Engpass beim Recycling

Wohin mit ausgedienten Windrädern?

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Hellmuth Nordwig
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Ralf Kölbel

Viele ältere Windräder haben in den nächsten Jahren ausgedient. Wohin damit? Sie zu recyceln ist nämlich nicht einfach, und die Kapazitäten reichen außerdem längst nicht mehr aus.

Knapp 30.000 Windräder gibt es derzeit in Deutschland. Viele von ihnen haben im Laufe des kommenden Jahrzehnts ausgedient. Hitze und Kälte setzen ihnen zu, Blitzschläge verursachen Schäden, und vor allem gibt es inzwischen viel effektivere Modelle. 15.000 Rotorblätter sollen schon bald Jahr für Jahr ausrangiert werden, jedes bis zu 15 Tonnen schwer.


Wir bauen seit geraumer Zeit Windenergieanlagen. Wir haben etwa in den 90er-Jahren damit begonnen. Und nun wird es bald soweit sein, dass die ersten Windenergieanlagen ein kritisches Alter von über 20 Jahren und somit auch das Ende ihrer Lebensdauer erreichen.

Vor allem ältere Windräder müssen oft mit großem Aufwand recycelt werden. (Foto: IMAGO, imago/Rainer Weisflog)
Vor allem ältere Windräder müssen oft mit großem Aufwand recycelt werden.

Windräder lassen sich nur schwer recyclen

Petra Weißhaupt untersucht beim Umweltbundesamt, was eigentlich mit Produkten passiert, wenn sie ausgedient haben. Bei den Rotorblättern von Windrädern ist das besonders schwierig. Denn einfach kleinschreddern und neue Flügel draus machen, das geht nicht.

Ein Windrad ist nämlich ein ziemlich komplexer Materialmix: Die Trägerstruktur ist oft aus Balsaholz, und drauf kommen mehrere Lagen eines Kunststoffharzes, das wiederum mit Glasfasern verstärkt ist.

Rotorblätter von Windrädern bestehen aus verschiedenen Materialien. Diese wieder voneinander zu trennen ist schwierig. (Foto: Pressestelle, neocomp)
Rotorblätter von Windrädern bestehen aus verschiedenen Materialien. Diese wieder voneinander zu trennen ist schwierig.

Alte Windräder als Ersatzbrennstoff und als Sandersatz bei Zementherstellung

Noch dazu werden je nach Modell ganz verschiedene Kunststoffe verwendet, die man auch nicht einfach einschmelzen kann. Nur die Firma Neocomp in Bremen verwertet in Deutschland derzeit ausgediente Rotorblätter.

Der große Anteil der glasfaserverstärkten Kunststoffe wird zu einem Ersatzbrennstoff verarbeitet, der dann in einem Zementwerk stofflich-energetisch verwertet wird.

Sprich: Das Glas aus den Glasfasern wird bei der Zementherstellung statt Sand zugesetzt, und der Kunststoff einfach verbrannt. Ehemalige Hightech-Materialien dienen nur noch dazu, einen Baustoff herzustellen.

Bei der Firma neocomp in Bremen werden Rotorblätter von Windrädern recycelt. (Foto: Pressestelle, neocomp)
Bei der Firma neocomp in Bremen werden Rotorblätter von Windrädern recycelt.

Rotorblätter dürfen nicht auf die Mülldeponie

Aber Rotorblätter dürfen nicht deponiert werden, und so dient das Verfahren vor allem dazu, dass mit ihnen überhaupt etwas passiert. Doch nicht einmal dafür wird die Recycling-Kapazität mittelfristig ausreichen, sagt das Umweltbundesamt.

Viel besser wäre es sowieso, den wertvollen Kunststoff nicht zu verbrennen, findet Christian Dreyer, Chemiker am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung.


Natürlich ist es gerade bei den hochwertigen Materialien, wie bei Verstärkungsfasern und vernetzenden Kunststoffen, durchaus sinnvoll, dass ich die in höherwertigen Anwendungen wieder nutzen kann.

Vor allem die Rotorblätter von Windrädern enthalten wertvolle Materialien. (Foto: Pressestelle, neocomp)
Vor allem die Rotorblätter von Windrädern enthalten wertvolle Materialien.

