Dr. Titus Brinker zu KI und Robotik: Die Zukunft der Medizin ist digital

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Dr. med. Nabil Atassi
Moderator Nabil Atassi aus dem SWR1 Team. Zu hören in der Talk-Sendung SWR1 Leute - immer 2 Stunden für einen Gast mit interessanten Themen. (Foto: SWR)

Wie sieht die Medizin der Zukunft aus? Werden wir nach einer KI-Diagnose von Robotern operiert? Dr. Titus Brinker vom DKFZ Heidelberg über die Möglichkeiten der Digitalisierung.

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Die Medizin von morgen ist auf jeden Fall ein Team aus Arzt und Computer, aus Arzt und künstlicher Intelligenz.

Dr. Titus Brinker: Früherkennung - Stärke der KI in der Medizin

PD Dr. Titus Brinker vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg ist Hautarzt und Leiter der Nachwuchsgruppe "Digitale Biomarker für die Onkologie" am DKFZ.

Er entwickelte beispielsweise eine Software, die mithilfe von künstlicher Intelligenz Ärzt:innen bei der Hautkrebs-Vorsorge unterstützen soll - eine Art "Hautkrebslupe" mit eingebauter Diagnosefunktion. Dafür wurde Brinker mit seinem Team u.a. als "KI-Champion Baden-Württemberg 2023" ausgezeichnet, einem Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg.

2019 haben wir das erste Mal weltweit zeigen können, dass die KI dem Hausarzt systematisch überlegen ist bei der Einzelbildentscheidung ‘schwarzer Hautkrebs oder Muttermal?’.

"SmokerFace": Noch keine KI, sondern nur eine einfache Simulationsapp, mit der Dr. Titus Brinker aber erfolgreich Schüler:innen die Auswirkungen von Rauchen zeigt. Man lädt ein Foto von sich hoch, die App zeigt ein Nichtrauchergesicht nach z.B. einem und zwölf Jahren und im Vergleich ein Rauchergesicht in der Zukunft, z.B. nach neun Jahren. (Foto: Dr. Titus Brinker / Screenshot Apple Store)
"SmokerFace": Noch keine KI, sondern nur eine einfache Simulationsapp, mit der Dr. Titus Brinker aber erfolgreich Schüler:innen die Auswirkungen von Rauchen zeigt. Man lädt ein Foto von sich hoch, die App zeigt ein Nichtrauchergesicht in der Zukunft - z.B. nach einem und zwölf Jahren und im Vergleich ein Rauchergesicht nach neun Jahren.

Mediziner:innen und KI als Team in der Zukunft?

Gut 120.000 Bilder von Leberflecken bekomme eine KI eingespeist, um Entscheidungen treffen zu können. Die Fehlerrate: 10 Prozent bei einer "gut trainierten KI" im Vergleich zu 20 Prozent bei einem Menschen.

Dabei gehe es aber nicht darum, den Arzt durch KI zu ersetzen. Das Stichwort ist "Blended intelligence", die gemischte Intelligenz: Den Arzt und die Maschine zusammenbringen mit ihren unterschiedlichen Stärken und beide Potenziale nutzen. Am Ende soll, so Brinker, die KI ein fester Bestandteil des ärztlichen Teams werden, mit dem man sich austauschen kann. 

Die Vorteile: Mehr Präzision bei der Diagnostik, präzisere Kontrolle des Verlaufs von Krankheiten, weniger Fehler und frühere Diagnose.

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Dr. Titus Brinker: KI unterstützt schon heute Ärzt:innen und Patient:innen

Die rasanten Entwicklungen – vor allem im Bereich der KI – verändern bereits jetzt die Medizin. Planung von Diagnosen und Therapien wird sich zukünftig immer häufiger der KI bedienen. KI-gestützte Apps beraten Patient:innen zu ihren Beschwerden oder zur richtigen Ansprechperson.

Das könnten dann durchaus auch einmal Fragen an ChatpGPT sein - Brinker nennt das eine Art digitale Sprechstunde, bei der erste Symptome abgefragt und eingeordnet werden. Damit würde zum einen die Früherkennung unterstützt; Ärzt:innen hätten dadurch mehr Zeit, könnten sich um mehr Patient:innen als bislang kümmern. Ein großer Vorteil beim immer größer werdenden Personal- und Ärztemangel.

Zukunft der Medizin: KI stellt Diagnose, Roboter operieren?

Klar ist für Titus Brinker vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) aber auch, dass Ärzt:innen weiter eine ganz wichtige Rolle im Verhältnis zu Patient:innen spielen. Das würden auch die Umfragen zeigen, bei denen Menschen gefragt worden seien, was ihnen wichtig ist.

Da kam ganz oft: ‘Ich möchte nicht, dass ein Computer mir sagt, dass ich Krebs habe, sondern ich möchte, dass ein Mensch dafür die Verantwortung übernimmt’.

Interessant werde KI für die Ärzt:innen auch dann, wenn sie mit seltenen Fällen oder komplexen Erkrankungen konfrontiert werden, die sie vielleicht einmal in 10 Jahren oder noch nie gesehen haben. Da könne KI sehr gut bei der Diagnose unterstützen. Den vollautomatischen Operationssaal, bei dem die KI einen Roboter steuert - nein, den sieht Brinker nicht.

Dass der Chirurg überflüssig wird, sehe ich überhaupt nicht kommen.

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