Gespräch

„Gute Kunst“ für das Dritte Reich – Ausstellung in Linz zeigt NS-Raubkunst für ein geplantes Führermuseum

Stand
INTERVIEW
Martin Gramlich

Unter dem Titel „Die Reise der Bilder“ werden im Lentos-Museum Linz Meisterwerke aus zehn Jahrhunderten Kunstgeschichte, vom Mittelalter bis ins späte 19. Jahrhundert gezeigt. Ihnen gemeinsam ist, dass sie während des Dritten Reichs für das geplante „Führermuseum“ in Linz vorgesehen waren.

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„Gute Kunst“ für Museen im Reich

Die Nationalsozialisten hätten nicht nur moderne, so genannte ‚entartete‘ Kunst aus den Museen entfernt, erklärt Kuratorin Birgit Schwarz im Interview, darüber hinaus habe es auch ein „Gegenprogramm“ gegeben: „Hitler hat den Museen auch Kunstwerke geben wollen, ‚gute Kunst‘.“

Während dieses Programm in Deutschland wegen der Kriegsereignisse weitgehend Theorie geblieben ist, haben österreichische Museen tatsächlich solche „Führerspenden“ erhalten, inventarisiert und gezeigt.

„Die Reise der Bilder“ – Bilder und Fotos aus der Ausstellung:

Modell – Führermuseum Opernplatz Kunstmuseum (Foto: Pressestelle, Archiv der Stadt Linz)
So sollte das geplante Führermuseum am Opernplatz Linz aussehen. Bild in Detailansicht öffnen
Lovis Corinth, Dame am Goldfischbassin, 1911 (Foto: Pressestelle, Johannes Stoll/ Belvedere, Wien)
Lovis Corinth, Dame am Goldfischbassin, 1911 Bild in Detailansicht öffnen
Edvard Munch, Park in Kösen, 1906 (Foto: Pressestelle, Belvedere, Wien)
Edvard Munch, Park in Kösen, 1906, Belvedere, Wien Bild in Detailansicht öffnen
Einlagerungen Salzbergwerk Altaussee, 194344 (Foto: Pressestelle, Eva Kraft)
Um die Exponate für Hitlers „Führermuseum“ vor Bombardierungen zu schützen, wurden sie unter anderem im Altausseer Salzbergwerk eingelagert. Bild in Detailansicht öffnen
Kunsttransporte Salzbergwerk Altaussee, 194344 (Foto: Pressestelle, Eva Kraft)
Kunsttransporte Salzbergwerk Altaussee, 1943/44, Bundesdenkmalamt Archiv Bild in Detailansicht öffnen
Friedrich von Amerling, Mädchen mit Strohhut, 1835 (Foto: Pressestelle, LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz-Vienna)
Friedrich von Amerling, Mädchen mit Strohhut, 1835 Bild in Detailansicht öffnen
Tiziano Vecellio (genannt Tizian), Amor, um 1530 (Foto: Pressestelle, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien)
Tiziano Vecellio (genannt Tizian), Amor, um 1530, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien Bild in Detailansicht öffnen

Raubkunst in den Museen – kein abgeschlossenes Kapitel

Diese „Führerspenden“, so Kuratorin Schwarz weiter, hätten hauptsächlich aus Raubkunst bestanden: „Die Ausstellung zeigt tatsächlich geraubte Kunstwerke, die zurückgegeben wurden, und auch Kunstwerke, deren Provenienzen bis heute nicht bis zum Letzten geklärt werden konnten.“ So sei ein Anliegen der Ausstellung, zu zeigen, „dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist“.

Was den Kunstraub der Nazis heraushebt

Ein historisches Unikum sei der NS-Kunstraub nicht, sagt Birgit Schwarz: „Kunstraub hat es gegeben, so lange es Kunst gibt.“ Und doch steche das Vorgehen der Nazis heraus – insbesondere deshalb, weil sich Hitler aufgrund seines Selbstverständnisses als „Künstler“ persönlich so stark engagiert habe.

Schwarz erinnert an den ausdrücklichen „Führervorbehalt“ von 1938, der Hitler persönlich die Entscheidung über jedes einzelne beschlagnahmte Kunstwerk des „Großdeutschen Reiches“ reservierte. „Dass ein Diktator so weit ins Detail geht, das hat es, glaube ich, vorher noch nicht gegeben“.

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Noch mehr Informationen zum Thema gibt es im Podcast „Akte: Raubkunst“ von ARD Kultur. Zu hören ist diese Serie, unter anderem, in der ARD Audiothek.

Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de

Host: Max Knieriemen
Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer