Vorweg ein paar Fakten zum Ablauf eines Biathlon-Wettkampfs: Die Athleten müssen jeweils zwei- oder viermal an den Schießstand, dort versuchen sie fünf Ziele in 50 Metern Entfernung zu treffen. Die Ziele sind beim Stehend-Schießen so groß wie ein Bierdeckel, beim Liegend-Schießen so klein wie ein Golfball. Jede nicht getroffene Scheibe hat in den Disziplinen Sprint, Verfolgung, Staffel und Massenstart eine Strafrunde von etwa 150 Metern zur Folge. In den Einzelrennen werden Fehlschüsse mit einer Strafminute bedacht.
Das Schießen ist beim Biathlon eminent wichtig
Dadurch bekommt das Schießen eine zentrale Bedeutung: Je nach Disziplin macht die Schießleistung zwischen 30 und 50 Prozent der Gesamtleistung aus. Anders gesagt: Ein schlechter Schütze wird kaum ein guter Biathlet werden. Deshalb arbeiten Biathleten mit verschiedenen Techniken daran, Schießfehler zu vermeiden.
Biathlon-Gewehre haben keine Zielvorrichtung, die das Ziel vergrößert und auch kein Fadenkreuz - sondern einen sogenannten Diopter. Eine einfache Visiereinrichtung zum Anpeilen von Zielen mit dem bloßen Auge. Das Diopter besteht aus einer höhen- und seitenverstellbaren Platte mit einer sehr kleinen Durchblicköffnung in der Mitte, durch die der Blick auf die vordere Visiereinrichtung freigegeben wird. Der Diopter muss vor jedem Wettkampf - je nach Wind und Wetter - neu eingerichtet und die Einstellungen müssen während des Rennens angepasst werden.
Oft gibt es erschwerte Bedingungen
Bei Sturm kommt aber noch ein Problem hinzu: Schütze und Gewehr geraten ganz schön ins Wackeln. Da hilft es, reaktionsschnell im Abzug zu sein. Also dann abdrücken, wenn das Ziel gerade durchs Sichtfeld wackelt.
Allerdings braucht es in der Regel keinen Sturm, um einen Biathleten ins Wanken zu bringen. Denn das schafft der Körper des Sportlers von ganz allein. Durch die körperliche Anstrengung des Laufens, die Nervosität in der Wettkampfsituation und den Zeitdruck. Dagegen helfen: Ein fester Stand beziehungsweise eine gute Liegeposition.
Beim Liegendschießen gibt der Boden einen guten Halt. Der Schütze stellt den linken Ellenbogen auf, hängt am Oberarm zusätzlich ein Unterstützungsband ein und hat so eine gute Stabilität. Das Gewehr zieht er mit der rechten Hand an die rechte Schulter, den Ellenbogen stellt er ebenfalls auf. Jetzt liegt er fest auf dem Boden, beide Ellenbogen aufgestellt und kann so kaum noch nach rechts und links schwanken. Nur nach oben und unten sorgen Herzschlag und Atmung für etwas Instabilität.
Körper und Gewehr sind fest miteinander verbunden
Beim Stehendschießen wird es schon ein bisschen schwieriger, denn da sind nur die Ski mit dem Boden verbunden, Beine und Oberkörper können ziemlich schwanken. Um trotzdem so viel Stabilität wie möglich zu bekommen, steht der Schütze seitlich, mit der linken Schulter Richtung Ziel. Er lehnt den Oberkörper ein Stück nach hinten, dadurch liegt der Schwerpunkt des Gewehrs nicht so weit vorne, sondern eher über der Körpermitte. Außerdem kann er so den linken Ellenbogen in die Hüfte stemmen. Den rechten Arm zieht er parallel zum Boden nach hinten und presst so das Gewehr an die Schulter. So sind Körper und Gewehr fest miteinander verbunden.
Gute Schützen blinzeln gar nicht
Ein fester Stand ist aber nicht alles, es braucht auch: einen festen Blick. Einige sehr gute Schützen blinzeln zwischen den Schüssen gar nicht. Sie fokussieren das Ziel und lassen es nicht mehr aus dem Auge, zwischen den Schüssen liegt nur je ein Atemzug.
Und diese Atemzüge folgen einem ganz bestimmten Muster. Einatmen, zu zwei Dritteln ausatmen, Luft kurz anhalten, abdrücken, dann den Rest ausatmen. Durch diese Technik versuchen Athleten, den eigenen Körper beim Abdrücken möglichst ruhig zu halten. Denn jeder Herzschlag ist eine Erschütterung im Körper. Durch die "Zwei Drittel/Ein Drittel"-Atemtechnik mit kurzer Pause finden sie genau den Punkt zwischen zwei Herzschlägen.
Zu ruhig dürfen die Schützen auch nicht werden
Zu ruhig sollten sie dabei aber auch nicht werden. Denn wenn der Puls nach der Anstrengung des Laufens zu tief sinkt, kann das kontraproduktiv sein. Dann werden die einzelnen Herzschläge stärker, um den Muskeln den benötigten Sauerstoff zu schicken. Und je stärker der Herzschlag, desto stärker die Erschütterung im Körper.
Die gefürchtete Nähmaschine
Und: Es kann zur gefürchteten Nähmaschine kommen. So nennen Sportler einen Zustand, in dem der Körper - besonders die Beine - anfangen zu zittern. Man schwankt leicht hin und her - wie eine Nähmaschine. Ein sauberer Schuss wird so extrem schwierig. Deshalb gilt ein Puls zwischen 130 und 160 als erstrebenswert.
Wer all diese Punkte berücksichtigt, hat die besten Voraussetzungen für ein gutes Schießergebnis geschaffen: Diopter sauber einstellen, fester Stand, fester Blick, Atmung und Puls kontrollieren - und dann im genau richtigen Moment abdrücken. Eine Garantie sind aber all diese Techniken nicht. Denn auch wer Arme, Beine, Augen und Abzugfinger perfekt beherrscht, kann durch ein anderes Körperteil trotzdem aus dem Konzept gebracht werden: durch das Hirn.
Die Sportler müssen den Kopf im Griff haben
Gegen den falschen Gedanken im falschen Moment kann die beste Technik nichts ausrichten. Egal ob die Angst vor dem Versagen, private Probleme oder nur der Gedanke ans Nachdenken selbst: Wer den eigenen Kopf nicht im Griff hat, wird am Schießstand scheitern. Eine Studie von 2018 zeigt: Erfolgreiche Biathleten sind in der Lage, bestimmte Hirnareale zu hemmen. So können die automatischen motorischen Programme ungehindert ablaufen. Der Schuss wird präziser.
Deshalb trainieren professionelle Biathleten längst nicht nur laufen und schießen, sie arbeiten zunehmend auch mit Mental-Coaches. Vanessa Voigt zum Beispiel konzentriert sich schon beim Einlaufen in den Schießstand auf ein bestimmtes Wort. Nach jahrelangem Training schafft sie es so, in einen Flow zu kommen, also alles um sich herum auszublenden.
Den perfekten Biathlon-Schützen wird es aber trotz aller Techniken und Tricks wohl nie geben. Denn am Ende ist es immer noch ein Mensch, der den Abzug drückt. Und der kann auch einfach mal einen schlechten Tag haben.