Streuobst und Moschd in Gefahr

Der "Alternanz-Effekt" schlägt zu

Magere Streuobsternte - wo sind nur all die Äpfel?

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Gähnende Leere auf den Streuobstwiesen rund um Heilbronn. Apfelbäume scheinen wie leer gefegt. Schuld an den düsteren Ernteaussichten ist aber nicht allein das Wetter.

Wer derzeit einen Spaziergang entlang der Streuobstwiesen in der Region macht, der mag sich wundern: Während die Apfelbäume um diese Zeit üblicherweise schon unter ihrer rotgelben, saftigen Ladung ächzen, muss man in diesem Jahr schon nach Äpfeln suchen. Der Weinsberger Streuobstexperte Franz Rueß erklärt das Phänomen.

Auf fette Jahre folgen magere

Schuld an der Apfelmisere sind weniger äußere Faktoren als vielmehr der natürliche Kreislauf der Streuobstbäume. Auf ein gutes Jahr folgt nämlich in der Regel automatisch ein dürftiges. Alternanz-Effekt nennt sich das Phänomen. Tragen Apfelbäume besonders viele Früchte, erklärt Frank Rueß, sind sie für das Folgejahr in ihrer Blütenbildung gehemmt. Im Jahr darauf blühen die Apfelbäume dann nicht oder deutlich geringer und tragen in der Folge auch weniger Früchte.

"Wir erleben dieses Jahr den sogenannten Alternanz-Effekt."

2022 fiel die Ernte in der Region so gut aus, dass die Streuobstbauern sich sogar über eine Überproduktion im europäischen Vergleich freuen konnten.  

Viele Bäume tragen reichlich Obst in diesem Sommer.
Viele Bäume tragen reichlich Obst in diesem Sommer.

"Letztes Jahr waren wir so sehr mit Äpfeln gesegnet, dass wir eine Überproduktion innerhalb des EU-Raums hatten."

Für die Verbraucher machte sich das auch im Geldbeutel bemerkbar: Ein Kilo Äpfel kostete rund 50 Cent weniger als in einem Normaljahr. In diesem Jahr dürfte sich der Vorteil nun wieder ausgleichen. Für 2023 prognostiziert Frank Rueß eine magere Apfelernte.  

Erst zu nass, dann zu trocken

Zur Alternanz kommen in diesem Jahr erschwerend die Wetterverhältnisse hinzu. Erst war es den Apfelbäumen zu kalt, dann deutlich zu warm. Das Blütefrühjahr im April und Mai war ungewöhnlich verregnet. Bestäuber wie die Honigbiene kamen nicht in die Gänge.

"Wir haben einen sehr nassen, kalten April und Mai gehabt. In dieser Zeit war es schwierig für Insekten, die Bestäubung zu gewährleisten."

Die anhaltende Feuchtigkeit bot zudem schädlichen Pilzen einen idealen Nährboden: An Blättern und Früchten bildete sich der erntegefährdende Apfelschorf. Auf die kaltnasse Phase folgte dann das andere Extrem: sechs Wochen Trockenheit und Hitze. Zusätzlicher Stress für die Bäume. Die Folge: Sie werfen ihre Früchte ab.  

Gute Nachrichten: Pflege lohnt sich

Es gibt allerdings auch starke lokale Unterschiede und gute Nachrichten für Hobbygärtner. Denn: Wer seinen Baumbestand gut pflegt, profitiert spürbar bei der Ernte.

"Im Streuobstanbau merkt man jede Pflegemaßnahme."

Bäume, die richtig geschnitten wurden, haben in der Folge ein intensiveres, saftigeres Laub. Damit kommen sie auch besser durch die Trockenheit und sind gegen Stress gewappnet. Die Chancen stehen dann gut, dass sie ihre Früchte trotz widriger Witterung behalten. Ungepflegte Bäume dagegen schmeißen ihre Last schneller ab und bleiben leer.

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SWR