Eine Polizistin steht in der Innenstadt. In der Landeshauptstadt treten strengere Corona-Regeln in Kraft. Unter anderem gilt innerhalb des City-Rings eine Maskenpflicht.

Tausende Fälle pro Jahr

Gewalt gegen die Polizei: So erleben Beamte in BW Hass im Alltag

Stand

Polizeigewalt ist das eine Extrem, Gewalt gegen die Polizei das andere. Beamte in Baden-Württemberg sind tausendfach pro Jahr Anfeindungen ausgesetzt - und das nicht nur im Netz.

Beleidigungen und Bedrohungen gehören für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, aber auch für viele Polizeibeamtinnen und -beamten mittlerweile fast schon zum Alltag. Knapp 900 bekannte Fälle von Hasskriminalität gab es laut Kriminalstatistik im vergangenen Jahr allein in Baden-Württemberg, die Dunkelziffer dürfte allerdings weitaus höher sein.

Polizeigewerkschaft: Bedrohung nimmt auch offline zu

Im Internet und in den sozialen Netzwerken sinkt die Hemmschwelle für Hass und Hetze. "Trauriger Höhepunkt" dieser Entwicklung waren für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Kommentare nach dem Mord an einer Polizistin und einem Polizisten im rheinland-pfälzischen Kusel. Die Gewerkschaft warnt jetzt, weil Bedrohungen gegen Beamte und gegen Beamtinnen auch im Streifendienst auf der Straße zunehmen.

1.700 Hinweise auf Hasskommentare hat eine Ermittlungsgruppe registriert, nachdem Ende Januar in Kusel eine Polizeianwärterin und ihr Kollege bei einer Verkehrskontrolle erschossen worden sind. Darunter waren Aussagen wie "wieder zwei Bullen weniger in Deutschland", die mit Smileys versehen wurden. Einige Verfasser hätten den Tod der Polizeianwärterin und ihres Kollegen sogar gefeiert, hieß es von den Ermittlern.

Nach dem Mord in Kusel hat ein Mann online dazu aufgerufen, Polizistinnen und Polizisten zu ermorden. Gegen seine Haftstrafe hat er Berufung eingelegt, über seine Verurteilung hat der SWR am 8. September berichtet:

Hemmschwelle sinkt - Tendenz zu mehr Gewalt gegenüber Polizei

Für Guntram Lottmann, Landesvorsitzender der GdP, sind die Kommentare in Baden-Württemberg ein Alarmsignal, weil die Hemmschwelle sinke - nicht nur im Internet, sondern auch im Alltag der Beamtinnen und Beamten. Anfang 2016 habe es circa 2.000 Fälle von Hasskriminalität im Jahr gegeben, inzwischen seien es etwa 5.000 pro Jahr. Durch die Pandemie hat sich der Trend verstärkt. Die Zahl der Taten sei ein Alarmzeichen, weil damit auch die verbale Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte einhergehe.

Wie Gewalt im Alltag der Polizeibeamtinnen und -beamten aussieht, hat sich der SWR auch in dieser Reportage vom 17. Mai angeschaut:

Die verbale Gewalt im Alltag, die Gewerkschafter Lottmann anspricht, kennt Marius Buck aus eigener Erfahrung. Der 28-Jährige ist seit zehn Jahren bei der Polizei. Bis vor kurzem war er in Stuttgart im Einsatz. Dort habe er regelmäßig Pöbeleien und verbale Attacken erlebt, erzählt der Beamte. Mitunter würden auch Kontrollen einzelner Personen zum Anlass genommen, sich gegen die Polizei zu formieren: "Das stachelt sich dann so auf, dass zum Teil bis zu 100 oder 150 Personen in der Stuttgarter Innenstadt 'All Cops Are Bastards' rufen oder Ausrufe getätigt wurden wie 'Ganz Stuttgart hasst die Polizei'."

Seit einigen Monaten arbeitet der Streifendienstbeamte beim Polizeirevier Sigmaringen. Auch dort gehören Beleidigungen zum Polizeialltag, erzählt Buck - egal, ob bei "ganz normalen Kontrollen oder bei polizeilichen Ermittlungen, einfach bei der Aufnahme von Straftaten".

"Das ist bei uns mittlerweile an der Tagesordnung."

Es sind Fälle wie in Vöhringen (Kreis Neu-Ulm), Mannheim, Heidelberg oder Efringen-Kirchen (Landkreis Lörrach). Bei letzterem handelte es sich mutmaßlich um einen sogenannten Reichsbürger. Auch in Boxberg-Bobstadt (Main-Tauber-Kreis) sind bei einem Polizeieinsatz in Zusammenhang mit mutmaßlichen Reichsbürgern zwei Polizeibeamte verletzt worden.

Polizeigewalt als Reaktion?

Zwar werden die Beamtinnen und Beamten schon in der Ausbildung für Situationen psychologisch geschult, in denen sie verbal oder körperlich angegriffen werden. Dennoch behalten sie nicht immer die Nerven. Im Mai war ein 47 Jahre alter Deutscher bei einer Kontrolle von zwei Polizeibeamten auf den Boden gedrückt worden und hatte dabei das Bewusstsein verloren. Ein Gutachten kam zum Ergebnis, dass der Mann infolge der Kontrolle erstickt ist.

Noch laufen die Ermittlungen, dennoch zeigt der Fall für den GdP-Landesvorsitzenden Lottmann auch, wie schnell im Internet Gerüchte kursieren: "Es wurde sofort reingestellt, dass zum Beispiel das Opfer ein Ausländer gewesen sein soll. Ohne dass man irgendwelche Hintergründe weiß zum Vorgang, wird sofort etwas verbreitet und dagegen stellen wir uns als Gewerkschaft der Polizei."

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Der Streifenbeamte Marius Buck kennt angespannte Situationen. Damit die Lage nicht eskaliert, versucht er möglichst nichts an sich ranzulassen: "Am Ende des Tages ist es mittlerweile tatsächlich auch so, dass ich manche Sachen etwas gleichgültiger sehe. Das muss zwangsläufig so sein."

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