunächst ausgeschlossen worden. Ihr Chef, Matthias Braun, gibt zu, dass sie das Gebiet damals zu schnell ausgeschlossen hätten. Weitere Untersuchungen hätten dann gezeigt, dass das Gestein in "Nördlich Lägern" doppelt so fest sei wie in den anderen beiden Gebieten.

Laut dem KIT-Experten für atomare Endlager wurde das Schweizer Endlager nach geologischen Kriterien ausgewählt:

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Sorge wegen Erdbeben in der Region

Erst am Wochenende hat in der Region im Dreiländereck wieder die Erde gebebt. Die Auswirkungen waren auch in der Schweiz zu spüren. Auf der Pressekonferenz am Montagvormittag sagte Felix Altorfer vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi, dass die Gefahr von Schäden an der Oberfläche viel größer sei als in einem Tiefenlager.

"Wenn Sie unten im Gestein sind, wackelt das ganze Gestein mit. Oben bewegt sich der Boden und die Gebäude schwingen", so Felix Altorfer weiter. Gesetzlich sei zudem vorgeschrieben, dass die Gefahr durch Erbeben überprüft und beim Plan der Anlage mit berücksichtigt werde.

Felder und ein Bauernhof an einem Wald
Unter diesen Feldern soll das Schweizer Atom-Endlager entstehen.

Abgeltung auch für deutsche Gemeinden?

Die betroffenen Gemeinden sollen Abgeltungen dafür erhalten, dass sie mit dem Endlager die Verantwortung tragen. Der Züricher Nationalrat Martin Neukom sprach sich bei der Pressekonferenz am Montag dafür aus, dass auch die betroffenen deutschen Gemeinden im Kreis Waldshut eine Abgeltung erhalten.

"Die Abgeltung soll fair verteilt werden, egal in welchem Land eine Gemeinde liegt."

Wie hoch die Abgeltungen sein werden, steht laut Neukom noch nicht fest. Jedoch sollen sie transparent ausgehandelt werden.

Forderungen aus Deutschland

Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte eine gründliche Prüfung der schweizerischen Entscheidung an: "Sicherheit und Geologie müssen die entscheidenden Kriterien für die Standortwahl eines Endlagers für Atommüll sein." Lemkes Ministerium erklärte, dass der Bau und der Betrieb des Endlagers auf deutscher Seite "ähnliche Auswirkungen" haben werde wie auf schweizerischer Seite: "Die Belastungen durch den Bau und Betrieb des Endlagers, der Oberflächenanlagen sowie der Brennelemente-Verpackungsanlage hören nicht an der Grenze auf."

Ähnlich hatten sich bereits am Wochenende die Landräte der der Kreise Waldshut, Konstanz, Lörrach und Schwarzwald-Baar in einer gemeinsamen Stellungnahme geäußert: "Auf deutscher Seite besteht die Erwartung, dass wir als Nachbarn im Verfahren wie bei der Abgeltung in gleicher Weise wie schweizerische Kommunen und Kantone behandelt werden."

Auch die Deutsch-Schweizerische Parlamentariergruppe im Bundestag fordert mit Blick auf das von der Schweiz geplante Atommüll-Endlager direkt an der deutschen Grenze die Einbindung und Entschädigung betroffener deutscher Bürger.

Informationsveranstaltung in Waldshut-Tiengen angekündigt

Das Bundesumweltministerium kündigte an, die Bevölkerung in den betroffenen grenznahen Regionen in Baden-Württemberg zu informieren. Am 22. September solle es eine Informationsveranstaltung in der Kreisstadt Waldshut-Tiengen geben. Das Bundesumweltministerium in Berlin wollte sich am Montag noch nicht festlegen, wie lange die angekündigte Prüfung der schweizerischen Entscheidung dauern werde.

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