Das Wappen des Landes Baden-Württemberg hängt am Eingang eines Gebäudes des Oberlandesgerichts Stuttgart in Stuttgart-Stammheim.

Richterbund gegen Justizministerium

Streit um OLG-Chefsessel in BW: Justizministerin verteidigt sich im Ständigen Ausschuss

Stand

Der Streit um den Vorsitz des Oberlandesgerichts Stuttgart wird heftiger. Die Justizministerin äußerte sich am Dienstag im Ständigen Ausschuss. Der Richterbund ist empört.

Wer wird neue Vorsitzende oder neuer Vorsitzender des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart? Die bisherige OLG-Präsidentin Cornelia Horz ist seit Mai im Ruhestand. Über die Nachfolgeregelung streiten mittlerweile nicht nur das baden-württembergische Justizministerium und der Deutsche Richterbund, sondern sie wird jetzt auch zum Politikum.

Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) verteidigte am Dienstag im Ständigen Ausschuss des baden-württembergischen Landtags ihr Vorgehen im Streit um den Chefposten. SPD und FDP hatten eine Sondersitzung zu dem Thema beantragt.

Gentges äußert sich im Ständigen Ausschuss

Gentges sagte, der Präsidialrat des Gerichts habe ihre Kandidatin für den Chefsessel zur Kenntnis genommen und einen eigenen Vorschlag gemacht. "Das ist grob rechtswidrig." Es gelte nun, die grundsätzliche Frage vor dem Verwaltungsgericht zu klären, ob das Gremium aus Richtern und Richterinnen eine Personalentscheidung kontrolliere oder durch eine eigene Entscheidung ersetzen könne.

Ministerin will eigene Kandidatin durchsetzen

Der Vorgang ist bisher einmalig in Baden-Württemberg: Das Justizministerium klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen den von Richterinnen und Richtern besetzten Präsidialrat des OLG Stuttgart. Grund ist, dass das Ministerium eine Abteilungsleiterin aus dem eigenen Haus als neue OLG-Präsidentin durchsetzen will.

So favorisiert Gentges für den vakanten OLG-Leitungsposten Beate Linkenheil - und hat diese dem Präsidialrat vorgeschlagen. Dieser darf überprüfen, ob Fehler vorliegen. Der Präsidialrat lehnte den Personalvorschlag des Ministeriums jedoch ab und sprach sich für den Präsidenten des Landgerichts Stuttgart, Andreas Singer, aus, der ebenfalls für den Posten kandidiert. Ein Einigungsgespräch vor Pfingsten blieb erfolglos.

Das Gesetz sieht in diesem Fall vor, dass dann der Richterwahlausschuss angerufen werden soll. Ihm gehören Vertreter der Richterschaft und der Landtagsparteien an.

Marion Gentges (CDU), Justizministerin von Baden-Württemberg, spricht bei einer Debatte Landtag.
Marion Gentges (CDU), BW-Justizministerin, will durch das Verfahren auch Klarheit für künftige Fälle schaffen und die Reichweite der Befugnisse des Präsidialrats klären.

Deutscher Richterbund sieht Ansehen der Justiz in Gefahr

Der Deutsche Richterbund kritisiert das Vorgehen von Justizministerin Gentges scharf und spricht von einem Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz. Setze sich die Justizministerin durch, werde das Vertrauen der Richter "in eine sachgerechte, alleine an den Kriterien der Eignung und Befähigung orientierte Besetzung der Beförderungsämter" erheblich beschädigt, so der Richterbund. Es könne sogar das Ansehen der Justiz in der internationalen Wahrnehmung "ernsthaften Schaden nehmen".

Kretschmann stellt sich hinter Gentges

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stärkte der Justizministerin am Dienstag den Rücken. Vor der Presse sagte er, die Klage gegen den Präsidialrat sei ja nicht unbegründet. Es müsse Klarheit geschaffen werden. Er sehe darin keinen Angriff auf die Gewaltenteilung, denn "das dient der Klärung des Verhältnisses der Gewalten", so der Ministerpräsident.

Die Opposition sieht in dem Vorgang die Justiz und ihre Unabhängigkeit beschädigt. Das Justizministerium müsse den Verdacht ausräumen, dass Posten nach Gutsherrenart vergeben werden, so der FDP-Rechtsexperte Nico Weinmann. Er spricht von einem Vertrauensverlust bei den Richtern. Auch von der SPD kam heftige Kritik. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Boris Weirauch, sagte: "Die Klage von Ministerin Gentges ist ein Frontalangriff auf die Justiz." Dass sie die Richterschaft verklage, weil ihr dessen Personalentscheidung bei der Besetzung des OLG-Präsidentenamtes nicht passe, sei in der Geschichte des Landes ein einmaliger Vorgang.

Das Justizministerium will nach eigenen Angaben durch das gerichtliche Verfahren Klarheit für künftige Fälle schaffen und die Reichweite der Befugnisse des Präsidialrats klären.

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SWR