Windräder werden chemisch in Einzelbestandteile zerlegt

Forschende der Fraunhofer-Gesellschaft tüfteln genau daran. Sie wollen das Material der Windräder besser nutzen und trennen als erstes das Balsaholz ab, das dann weiter verarbeitet wird. Erste Dämmmatten aus dem besonders leichten Holz haben die Wissenschaftler 2019 vorgestellt. Christian Dreyer nutzt außerdem eine Methode, um dem besonders hartnäckigen Kunststoff beizukommen.

Wenn Sie damit was machen wollen, müssen Sie das Ganze wieder auf kleinere Bausteine herunterbrechen. Man kann sich das anschaulich vorstellen wie bei einem Lego-Bauteil: Nehmen Sie das Brandenburger Tor, das Sie aus Lego gebaut haben, und jetzt wollen Sie den Eiffelturm daraus bauen.

Dafür muss man das Ganze erst mal wieder auseinandernehmen und auf relativ kleine Bestandteile zurückgehen. Mit dem chemischen Recycling lassen sich die einzelnen Bauteile analog zu Lego-Bausteinen auseinandernehmen und dann wieder neu zusammensetzen.

Wie Legobausteine könnte die einzelnen Elemente der Windräder chemisch zerlegt und danach wieder zu neuen Wertstoffen zusammengebaut werden. (Foto: IMAGO, imago/Raimund Müller)
Wie Legobausteine könnte die einzelnen Elemente der Windräder chemisch zerlegt und danach wieder zu neuen Wertstoffen zusammengebaut werden.


Material aus Windrädern könnte beim Autobau zum Einsatz kommen

Also ist es sinnvoll, neue Kunststoffe draus machen. Der große Vorteil: Die Glasfasern werden dabei nicht angetastet und können erneut verwendet werden. Nicht ganz in voller Länge, sonst bräuchte man ein chemisches Reaktionsgefäß, in das ein ganzer Windmühlenflügel passt - bis zu 90 Meter.

Aber in Autos könnten die wertvollen Glasfasern ein zweites Leben bekommen. Dort werden sie in Materialien eingesetzt, die das Fahrzeug leichter und sparsamer machen. Und auch das Kunststoffharz könnte aus den Bausteinen neu zusammengesetzt werden. Das funktioniert aber nicht für alle bislang verwendeten Materialien.

Auch in der Automobilindustrie könnten aus Windrädern recycelte Rohstoffe zum Einsatz kommen. (Foto: IMAGO, imago images/Sven Simon)
Auch in der Automobilindustrie könnten aus Windrädern recycelte Rohstoffe zum Einsatz kommen.

Keine Standards für den Bau von Rotorblättern

Selbst wenn wir jetzt spezielle Harzsysteme entwickeln, die recyclinggerecht ausgelegt sind, selbst dann haben wir ja noch die alten Systeme, die sich mit diesen chemischen Verfahren bisher noch nicht alle abbauen lassen.

Leider schreibt bisher kein Standard vor, wie Rotorblätter genau zusammengesetzt sein müssen. Ideal wäre es natürlich, von vornherein Kunststoffe zu verwenden, die später wieder verwertet werden können. Petra Weißhaupt vom Umweltbundesamt fordert überhaupt mehr Forschung darüber, was da eigentlich jetzt schon in der Landschaft steht:

Es geht im Wesentlichen darum herauszufinden, welche Rotorblattkonstruktionen vorhanden sind, welche Materialien Einsatz finden, wie diese Materialien zu separieren sind und wie dann die einzelnen Fraktionen verwertet werden können.

Erst dann können Forscher eine konsequente Strategie zum Recycling von Windrädern entwickeln. Auch das ist nötig für eine nachhaltige Energiewende.

Bisher gibt es keine Standards, welche Materialien für den Bau von Rotorblättern verwendet werden. Solche Standards würden das Recycling allerdings später erleichtern. (Foto: IMAGO, imago/Panthermedia)
Bisher gibt es keine Standards, welche Materialien für den Bau von Rotorblättern verwendet werden. Solche Standards würden das Recycling allerdings später erleichtern.
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