Weltfrauentag: Autorin Nicole Seifert über die Frauenquote im Bücherregal

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Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen (Foto: SWR)
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Moderator Torsten Helber aus dem SWR1 Team. Zu hören unter anderem im Musik Klub Country oder in SWR1 Die Nacht. (Foto: SWR)

"Faust", "Effi Briest" oder "Kabale und Liebe": alles Klassiker der Schullektüre, alle von männlichen Autoren. Autorin Nicole Seifert findet, wir müssen mehr Bücher von Frauen lesen.

Das macht mich ein bisschen sprachlos, dass man tatsächlich offenbar immer noch denkt: Bücher von Frauen sind über Frauen und für Frauen und nichts für Männer.

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Schullektüre von Männern dominiert

Unter den Klassikern der Schullektüre sind wenige Autorinnen. Was bei den Kindern anfängt, setzt sich bei den Erwachsenen fort: Nicht einmal 15 Prozent der im Deutschen Literaturarchiv in Marbach a.N. gelagerten Werke sind von Schriftstellerinnen.

Es ist eben immer noch so, dass es in Deutschland sehr gut möglich ist und viel zu häufig passiert, dass man Abi macht, ohne ein Buch von einer Frau gelesen zu haben.

Fachliteratur: "Haben Sie auch was von einem Mann?"

Ich habe von einer Hamburger Buchhändlerin gehört, dass Kunden kommen: 'Haben Sie ein Buch zu dem und dem Thema?', dann sagt sie 'Ja, hier.' – 'Achso, von einer Frau. Haben Sie auch was von einem Mann?'.

Es gebe im Bereich der Literatur eine Wertzuschreibung, kritisiert Nicole Seifert. So würden Frauen bestimmte Bereiche zugestanden, wie Unterhaltungsliteratur und Kinder- und Jugendbücher (Astrid Lindgren, Enid Blyton, J.K. Rowling etc.). Im Hinblick auf Preise und Auszeichnungen und der Frage, welche Bücher einen hohen literarischen Wert besitzen, würden Frauen allerdings ungerechtfertigt eine geringere Rolle spielen.

Auch Literaturpreis-Jurys sollten daher divers besetzt sein, fordert Seifert, da Beurteilungen viel damit zu tun hätten, was man selbst wichtig findet.

Literatur: die weibliche Perspektive auf die Welt

Nicole Seifert hat lange selbst nicht hinterfragt, weshalb die meisten Bücher, die sie gelesen hat, von Männern geschrieben wurden, erzählt sie.

Als ihr das Ungleichgewicht bewusst wurde, begann sie über mehrere Jahre ausschließlich Bücher von Frauen zu lesen und ist überzeugt: die Qualität sei ganz bestimmt nicht das Problem. Wenn beispielsweise in der Schule so viele Bücher von Männern gelesen werden, fehle eine sehr spannende Perspektive auf die Welt.

Mehr Aufmerksamkeit für Bücher von Autorinnen in Medien

Auch die Auswahl von Büchern durch Redaktionen spielt eine große Rolle, meint Seifert. In der Fernsehsendung "Das Literarische Quartett" sei ihr aufgefallen, dass das Verhältnis oft drei Bücher von Männern zu einem Buch einer Frau sei. Über Moderatorin Thea Dorn könne Seifert nicht speziell etwas sagen, allgemein sei aber wichtig:

Nicht alle Frauen sind Feministin und es geht dabei auch nicht nach Geschlecht: es gibt Männer, die achten darauf und es gibt Frauen, die achten nicht darauf.

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Frauen in der "Gruppe 47"

Die "Gruppe 47", die von 1947 bis 1967 existierte, war ein Kreis von Autor:innen, die großen Einfluss auf die Literatur in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg hatte. Prominenteste Frau war sicherlich Ingeborg Bachmann, doch Nicole Seifert ist auf weitere Autorinnen gestoßen, die ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit verdienen würden, beispielsweise:

  • Helga M. Novak
  • Griseldis Fleming
  • Gabriele Wohmann
  • Gisela Elsner

Die Riege der Kritiker der "Gruppe 47" war komplett männlich, sagt Seifert. Dabei falle auf, wie viel über die Körper der Frauen gesprochen wurde und wie wenig über das Werk. Immer wieder sei es um "die Haare, den Lidstrich, die Klamotten" der Autorinnen gegangen.

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