Fürs neue Jahr wünsche ich mir von der Gesundheitspolitik vor allem eines: Weitsicht, Mut und eine klare Kommunikation im Kampf gegen Corona. Also eine grundsätzlich andere Haltung als 2021. Da haben Bund und Länder in vielen Punkten komplett versagt, haben geschludert, geschlafen und Warnungen der Wissenschaft fahrlässig ignoriert.
Deshalb mein Ruf nach Weitsicht: Schon Anfang nächsten Jahres wird sich die Omikron-Variante auch bei uns rasant ausbreiten, die Pandemie könnte uns so hart treffen wie noch nie. Noch gibt es keine angepassten Impfstoffe, die Bestellungen sollten jedoch jetzt schon anlaufen.
Versäumnisse der Corona-Politik
Wir müssen uns darauf vorbereiten, wie wir möglichst schnell Millionen von Menschen ein viertes Mal impfen können. Dass Haus- und Betriebsärzte das nicht alleine schaffen, hat sich bei der Boosterkampagne gerade gezeigt. Deshalb brauchen wir auf jeden Fall Impfzentren, die auch dann offen bleiben, wenn der Bedarf vorübergehend etwas abnimmt. Es ist gut, dass jetzt auch Apotheker und Zahnärztinnen impfen dürfen. Das bringt aber nichts, solange die nötigen Schulungen weiter auf sich warten lassen.
Die Politik darf in die nächste Impfkampagne nicht so unbedarft reinstolpern wie in alle bisherigen. Es muss klar sein, dass alte Menschen und Risikopatienten Vorrang haben. Sie sollten dann am besten gezielt zum Impfen eingeladen werden statt wie in diesem Winter stundenlang frierend vor einem Impfbus warten zu müssen – das war und ist eine absolute Zumutung.
Gesundheitsämter müssen gestärkt werden
Zu einer weitsichtigen Corona-Politik gehört es auch, die Gesundheitsämter endlich nachhaltig zu stärken. Mit moderner Ausstattung und mehr Personal – und zwar auf Dauer, nicht nur für ein paar Monate.
Mut zu unbequemen Entscheidungen
Mein zweiter großer Wunsch ist Mut: Mut zu unbequemen Entscheidungen – also auch einem Lockdown für alle, wenn die Fallzahlen explodieren. Omikron könnte deutliche Einschränkungen auch für Geimpfte nötig machen. Das muss die Politik im Blick haben und den Leuten auch rechtzeitig sagen. Schlimmstenfalls müssten Handel und Schulen dichtmachen – dann aber bitte auch mit einer strikten Pflicht fürs Homeoffice statt bloßer Empfehlungen. Drastische Maßnahmen wirken am besten, wenn sie schnell kommen, nicht erst dann, wenn der Dampfer die Hafenmauer schon gerammt hat. Dieses Bild hat RKI Chef Lothar Wieler im Herbst gebraucht.
Bisher haben wir immer viel zu spät gebremst. Das hat viele Menschenleben gekostet und Klinikpersonal ans Limit getrieben. Damit die Bevölkerung bei Einschränkungen mitzieht, braucht es eine klare Kommunikation – das ist mein dritter Wunsch fürs nächste Jahr.
Mangelndes Vertrauen wegen gebrochener Versprechen
Ich wünsche mir die Bundesnotbremse zurück, also einheitliche Regeln, wenn bestimmte Alarmwerte überschritten werden. Die Hospitalisierungsinzidenz taugt dabei kaum, die Zahlen sind unzuverlässig und kommen viel zu spät. Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis hat kürzlich gefordert, wieder zur Inzidenz als wichtigstem Warnindikator zurückzukehren – ich hoffe, die Politik hört auf ihn.
Zur klaren Kommunikation gehört es auch, keine Versprechen mehr zu machen – die sind in einer Pandemie schnell überholt. Keine Impfpflicht, nie wieder Lockdown, die Schulen bleiben offen – lauter gebrochene Versprechen. Wundert sich noch irgendjemand, dass das Vertrauen in die Politik auch bei Vernünftigen schwindet? Mit Weitsicht, Mut und klarer Kommunikation könnte die Politik es im nächsten Jahr besser machen.