Schild: Notaufnahme Ludwigsburg. Dort wird KI eingesetzt, um etwas der Überlastung entgegenzusetzen.

Deutschlandweit neuer Versuch

Notaufnahme Ludwigsburg: Mit KI gegen Überlastung

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Laura Cloppenburg
Porträt-Foto von Laura Cloppenburg

Gegen die Überlastung der Notaufnahme setzt die RKH-Klinik in Ludwigsburg ein neues Konzept: Patientinnen und Patienten können seit Montag einen KI-Selbstcheck machen.

Seit diesem Montag geht die RKH-Klinik in Ludwigsburg einen neuen Weg: Gegen die Überlastung der Notaufnahme kommt nun Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Die Hoffnung: weniger Patienten, die keine echten Notfälle sind.

Rund die Hälfte der Patienten keine Notfälle

Die Notaufnahme in Ludwigsburg ist wie viele im Land am Limit. 75 Patientinnen und Patienten müssten in der Spitze parallel behandelt werden, so Dorothee Hüppauf. Für die Medizinmanagerin am RKH-Klinikum ist das ein unhaltbarer Zustand. Zum einen liege das, wie aktuell vielerorts, an mangelndem Personal im Gesundheitswesen. Zum anderen an der Unwissenheit vieler Patientinnen und Patienten, mit welchen Symptomen sie als Notfall gelten und mit welchen sie besser bei Hausärzten aufgehoben wären.

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Um fast 15 Prozent verschärft habe sich die Situation laut der medizinischen Managerin noch einmal seit der Einführung der Sozialversicherungspflicht für Poolärzte im Notdienst. Und etwa bei der Hälfte aller Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme handele es sich, wie durch Studien gut belegt, nicht um echte Notfälle, betont Hüppauf.

KI übernimmt Ersteinschätzung schon im Wohnzimmer

Gemeinsam mit ihrem Team hat sie eine Lösung entwickelt, die die Notaufnahme entlasten soll. Seit Montag greifen am RKH-Klinikum Ludwigsburg drei Stufen ineinander: ein KI-Selbstcheck, eine telefonische Hotline und eine Echtzeit-Anzeige von Warte- und Behandlungszeiten. Patientinnen und Patienten, die nicht ganz sicher sind, wie schwerwiegend ihre Symptome sind und ob sie in der Notaufnahme damit richtig aufgehoben sind, können auf der Klinikhomepage künftig den Selbstcheck machen. Eine KI-basierte Software führt durch einen Fragenkatalog, am Ende steht, basierend auf Wahrscheinlichkeit, eine mögliche Diagnose und eine Behandlungsempfehlung.

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Wer der KI nicht traut, kann zum Hörer greifen

Der KI die medizinische Einschätzung überlassen, das dürfte bei der einen oder dem anderen ein mulmiges Gefühl auslösen. Dorothee Hüppauf kann hier beruhigen: Künstliche Intelligenz, die im medizinischen Bereich eingesetzt wird, lerne nicht mehr weiter, erklärt sie. Die KI hat quasi vor der Inbetriebnahme ausgelernt, dieser Zustand wird dann eingefroren.

Daneben sei die Selbstcheck-KI eher konservativ bei ihrer Einschätzung. Laut Hüppauf fällt sie ihr Urteil sehr vorsichtig und rate eher einmal öfter zum Gang in die Notaufnahme als dagegen. Wer trotzdem lieber eine menschliche Einschätzung möchte, dem steht seit Montag parallel ein telefonisches Care-Team zur Verfügung. Über eine Hotline werden Patienten mit medizinischem Fachpersonal verbunden, die durch den Selbstcheck führen.

Hoffnung: Patienten entlasten die Klinik eigenverantwortlich

Dritte Säule des neuen Service: die Veröffentlichung von Echtzeitdaten aus der Notaufnahme. Patientinnen und Patienten können nun einsehen, wie lange sie durchschnittlich warten müssen, wie viele Menschen aktuell behandelt werden und wie viele davon in Lebensgefahr schweben. Der Klinikverbund hofft, damit Frust bei Wartenden abzubauen, dem ein oder anderen die Sorge vor einer ernsthaften Erkrankung zu nehmen und vor Ort weniger "Irrläufer" behandeln zu müssen.

Praktischer Nebeneffekt in Zeiten des Personalmangels: Für das Team der telefonischen Erstberatung konnten ehemalige Mitarbeitende, die beispielsweise in Elternzeit sind oder wegen der Kinderbetreuung den Schichtdienst in der Klinik nicht mehr leisten können, zurückgewonnen werden. Sie können ihr medizinisches Know-How zu flexiblen Arbeitszeiten nun von zu Hause einbringen. Nun müsse man sehen, so Hüppauf, wie Patientinnen und Patienten das neue Angebot annehmen.

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