Kraft aus der Krise: blind das Leben meistern

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Moderatorin Nicole Köster aus dem SWR1 Team moderiert täglich ausßer samstags zwischen 10 und 12 Uhr die Sendung SWR1 Leute (Foto: SWR)
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Moderator Torsten Helber aus dem SWR1 Team. Zu hören unter anderem im Musik Klub Country oder in SWR1 Die Nacht. (Foto: SWR)

Martina Talamona stand mitten im Leben, bis sie 2017 die Diagnose einer fortschreitenden Erblindung erhielt und ein Burnout erlitt. So hat sie den Weg zurück in ihr Leben gefunden.

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Martina, was machst du jetzt? Gibst du auf oder krempelst du die Ärmel hoch und kämpfst? Ich habe mich fürs Zweite entschieden.

Schockdiagnose: fortschreitende Erblindung

Wer bei sich bemerkt, dass das Sehvermögen schlechter wird, geht in der Regel zum Optiker. So war es auch bei Martina Talamona. Mit über 40 dachte sie zunächst an eine normale Verschlechterung der Augen. Der Optiker konnte ihre Sehleistung allerdings nur noch auf maximal 60 Prozent korrigieren und schickte Martina Talamona zum Augenarzt. Diagnose: Morbus Stargardt.

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Erblindung und Burnout

Die Diagnose war ein Schock, erinnert sich Martina Talamona. Sie klammerte sich an die Hoffnung, dass die Krankheit bei ihr hoffentlich möglichst langsam voranschreiten würde, doch diese Hoffnung wurde nicht erfüllt.

Ich habe innerhalb von 12 Monaten 95 Prozent meiner Sehfähigkeit verloren.

Martina Talamona hat zu dieser Zeit als Personalleiterin gearbeitet und war in einer beruflich sehr anspruchsvollen Phase, sagt sie. Durch ihre verminderte Sehfähigkeit, wurde sie langsamer bei der Arbeit und versuchte dies durch zusätzliches Arbeiten abends und am Wochenende auszugleichen. Die Folge: Zusätzlich zu der Verschlechterung ihrer Sehkraft rutschte sie in ein Burnout.

Mitte 2018 war bei mir die Energie wirklich zu Ende. Ich konnte nicht mehr arbeiten. Bei mir ging nichts mehr.

Erblindung, Burnout, Depression: auf der Suche nach Hilfe

Ihr Weg führte sie in eine auf Burnout spezialisierte Klinik. Dort konnte sie sich durch ihre zunehmende Erblindung allerdings nicht zurechtfinden. Sie erreichte ihren absoluten Tiefpunkt, sagt Martina Talamona rückblickend. Aber: Es sei auch der Moment ihrer "Kehrtwende" gewesen.

Am Ende war die Erkenntnis: Die Einzige, die mir helfen kann, bin ich selber. Es ist an mir aus diesem Loch wieder rauszukrabbeln.

Blind über die Alpen: Eine Wanderung verändert alles

Mit ihrem Mann Martin hat Martina Talamona trotz ihrer geringen Sehkraft von nur noch zwei Prozent im Sommer 2022 eine Wanderung über die Alpen unternommen. Drei Monate waren sie unterwegs, rund 40.000 Höhenmeter haben die beiden überwunden. Ein großes Abenteuer, das sie verändert hat:

Ich bin nicht mehr darauf ausgerichtet, was ich nicht kann, sondern auf das, was ich kann. Ich habe diese Wanderung gemacht, ich sehe gut genug für sowas und das gibt mir unglaublichen Auftrieb.

Martina und Martin Talamona stehen in Wanderoutfit an einem Wegweise. Martina hat Morbus Stargardt und ist dadurch erblindet. Trotzdem hat sie mit ihrem Mann während einer dreimonatigen Wanderung die Alpen überquert. In SWR1 Leute berichten sie von ihrer Grenzerfahrung. (Foto: privat)

Die Wanderung sei ein Ausprobieren gewesen, wie sie in den Bergen am besten zurechtkommen, sagen Martina und Martin Talamona. Eine Erkenntnis zum Beispiel: Typische Wanderschuhe mit dicken Sohlen sind für Martina ungeeignet. Sie braucht weichere Schuhe, mit denen sie den Boden spüren kann, um sich besser orientieren zu können.

Hilfe für andere: Ausbildung zur Resilienztrainerin

Was hilft Menschen, Krisen zu überwinden? Martina Talamona hätte es zuvor selbst nicht für möglich gehalten, dass sie blind über die Alpen und durch die Dolomiten wandern könnte – und doch hat sie es geschafft.

Man kann lernen, mit schwierigen Situationen zurecht zu kommen, sagt sie. Aus diesem Grund hat sie eine Ausbildung zur Resilienztrainerin absolviert. Nun coachen Martina und Martin Talamona andere Menschen und helfen ihnen, mit Ängsten und Herausforderungen besser umgehen zu können.