Ein Mädchen tippt auf einer Tastatur.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / empics | Dominic Lipinski)

Fall Ayleen

Gefahr im Internet: So können Eltern ihre Kinder vor Kriminellen in Chats schützen

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Der mutmaßliche Täter im Fall der getöteten Ayleen hat sie wohl im Internet kennengelernt. Viele Eltern sorgen sich nun um die Sicherheit in Online-Chats. Was können sie tun?

Die Ermittler im Fall der getöteten Ayleen aus Gottenheim (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) gehen davon aus, dass sie den Tatverdächtigen im Online-Chat kennenlernte. Wie viele Jugendliche in ihrem Alter nutzte die 14-Jährige die Chat-Funktion des Online-Spiels "Fortnite". Hier soll der Kontakt zu dem vorbestraften 29-jährigen Sexualstraftäter entstanden sein.

Fachautorin: Eltern sollten Verständnis für die digitale Welt zeigen

Der Fall bewegt die Menschen nicht nur wegen seiner Tragik. Viele Eltern fragen sich, wie sie ihre Kinder vor solchen gefährlichen Bekanntschaften im Internet schützen können. Wichtige Grundlage dafür ist für Nora Imlau, Fachautorin für Familienthemen, dass Eltern Verständnis für die digitale Welt zeigen, in die sich ihre Kinder fast täglich begeben. Ein Problem sei, dass sich die Kinder oft unverstanden fühlen. "Die Jugendlichen machen die Erfahrung, dass diese Erlebniswelt abgewertet wird, und haben dann wenig Lust, darüber mit ihren Eltern zu sprechen", so Imlau im Gespräch mit dem SWR. Die Autorin rät daher, "ehrliches Interesse" an dieser Welt zu zeigen.

Nach dem Tod der 14-jährigen Ayleen aus Gottenheim haben viele Eltern Angst um ihre Kinder. Fabian Karg vom Landesmedienzentrum erklärt, wie sie ihre Kinder schützen können:

Zudem müssten Eltern auf Signale achten, die darauf hindeuteten, dass ein sozialer Kontakt im Internet dem Kind nicht guttut. Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug oder Stress, nachdem sie am Computer waren, könnten Alarmsignale sein, so Imlau. Wichtig sei, dem Kind zu vermitteln, sich jemanden anzuvertrauen. Das müsse nicht unbedingt der Vater oder die Mutter sein. "Das kann auch der Patenonkel sein oder ein guter Freund."

Medienpädagogin: Ein "guter Draht" zum Kind ist wichtig

Auch Medienpädagogin Irén Schulz spricht von "Alarmzeichen", für die Kinder sensibilisiert werden müssen. "Fragt jemand immer wieder nach Fotos, will sich jemand mit mir allein treffen, wird versucht, mich von anderen zu isolieren? Das sind Alarmzeichen, wo es gut ist, wenn die Kinder den Eltern Bescheid geben", so Schulz im Gespräch mit dem SWR.

Sie empfiehlt, den Kinder klarzumachen, was nicht preisgegeben werden dürfe - beispielsweise die eigene Telefonnummer, die Adresse oder Fotos vom Alltag. Grundlage sei ein "guter Draht" zu den Kindern: Sie sollten das Gefühl haben, den Eltern auch dann etwas erzählen zu können, wenn es zuvor als "nicht erlaubt" galt, so Schulz.

Viele Plattformen bieten noch keinen sicheren Rahmen

Zudem müssten Eltern im Blick behalten, ob Angebote wie Online-Spiele halbwegs altersgerecht seien. Wichtig sei zu wissen, mit wem die Kinder dann in den jeweiligen Chats in Kontakt kommen könnten.

"Man muss leider sagen, dass die beliebten Plattformen und Spiele einen ganz sicheren Rahmen noch nicht schaffen. Es gibt beispielsweise keine moderierten Chats, wo jemand immer jeden Beitrag freischaltet."

Es liege an den Eltern, den Kindern ein gutes Rüstzeug für die digitale Welt mitzugeben. Schulz empfiehlt als gute Grundlage, das Online-Profil so sicher und privat wie möglich einzustellen. Schrittweise könne das Profil dann mit dem Älterwerden der Kinder auch geöffnet werden.

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Experte LKA Baden-Württemberg: Täter tummeln sich überall, wo Kinder aktiv sind

Der Präventionsexperte Marc Reinelt vom Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg rät zudem, den Social Media-Konsum der Kinder und Jugendlichen im Blick zu behalten. "Die Täter tummeln sich dort, wo die Jugendlichen im Netz unterwegs sind", sagt Reinelt. Das können neben dem Online-Spiel "Fortnite" auch die Portale Instagram und Tiktok sein.

Die Masche der Täter, die meist ihr wahres Alter verschleiern, bestehe darin, sich als Ansprechpartner bei Problemen in Schule oder Familie unverzichtbar zu machen, sich für den Alltag der Teenager zu interessieren und sie ernst zu nehmen. Geschenke würden in Aussicht gestellt. Der Austausch bleibe auf Wunsch der Erwachsenen geheim. Wenn die Intimität zunehme, forderten die Täter schließlich Nacktbilder. "Die Täter bauen ein Vertrauensverhältnis auf, um dieses später auszunutzen." Das sogenannte Cybergrooming könne Wochen und Monate dauern, bevor ein persönlicher Kontakt angebahnt werde.

Experte LKA Baden-Württemberg: Kontrolle der Kinder nicht übertreiben

Auf der Seite der Minderjährigen mische sich sexuelle Neugier mit dem Wunsch nach Anerkennung und dem Bedürfnis, Grenzen auszutesten. Das Phänomen nimmt nach Worten des LKA-Fachmannes zu. Opfer seien Mädchen wie Jungen, Täter meist Männer. Deren Motive lägen neben der sexuellen Befriedigung auch im Auskosten von Macht- und Überlegenheit gegenüber dem Opfer. 2021 habe es bundesweit 3.500 Fälle des Straftatbestandes "Vorbereitung zum sexuellen Missbrauch" gegeben. Das Dunkelfeld ist Reinelt zufolge groß.

"Aber Panik ist nicht geboten, und Eltern sollten angesichts solcher Fälle wie der Tod Ayleens die Kontrolle nicht übertreiben."

Persönliches Treffen? Lieber die Eltern dabei haben

Wenn es zu einem persönlichen Treffen komme, sollten im Idealfall die Eltern dabei sein und sich die Person genau anschauen. Auch das Hinzuziehen von Freunden oder Freundinnen beim Erstkontakt reduziere das Risiko von Übergriffen. "Das wäre die Mindestvoraussetzung", so Reinelt. Vorschläge, sich in einer Wohnung oder einem abgelegenen Waldstück zu treffen, sollten abgelehnt werden. Ein öffentlicher Ort sei unabdingbar für eine erste Zusammenkunft.

Medienwissenschaftler: Aufklärung ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Für den Medienwissenschaftler Stefan Jarolimek von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster (NRW) ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, über die Gefahren im Internet aufzuklären. "Wir müssen alle dafür sorgen, dass die Maschen der Täter deutlich und bekannt werden - sowohl auf der staatlichen als auch auf der persönlichen Ebene", erklärte Jarolimek der Deutschen Presse-Agentur.

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