Krebs ist nach wie vor die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Jedes Jahr sind hierzulande rund eine halbe Million Menschen mit der Diagnose Krebs konfrontiert. Die Behandlung hat in den letzten zehn Jahren große Fortschritte gemacht - aber steigende Patientenzahlen und immer komplexere Therapiemöglichkeiten stellen Ärztinnen und Ärzte vor große Herausforderungen. Denn Zeit und Geld werden ständig knapper. Ein möglicher Ausweg: Künstliche Intelligenz. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg hat informiert, wie KI in der Medizin eingesetzt werden kann:
- In welchen Bereichen ist der Einsatz von KI besonders vielversprechend?
- Wie sollen etwa zielgerichtete Einladungen zur Mammografie mittels KI funktionieren?
- Welche Rolle spielen Chat GPT und andere große Sprachmodelle für die Krebsmedizin?
- Wie weit sind Ansätze und Methoden um Fehler von KI zu beseitigen?
- Wie könnte sich der Kontakt zwischen Medizinern und Patientinnen und Patienten noch verändern?
In welchen Bereichen ist der Einsatz von KI besonders vielversprechend?
Inzwischen zieht sich künstliche Intelligenz tatsächlich durch viele Felder der Krebsmedizin. Und die Hoffungen sind groß: KI könnte die Onkologie revolutionieren, das hört man am DKFZ immer wieder. Besonders weit sind Programme zur Auswertung von Röntgenbildern und Kernspinaufnahmen, denn gerade bei der Analyse von Bildern ist Künstliche Intelligenz besonders leistungsfähig.
Schon seit mehr als zehn Jahren wird an KI-Anwendungen in der Radiologie geforscht. An vielen Kliniken sind bereits Programme im Einsatz, die innerhalb von Sekunden zum Beispiel verdächtige Knötchen in der Lunge aufspüren können.
Ganz frisch sind positive Ergebnisse beim Mammographie-Screening: da konnte eine große deutsche Studie gerade zeigen, dass bei der Bildanalyse mit KI 18 Prozent mehr Tumore gefunden wurden als ohne. Gleichzeitig blieb die Rate von Fehlalarmen stabil, es gab auch nicht mehr unnötige Untersuchungen als beim Standard-Screening. Auch die Einladungen zur Mammografie könnten dank KI bald zielgenauer verschickt werden.

Wie sollen zielgerichtete Einladungen zur Mammografie funktionieren?
Früherkennung ist immer die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Von 1.000 Eingeladenen hat am Ende eine Handvoll tatsächlich Krebs. Im Moment läuft es so: wann und wie oft eine Frau das Angebot zum Röntgen der Brust bekommt, entscheidet vor allem das Alter, in manchen Fällen auch noch die familiäre Vorgeschichte.
Weltkrebstag Neue Strategien gegen Brustkrebs
Forschenden in Heidelberg ist es erstmals gelungen, im Blut zirkulierende Brustkrebszellen auszufiltern. Allerdings ist das Verfahren bisher sehr kostspielig und die Einführung in die allgemeine medizinische Praxis noch nicht abzusehen.
Dieses grobe Raster ließe sich deutlich verfeinern, denn auch das Gewicht und die Dichte des Brustgewebes beeinflussen das Krebsrisiko. Mit einer KI, die das berücksichtigt, könnte man viel gezielter zum Screening einladen: dann würden Frauen mit höherem Risiko früher oder öfter eingeladen werden und Frauen mit geringerem Risiko später oder seltener. Ehe man so was flächendeckend etabliert, sind aber noch größere Studien nötig, so schnell wird das also nicht klinischer Alltag.

Welche Rolle spielen Chat GPT und andere große Sprachmodelle für die Krebsmedizin?
Die spielen eine immer größere Rolle. Schon jetzt ist die neueste Version von Chat GPT gut genug, um fundierten medizinischen Rat zu geben – sagt der Heidelberger KI-Experte Titus Brinker. Deshalb hat laut Brinker schon jeder fünfte Mediziner mal eine Therapie-Entscheidung mit Chat GPT abgesichert.
Und auch Patientinnen und Patienten informieren sich bei großen Sprachmodellen. Bekanntlich können die aber auch immer mal wieder halluzinieren. Man sollte ihnen also keinesfalls blind vertrauen, sondern die KI immer auch nach ihren Quellen fragen und die dann selbst überprüfen - so der Rat von Titus Brinker. Das setzt aber schon ziemliches Hintergrundwissen voraus.

Wie weit sind Ansätze bei der Beseitigung von Fehlern der KI?
Da tut sich eine Menge. Zum Beispiel hat ein Team vom DKFZ gemeinsam mit der Uniklinik Mannheim das Programm "Urobot“ entwickelt. Der Chatbot kennt alle aktuellen Leitlinien der Urologie – und hat Fachfragen in einer Studie zu fast 90 Prozent korrekt beantwortet. Urologen bei der Facharztprüfung schaffen rund 20 Prozent weniger.
Weil die Quelle klar ist, sind die Aussagen der KI verlässlich und nachprüfbar. Im Rahmen der Studie konnten Klinik-Patienten "Urobot" selbst auf einem iPad Fragen zum eigenen Krankheitsfall stellen und dann anschließend mit den Ärzten diskutieren. Das soll im Idealfall den behandelnden Ärzten Zeit sparen, weil auch die KI die Fragen von Patienten beantworten kann. Aber natürlich könnte am Ende auch alles länger dauern, wenn Ärztinnen und Ärzte immer noch die Vorschläge eines medizinischen Chatbots besprechen müssen.

Wie könnte sich der Kontakt zwischen Medizinern und Patienten durch KI verändern?
Auch da werden Chat GPT und Co immer mehr verändern. Schon jetzt gibt es KI-gestützte Software zum Schreiben von Arztbriefen. Und der Krebsinformationsdienst am DKFZ wird mittelfristig wohl auch stark auf KI setzen: im Moment laufen erste Tests, wie sich Patientenfragen per E-Mail mit der Hilfe von KI beantworten lassen. Dann würde die KI antworten, nur vor dem Absenden würde ein Mensch nochmal drüberschauen.
Mit noch mehr Vorlauf könnte auch der Telefondienst weitgehend mit KI laufen - eines Tages auch mit künstlicher Stimme. Allerdings müssen alle KI-gestützten Anwendungen in der Medizin erst als Medizinprodukt zugelassen werden, bevor sie genutzt werden dürfen. Dafür sind klinische Studien nötig, die mindestens zwei bis fünf Jahre dauern. Es bleibt also noch ein Weilchen alles beim Alten. Aber mit etwas Verzögerung kommen vermutlich wirklich einschneidende Veränderungen auf Patientinnen und Patienten zu.