"Arche"-Gründer Bernd Siggelkow kämpft gegen Kinderarmut in Deutschland

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MODERATOR/IN
Jens Wolters
Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen (Foto: SWR)

Vor fast 30 Jahren gründete Bernd Siggelkow das Kinder- und Jugendhilfswerk "Die Arche". Sein Ziel: Kindern geben, was er selbst nicht hatte - Zuwendung, Geborgenheit und Hoffnung.

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Chancengleichheit, Bildung, finanzielle und emotionale Armut

Wildfremde Kinder kamen zu mir, haben mich umarmt und gesagt 'Bernd, möchtest Du mein Papa werden?' Das hat mich völlig umgehauen!

Bernd Siggelkows Eltern trennten sich, als er sechs Jahre alt war. Seine eigenen Erfahrungen haben ihm später dabei geholfen, Kinder zu verstehen. Das Kinder- und Jugendhilfswerk "Die Arche" bietet an mehr als 30 Standorten täglich bis zu 10.000 Jugendlichen unter anderem Hausaufgaben-Betreuung und ein Mittagessen an.

Manche Eltern kaufen Chips, damit ihre Kinder satt werden, weil sie sich das Gemüse nicht mehr leisten können - da sind die Preise teilweise bis zu 300 Prozent gestiegen.

Dass die Arche so groß werden würde, hätte er sich anfangs gar nicht träumen lassen. Eine neue Einrichtung in Bremerhaven musste schon am ersten Tag 250 Kinder betreuen: "Das ist doch erschreckend!". 

Der Erfolg der Arche ist der Misserfolg der Gesellschaft.

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Hat die Politik bei Kinderarmut versagt?

Aktuell wirft Siggelkow der Politik Versagen beim Thema Kinderarmut vor. Mehr als vier Millionen Kinder lebten in Deutschland in finanzieller Armut. Die Kindergrundsicherung der Ampel nennt er "einen Witz".

Die Bundesregierung subventioniere "alles Mögliche" und spare bei - aus seiner Sicht - dem Wichtigsten: den Kindern. 2,1 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung, das seien gerade mal 30 Euro pro Monat für jede Familie, unabhängig von der Zahl der Kinder - nicht ausreichend.

Kinder haben in Deutschland keine Lobby, keine Wählerstimme und die Legislaturperiode ist vier Jahre – das merkt man. Wir haben 2001 den ersten Armutsbericht der Bundesregierung bekommen [...] und da hab' ich gedacht 'jetzt passiert was!'. Jetzt, 23 Jahre später, haben sich die Armutszahlen verdreifacht – das ist erschreckend und ein Armutszeugnis für jede Partei.

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Gute Bildung ist eine Geldfrage

Siggelkow fordert mehr Geld und bessere Bildungschancen für die Jugend. Beispiel Bürgergeld: Ein Kind bekommt zusätzlich 150 Euro pro Jahr ("Bildungs- und Teilhabepaket"). Davon könne es sich aber gerade mal 15 Stunden Nachhilfe leisten. Bildung sei also direkt abhängig von der finanziellen Situation der Familie. Und die sei in vielen Fällen zementiert.

In Deutschland im Vergleich zu Europa braucht es fast vier Generationen, um aus der Armut heraus zu kommen.

 "Die Arche" ist eine Erfolgsgeschichte

Besonders gerne erinnert sich Bernd Siggelkow an die Geschichte einer 15-jährigen, die sich um ihre Geschwister kümmern musste. Ihr 3-jähriger Bruder kam alleine mit der Straßenbahn in die "Arche". Die Arche-Betreuer halfen ihr durchs Abitur, bezahlten ihr eine größere Zahnartzbehandlung, damit sie sich besser bewerben konnte.

Heute arbeitet sie als Erzieherin in der Arche und kann den Kindern, die in einer ähnlichen Situation wie sie aufgewachsen sind, aus einer ganz anderen Perspektive etwas vermitteln.

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