Emine Sevgi Özdamar mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Oberbürgermeister Peter Kurz (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Uwe Anspach)

Poetin zwischen Sprachen und Kulturen

Mannheimer Schillerpreis an Emine Sevgi Özdamar verliehen

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Vor drei Wochen hat die türkisch-deutsche Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar den renommierten Georg-Büchner-Preis erhalten. Nun folgte eine weitere große Auszeichnung.

Emine Sevgi Özdamar (76), türkisch-deutsche Schriftstellerin, Schauspielerin und Regisseurin, ist am Sonntag mit dem Mannheimer Schillerpreis geehrt worden. Sie nahm die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung von Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) entgegen. Er bezeichnete Özdamar als "Ausnahmekünstlerin". Ihre Biografie sei geformt vom "ständigen Wechsel der Lebens- und Arbeitsorte, vom Ankommen, Zurechtfinden, immer von Neuem - stets verknüpft mit der Konstante Kunst".

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt Laudatio

Zur feierlichen Preisverleihung in der Mannheimer Kunsthalle war eigens Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angereist. In seiner Laudatio würdigte er Özdamars "große erzählerische Kraft und Fantasie". Ihr jüngster Roman "Ein von Schatten begrenzter Raum" sei ein "fulminantes Erinnerungswerk" und habe ihn "tief berührt", betonte Steinmeier in seiner Ansprache. "Sie wohnen in der deutschen Sprache und das so meisterhaft wie nur wenige, deren Muttersprache Deutsch ist." Der Bundespräsident bezeichnete Özdamar als "literarisches Vorbild".

"Sie haben damit viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller in unserem Land inspiriert und ihnen Mut gemacht, deren Mutterzunge ebenfalls nicht Deutsch ist und deren Werke heute unsere Literatur bereichern."

Die Muttersprache zu verlieren, sei eine existenzielle Erfahrung für jeden Menschen, der sein Land verlassen müsse und besonders für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, sagte Steinmeier. Generell würden die Menschen, die nach Deutschland gekommen seien, viel zu wenig gehört.

"Ich bin überzeugt, dass ihre Geschichten viel stärker Teil unseres gemeinsamen Wir werden müssen."

In ihrer Dankesrede erzählte die Preisträgerin, dass sie als junges Mädchen von ihrer Mutter eine Ausgabe von Schillers "Wilhelm Tell" geschenkt bekommen habe. Mit ihrem Bruder spielte sie das Drama dann oft nach. Beide wollten Wilhelm Tell verkörpern, nicht aber den bösen Landvogt Gessler, der die Leute zwinge, seinen "Hut zu grüßen".

"Unser Held war Wilhelm!"

Die erste Liebe der Mannheimer Schillerpreisträgerin galt dem Theater               

Aufgewachsen ist die 1946 geborene Künstlerin in der Türkei, und ihre erste Liebe galt dem Theater. Sie besuchte die Schauspielschule in Istanbul, kam aber früh in Kontakt mit Theaterschaffenden in Deutschland. Nach dem Militärputsch in der Türkei 1971 kam sie dauerhaft nach Berlin und wurde Assistentin des Brecht-Schülers Benno Besson an der Ost-Berliner Volksbühne. Außerdem arbeitete sie mit Regisseuren wie Matthias Langhoff und Claus Peymann zusammen.

Emine Sevgi Özdamar: Schriftstellerin, Schauspielerin, Regisseurin

Das erste Mal nach Deutschland kam Emine Sevgi Özdamar 1965 als sogenannte Gastarbeiterin. Damals war sie 18 Jahre alt und sprach kein Wort Deutsch. Anfang der 1980er Jahre schrieb sie ihr erstes Theaterstück - "Karagöz in Alemania" - und zehn Jahre später ihren ersten, autobiografisch geprägten Roman "Das Leben ist eine Karawanserei - hat zwei Türen - aus einer kam ich rein aus der anderen ging ich raus". Darin beschreibt sie ihr Leben in Istanbul und im geteilten Berlin. Ihr neuester Roman - "Ein von Schatten begrenzer Raum" - erschien 2021. Er stieß bei Literaturkritikerinnen und -kritikern auf große Begeisterung.

Buch von Emine Sevgi Özdamar "Ein von Schatten begrenzter Raum". (Foto: SWR)
Buch von Emine Sevgi Özdamar "Ein von Schatten begrenzter Raum", besprochen im "lesenswert" Quartett

Eine mit Preisen überhäufte Künstlerin

Emine Sevgi Özdamar hat für ihr künstlerisches Schaffen schon viele bedeutende Preise erhalten, darunter beispielsweise 1991 den Ingeborg-Bachmann-Preis oder 2010 die Carl-Zuckmayer-Medaille. Erst in diesem Jahr, 2022, bekam sie den Georg-Büchner-Preis, der zu den wichtigsten literarischen Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum zählt.

Schillerpreis ehrt Werk von hervorragender kultureller Bedeutung

Der Schillerpreis der Stadt Mannheim wird seit 1954 in der Regel alle zwei Jahre vergeben. Er versteht sich als kulturpolitische Auszeichnung für Menschen, deren Werk prägend ist für die deutsche Gesellschaft - in der Tradition Friedrich Schillers, der im 18. Jahrhundert am Mannheimer Nationaltheater mit seinen Stücken für Irritation und Widerspruch sorgte. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Regisseur Christian Petzold, der Kabarettist Dieter Hildebrandt oder die Ausdruckstänzerin Mary Wigman.

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