Katar - welche Pläne verfolgt der Wüstenstaat als WM Gastgeber?

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MODERATOR/IN
Jens Wolters
Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen

Lange vor der Fußball-WM richtete Katar Sport-Großereignisse wie Leichtathletik- oder Handball-WM aus. Für das kleine Land geht es um viel mehr als nur um den Sport.

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Berichterstattung über Katar: Vorurteile, Klischees, Überheblichkeit?

Wer vor Jahrzehnten behauptet hätte, dass Katar einmal eine Fußball-WM ausrichten wird, der wäre nicht ernst genommen worden. 1994 waren die USA oder 2010 Südafrika Exoten als Gastgeberländer. Jetzt ist die Welt zu Gast in Katar. Nie war die Kritik an einem Gastgeberland größer.

Politikwissenschaftler Nicolas Fromm hält diese Kritik zwar für berechtigt, die hiesige Sicht auf das Land allerdings nicht immer für richtig. So bemängelt er etwa die "ignorant-überhebliche Berichterstattung".

»Was mir sauer aufstößt, ist, wenn wir Katar als die Inkarnation des Bösen sehen [...] Wir können uns bei unserem Einfluss in der Welt nicht erlauben, moralisch so über Katar herzuziehen, wie wir es jetzt tun, weil wir ganz viel von der Kritik, die wir gerade äußern, auch für uns selbst gelten lassen müssten.«

Das Verbot und die Verfolgung Homosexueller sei ein Exportgut der Kolonialmächte, das habe es zuvor in der Form in Katar nicht gegeben. Aus Sicht von Fromm ist Katar keine Diktatur und kein Polizeistaat. Die Herrscherfamilie halte sich vielmehr an der Macht, indem sie andere an der Macht beteiligt und Geschenke verteilt.

»Als reicher Araber ist man nicht besonders beliebt in Deutschland. Dieses Ölscheich-Image, da bietet Katar natürlich einige Aspekte, die, wenn man nur kurz draufguckt, auf das Klischee passen.«

Katars Herrscherfamilie: Scheich Tamim bin Hamad Al Thani

Katar ist ein Emirat, eine absolute Erbmonarchie. Die Herrscherfamilie Al Thani sieht Fromm als Ergebnis der Kolonialzeit: Damals wollten die Briten einen Ansprechpartner für das Land und wählten die stärkste Familie aus. Die hält sich seitdem an der Macht, indem sie sich mit um die Macht konkurrierenden Familien verheiratet oder sie an der Regierung beteiligt.

»Ich glaube, die Zentralität der Familie ist eine Sache, die für manche befremdlich wirken mag. Dass eine Familie das Land so stark dominiert.«

Schätzungen zufolge sind etwa 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung mit katarischem Pass Mitglieder der Herrscherfamilie.

Wer einen katarischen Pass besitzt, darf Elektrizität und Wasser kostenfrei nutzen, außerdem bieten die Al Thanis laut Fromm eine kostenlose Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau. Für Migrant:innen gelte das nicht: Das System fuktioniere nur für eine bestimmte Zahl an Menschen, meint Fromm. Auch gebe es inzwischen viele Universitäten.

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Warum die WM in Katar stattfindet - ist das Sportwashing?

Katar war vor rund 100 Jahren nur ein ödes Fleckchen Erde. Damals war die Perlenfischerei noch die wichtigste Einnahmequelle. Jetzt sind es große Öl- und vor allem Gasvorkommen. Katar nutzt Großereignisse wie die Handball-WM 2015, die Leichtathletik-WM 2019 und vor allem die Fußball-WM, um sein Image zu verbessern. Man spricht dabei von Sportwashing.

Die Energie-Deals von Katar

Es geht es dem kleinen Land vor allem um eines: Es nutzt seinen gigantischen Energiereichtum, um sich großen Einfluss und ein großes Netzwerk zu schaffen.

»Der Gedanke ist, die Türen in jede Richtung offenzuhalten. Denn aus Katars Sicht betrachtet ist es so: Die größten Feinde sitzen am nächsten dran.«

Über die Strategie Katars und wie sich das Land in Zukunft aufstellt, auch darum geht es in SWR1 Leute.

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