Warnstreik am Freitag: Interview mit Marianne Bretzel von ver.di Rhein-Neckar

"Es gibt Leute, die sagen: Ich kann mir die Miete nicht mehr leisten"

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Für Freitag hat die Gewerkschaft ver.di zu einem großen Warnstreik in der Metropolregion Rhein-Neckar aufgerufen. Damit soll der Druck in der laufenden Tarifrunde erhöht werden.

Der Warnstreik wird für viele Menschen spürbare Auswirkungen haben. Alle Straßenbahnen und Busse der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH sollen für 24 Stunden still stehen, die Verwaltung mehrer Kommunen wird komplett bestreikt, in Mannheim bleiben auch die kommunalen Kitas geschlossen - aber auch Sparkassen und das Theater Heidelberg sind zum Streik aufgerufen. Welche Auswirkungen das haben könnte, darüber hat SWR-Aktuell mit Marianne Bretzel von der Gewerkschaft ver.di gesprochen.

SWR-Aktuell: Warum gibt es jetzt diesen großen Streiktag bei uns in der Region?

Marianne Bretzel: Große Streiktage vor der dritten Verhandlungsrunde haben Tradition. Das gab es auch 2020, dass wir in der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst einen großen regionalen Tag hatten, um alle Betriebe einfach zusammen zu bringen, im Bezirk gemeinsam so ein Streikerlebnis zu schaffen - und natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen untereinander zu vernetzen. Die sind alle betroffen von der Tarifrunde. Phasenweise haben sie teilweise schon einen Tag gestreikt. Andere Betriebe sind jetzt zum Teil auch das erste Mal dabei. Deshalb machen wir jetzt noch so einen großen Tag in der Woche vor den Verhandlungen. 

SWR Aktuell: Es steht ja nicht nur der ÖPNV still, sondern es werden auch andere Einrichtungen bestreikt. Warum so viele ganz unterschiedliche Bereiche? 

Bretzel: Das zeigt einfach, wie vielfältig der Öffentliche Dienst ist. Im Öffentlichen Dienst sind super viele Branchen vertreten. Die sind alle wichtig, um unsere Daseinsvorsorge zu gewährleisten: von der Gesundheitsversorgung im Klinikum über das kulturelle Angebot. Es ist vielfältiger als man, glaube ich, manchmal so im Kopf hat, was der Öffentliche Dienst eigentlich alles so beinhaltet. 

SWR Aktuell: Heißt das, dass es am Freitag keine Theatervorstellungen in Heidelberg gibt und dass die Sparkassen zu sind? 

Bretzel: Ich habe gehört, dass es wohl Filialen bei der Sparkasse Rhein Neckar-Nord gibt, die geschlossen sein werden. Für das Theater habe ich noch keine konkrete Meldung bekommen, wie das mit den Vorstellungen aussieht. Es kann aber gut sein, dass etwas ausfällt. 

SWR Aktuell: Gibt es eine Minimalversorgung, z. B. in den Altenheimen oder auch im Klinikum in Mannheim? 

Bretzel: Für das Gesundheitswesen haben wir Notdienste abgeschlossen, damit auf jeden Fall die Notfallversorgung gewährleistet ist. Wir möchten mit unserem Streik natürlich nicht die Patienten gefährden. 

SWR Aktuell: Glauben Sie denn, dass Sie mit solchen Aktionen tatsächlich Erfolg bei den Verhandlungen haben? Übt das wirklich noch einmal mehr Druck aus? 

Bretzel: Natürlich übt das Druck aus, wenn man sieht, wie viele Menschen bereit sind, für diese Forderungen auf die Straße zu gehen und deutlich zu machen, um was es geht. Es sind Beschäftigte, viele von ihnen aus den unteren und mittleren Entgeltgruppen. Bei denen geht es ums Geld. Und es gibt Leute, die sagen: Ich kann mir hier die Mieten in der Region nicht mehr leisten. Es gibt Leute, die sagen: Ich überlege, obwohl ich Vollzeit arbeite, mir noch einen Nebenjob zu suchen. Es gibt Leute, die sagen: Ich kann mir frisches Gemüse für meine Kinder nicht mehr leisten. Das sind die Realitäten der Beschäftigten. Diese Emotion tragen sie natürlich auf die Straße und machen mit ihren Streiktagen deutlich, um was es geht. 

SWR Aktuell: Aber Angst, dass Sie sich irgendwie Sympathien bei der Bevölkerung verscherzen, haben Sie nicht? 

Bretzel: Ich glaube, dass man sich immer wieder sich bewusst machen muss: Viele Teile des Öffentlichen Dienstes sind Teil der Bevölkerung. Der Öffentliche Dienst sind über zweieinhalb Millionen Beschäftigte. Es gibt außerdem ganz viele Beschäftigte, die an diesen Öffentlichen Dienst angelehnt sind, z. B. in kirchlichen Krankenhäusern. Gleichzeitig sind wir auch alle darauf angewiesen, dass der Öffentliche Dienst läuft. Was passiert, wenn Pflegekräfte fehlen? Was passiert, wenn Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer fehlen? Dann bricht unsere öffentliche Versorgung zusammen. Deshalb sind wir natürlich auf die Solidarität der Bevölkerung angewiesen. Ich habe aber auch das Gefühl, dass sie da ist. Wir kriegen immer wieder von Menschen auch an Streiktagen bekundet: Ja, es ist total richtig, dass ihr das macht. Wir kündigen Warnstreiks frühzeitig an, damit alle Menschen sich auch darauf einstellen können. 

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