Geheimdienstexperte Schmidt-Eenboom: Spionage und Nachrichtendienste in Deutschland

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Jens Wolters
Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen (Foto: SWR)

Spionage, Geheimdienste, Bundesnachrichtendienst: Spionage ist allgegenwärtig – mit Ballons über den USA oder im Krieg um die Ukraine. Erich Schmidt-Eenboom verrät, welche Rolle Spionage heute spielt.

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Spionage und Geheimdienste in Deutschland. Experte: So viel wird heute spioniert

Es klingt wie in einem Krimi: Die Einschätzung von Friedensforscher und Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Wie viele Fälle an Spionage gibt es in Deutschland aktuell?

Ich gehe davon aus, dass sämtliche Telekommunikation unserer Streitkräfte, aber auch Polizei, Nachrichtendienste und dergleichen vom russischen Auslandsnachrichtendienst und Militärnachrichtendienst abgehört werden und ich bin mir nicht sicher, ob die Verschlüsselungstechnologien der NATO hinreichend sicher sind. 

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Unruhige Zeiten – mehr Spionage in Deutschland?  

Experte Erich Schmidt-Eenboom sagt, der Anstieg an Aktivitäten steige schon länger. Ob chinesische Spionageballons über dem US-Luftraum oder russische Wirtschaftsspione, die nach Lücken bei den Sanktionen suchen, um Embargo-Maßnahmen zu unterlaufen – Spionage ist allgegenwärtig.

Zu Kriegszeiten ist sie sogar noch wichtiger geworden. Ohne nachrichtendienstliche Unterstützung des Westens wären die großen Abwehr-Erfolge der Ukraine gegen die angreifenden russischen Truppen nicht möglich gewesen, erklärt der Geheimdienstexperte Schmidt-Eenboom.

Spionage hat absolut Hochkonjunktur.

Bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen sei der Bundesnachrichtendienst sehr bemüht, sagt Erich Schmidt-Eenboom. Auch gebe es Kataloge über militärische Strukturen und das Führungspersonal. In der Aufklärung von Kriegsverbrechen sei der BND in der ersten Liga.

Schwäche des BND - Bundesnachrichtendienst in der Krise?

Die Schwäche des Bundesnachrichtendienstes liege im Bereich Human Intelligence, so Experte Erich Schmidt-Eenboom. Das Führen von Agenten, auch der sensible Bereich der Gegenspionage, sei ein Schwachpunkt.

Der Verfassungsschutz braucht bis zu einem Jahr, um festzustellen, der ist harmlos und der ist weniger harmlos.  

Geheimdienste in Deutschland: BND, Verfassungsschutz, MAD

In Deutschland gibt es drei wichtige Geheimdienste: Den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV, man sagt aber oft nur kurz "Verfassungsschutz") und den Militärischen Abschirmdienst (MAD). 

Mehr zu Geheimdiensten und Nachrichtendiensten in Deutschland gibt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung und beim Bundesamt für Verfassungschutz.

BND: Nachwuchsprobleme beim Geheimdienst

Es gebe mehr als 1.000 unbesetzte Planstellen im Bundesnachrichtendienst, so der Experte. Gerade Informatiker würden fehlen. In der freien Wirtschaft verdiene man einfach mehr, finanziell sei der BND unattraktiv sein Ruf nicht gut.

In Deutschland ist Nachrichtendienst immer aus zwei Faktoren heraus historisch belastet. Einmal die Nachrichtendienste des dritten Reiches – Stichwort Holocaust – und dann natürlich die Stasi in Ostdeutschland. 

In den Niederlanden und den USA laufe es besser mit den Geheimdiensten, in Großbritannien gebe es eine professionelle Ausbildung. Der MI6 schaffe es in russische Nachrichtendienste einzudringen und den ein oder anderen zum Überlaufen zu bewegen, so Erich Schmidt-Eenboom.

Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom: Terroranschlag in Deutschland?

Laut Experte hat in Deutschland eine Vielzahl von Terroranschlägen verhindert werden können durch Informationen von Partnerdienstmitteilungen, vor allem durch die amerikanischen Nachrichtendienste. Das läge auch an der besseren Ausstattung dieser Dienste. Die deutschen Nachrichtendienste seien dazu – rein personell – schon nicht in der Lage.  

6.500 BND-Mitarbeiter gegenüber 100.000 NSA sagt schon einiges über die Gewichtung. 

Schmidt-Eenboom wurde in den 90er Jahren selbst vom Bundesnachrichtendienst überwacht. Er ist Vorsitzender des Forschungsinstituts für Friedenspolitik und hat zahlreiche Bücher über Spionage, Geheimdienste und Sicherheitspolitik verfasst.

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