Thomas Mertens (Foto: SWR)

Kommission prüft weiter Impfempfehlung

STIKO-Chef Mertens würde eigenes Kind derzeit nicht gegen Corona impfen lassen

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Zu Corona-Impfungen für Kinder ab fünf Jahren gibt es noch keine Entscheidung der STIKO. Ihr Chef würde sein Kind aber derzeit nicht impfen lassen - wegen fehlender Daten.

Bei vielen Eltern in Baden-Württemberg wird derzeit heiß diskutiert, ob man seine Kinder zwischen fünf und elf Jahren gegen das Coronavirus impfen lassen soll, wenn es eine entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) geben sollte. Deren Chef hat sich nun klar positioniert. In einem Podcast der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte der Ulmer Virologe Thomas Mertens, angesichts fehlender Daten würde er sein eigenes sieben Jahre altes Kind derzeit nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. Es gebe jenseits der Daten aus der Zulassungsstudie des Impfstoffs "keinerlei Daten" über die Verträglichkeit des Impfstoffs in der Gruppe der Kinder zwischen fünf und elf Jahren. Die aktuellen Publikationen zeigten, dass Aussagen über Langzeitschäden kaum möglich seien.

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Mertens: STIKO verzögert ihre Empfehlung nicht

Viele Kinderärztinnen und -ärzte warten auf die Empfehlung der STIKO, bevor sie ihre Patientinnen und Patienten impfen. Mertens widersprach der Kritik, die Kommission verzögere ihre Empfehlung. Man sei aktuell dabei, diese fertigzustellen und könne damit um den 11. Dezember herum rechnen, sagte er in dem Podcast. "Sie wird sicher fertig sein, bevor der Kinderimpfstoff in Deutschland verfügbar ist." Die Empfehlung diene der größtmöglichen Sicherheit für Kinder.

Kritik an wechselnder Stimmung auch bei Politikern

Mertens kritisierte in dem Podcast auch die Politik: "Falsche politische Entscheidungen können nicht durch eine Impfung korrigiert werden." Das Maß für eine Impfempfehlung könne nicht die wechselnde Stimmung in der Öffentlichkeit und auch bei Politikern sein. Gerade weil Corona-Infektionen bei Kindern in der Regel harmlos verliefen, müsse man umso sicherer sein, dass die Impfung auf Dauer gut verträglich sei, so Mertens. Wie andere Kinderärztinnen und -ärzte kritisierte der Ulmer Virologe, dass eine fehlende Impfbereitschaft bei 18- bis 59-Jährigen nun durch eine Impfung der Kinder ausgeglichen werden soll.

Impfempfehlung der STIKO noch nicht sicher

Vor allem die fehlenden Daten sind der Grund, warum die Ständige Impfkommission noch keine Empfehlung ausgesprochen hat. Man müsse noch abschließend herausfinden, was die Impfung der jungen Altersgruppe für das Fortschreiten der Pandemie bedeute, sagte Mertens. Daten aus den USA und Israel, wo die Kinderimpfung bereits begonnen hat, lägen derzeit noch nicht vor. Ob es auf eine generelle Empfehlung für die Altersgruppe der Kinder von fünf bis elf herauslaufe, könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

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Der Chef der STIKO äußert sich zurückhaltend zu einer möglichen Empfehlung von Corona-Impfstoffen für Fünf- bis Elfjährige. Die Datenlage der Zulassungsstudie sei nicht ausreichend.

Mertens führte zudem weitere Untersuchungen zur Krankheitslast bei Kinder an. Diese sei "außerordentlich gering". Langzeitschäden bei Kindern in der jungen Altersgruppe nach einer Infektion seien bislang ebenfalls kaum bekannt.

Mertens räumt Fehler bei Booster-Impfungen ein

In der ARD-Sendung "Panorama" hat Mertens erstmals Versäumnisse bei Booster-Impfungen eingeräumt. Einige Entscheidungen der Kommission seien aus heutiger Sicht zu spät erfolgt.

"Es wäre es wahrscheinlich günstiger gewesen, mit dem Boostern früher anzufangen."

Als Grund für die späte Entscheidung nannte Mertens die vielen notwendigen internen Schritte bis zu einer Empfehlung. "Erst definieren wir, welche Daten wir brauchen, um zu einer Empfehlung kommen zu können. Und wenn das festgelegt ist, dann müssen diese Daten erhoben, erarbeitet werden. Und wenn diese Daten vorliegen, dann fängt die STIKO an, diese Daten zu diskutieren."

STIKO fühlte sich von Politik allein gelassen

Mertens kritisierte in dem Panorma-Interview die Ausstattung der STIKO. Die Kommission sei stellenweise von der Politik auch alleingelassen worden: "In der Situation einer Pandemie hätte man eine bessere Personalausstattung sicher gut gebrauchen können", bemängelte der STIKO-Vorsitzende. "Vor allen Dingen auch aus verschiedenen Bereichen, wie Epidemiologen und Modellierer, also Fachleute, die mit mathematischen Modellen umgehen können. Da wäre eine noch größere, bessere Ausstattung sicher hilfreich."

Die noch amtierende Bundesregierung kündigte an, mit der Ständigen Impfkommission auch über die Personalausstattung reden zu wollen.

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