Leise Autos sind möglich, doch viele Fahrer mögen es lieber laut

Die Lust am Röhren

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AUTOR/IN
Stefan Tiyavorabun

Moderne Technik macht's möglich: Autos können leise sein. Aber die Vorschriften lassen Spielraum für Lärm-Tricksereien, der Diesel-Abgasskandal lässt grüßen.

Spritsparen hat einen positiven Nebeneffekt: Weniger Lärm im Straßenverkehr. Die Entwickler setzen inzwischen vielfach auf Motoren mit kleinem Hubraum und Abgasturbolader. Mit diesem sogenannten Downsizing lässt sich Benzin sparen, zugleich vermindert sich der Lärm. Auch die moderne Einspritztechnik beim Diesel hat nicht nur den Verbrauch, sondern auch das früher oft laute Nageln deutlich reduziert.

Auch die bessere Dämmung beispielsweise in den Radkästen macht Autos leiser, ebenso wie moderne Schalldämpfer im Auspuff, teilweise auch mit elektronischer Lärmminderung.

Messbare Fortschritte

Der Fortschritt in der Automobiltechnik bringt also leisere Autos, zumindest, wenn man den Daten der offiziellen Lärmmessungen Glauben schenkt.

Innerhalb von zehn Jahren ist der durchschnittliche Lärm von Neuwagen auf ein Drittel des ursprünglichen Wertes gesunken, so eine Studie im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Umwelt für die Jahre 2005 bis 2015. Und bis 2024 werden die EU-weit gültigen Lärmgrenzwerte in zwei Stufen noch einmal halbiert.

Wer mehr PS hat, darf mehr Krach machen

Allerdings sind die Zulassungsbestimmungen nicht einheitlich, sondern erlauben umso mehr Lärm, je mehr Leistung ein Auto auf die Straße bringt. Und so nutzen die Hersteller PS-starker Boliden auch im Südwesten die Möglichkeiten der modernen Technik dazu, einen charakteristischen Autosound zu designen, der nicht unbedingt besonders leise sein muss.

Tatsächlich sind damit neue Sportwagen mit dem doppelten Schalldruck unterwegs wie geräuscharme Kompaktwagen und das ganz legal. Damit wollen die Hersteller den Wünschen der kaufkräftigen Kundschaft entgegenkommen, wie es heißt. Auch wenn das Beispiel Tesla zeigt, dass auch leise Elektro-Sportwagen durchaus ihre Käufer finden.

Schummeln wie beim Abgas

Außerdem sind die offiziellen Geräuschmessungen nicht immer wirklichkeitsgetreu. So wird jeder neue Autotyp zwar vor der Zulassung auf einer Teststrecke beschleunigt und der entstehende Lärm für alle vergleichbar bei Tempo 50 gemessen. Doch damit werden längst nicht alle Fahrsituationen erfasst. Viele Autos machen daher in den Straßen mehr Lärm als bei der Messung.

Der Unterschied zwischen Messung und Wirklichkeit erinnert sehr an den Diesel-Abgasskandal, auch wenn die Vorschriften vor drei Jahren verschärft worden sind. Nach wie vor ist es Herstellern möglich, Fahrzeuge beispielsweise mit ferngesteuerten Klappen im Auspuff so zu steuern, dass sie bei der Messfahrt besonders leise sind.

Hier ist auch die Grenze zwischen erlaubter Technik und verbotener Trickserei fließend. Und nachdem die Genehmigung für ein neues Modell einmal erteilt ist, gibt es genau wie beim Abgas keinerlei wirksame Nachkontrolle wie das für Licht oder Bremsen bei den regelmäßigen Hauptuntersuchungen vorgeschrieben ist.

Krach oder Klang?

Nach Beschwerden von Anwohnern und Passanten hat die Polizei zum Beispiel in Mannheim und Mainz auffällige Fahrzeuge schwerpunktmäßig kontrolliert. Dabei sind ihr eine ganze Reihe von Fahrern ins Netz gegangen, die ihre Autos zu wahren Krachmachern aufgerüstet hatten.

Von einfachen Löchern im Auspuff, die den Motorenlärm vervielfachen bis hin zu ausgeklügelten Klappensystemen gibt es dabei viele Spielarten. So hat beispielsweise die Mannheimer Polizei bei einem sichergestellten Auto 138 Dezibel gemessen - ein startendes Flugzeug in geringer Entfernung schafft dagegen "nur" 115 Dezibel.

Um einen solchen Krach zu erzeugen, werden im Zubehörhandel spezielle Soundanlagen angeboten. Sie verstärken den Motorenlärm elektronisch und erzeugen auf Knopfdruck zudem explosionsartige Fehlzündungsgeräusche, mit denen sich Auto-Poser vor allem in den Innenstädten gerne in Szene setzen.

Auch wenn es mittlerweile verboten ist, solche Anlagen einzubauen, so sind sie immer noch frei erhältlich. Zudem lassen sie sich bei Kontrollen per Fernbedienung kurzerhand abschalten. Gegen solche Poser haben die Verkehrsminister der Länder Anfang April schärfere Sanktionen seitens der Bundesregierung gefordert.

Straßengeräusch der Zukunft

Sind die neuen Elektro-Autos nun die Rettung für alle Verkehrslärmgeplagten? Nicht ganz. So schreibt die EU neuerdings künstlich erzeugte Fahrgeräusche vor, weil E-Autos im Stadtverkehr so leise rollen, dass sie leicht überhört und so zur Gefahr für Fußgänger werden können. Seit dem 1. Juli müssen sich Elektro- und Hybridautos daher mit einem akustischen Signal bemerkbar machen.

Die Vorgaben dazu sind eher weit gefasst. Zwar dürfen keine Musikstücke abgespielt werden, aber mit welchem Sound die Fußgänger vor herannahenden E-Auto gewarnt werden sollen, das bleibt im Wesentlichen den Herstellern überlassen. Wer wissen will, wie es sich künftig in unseren Straßen anhören könnte, kann das Beispiel der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen hier anhören.

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Stefan Tiyavorabun