Raumfahrt

Weltraumtourismus: Machen wir bald Urlaub im All?

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Uwe Gradwohl
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Christine Langer

Statt Städtetrip in Zukunft für einen Kurztrip ins All? Einmal schwerelos sein und sich wie eine Astronautin fühlen. Der Weltraumtourismus nimmt Fahrt auf. Aber wo beginnt das Weltall überhaupt? Und wann fühlt man sich schwerelos?

Die Milliardäre Jeff Bezos und Richard Branson haben sich ein Wettrennen geliefert, wer als erstes mit dem jeweils eigenen Raumfahrtunternehmen ins All fliegt. Ihr Ziel: Das Geschäft mit dem Weltraumtourismus und kommerziellen Flügen ins All richtig in Gang bringen.

Der Brite Richard Branson, Gründer von Virgin Galactic, hat es mit seinem Flug ins All ein paar Tage vor Amazon-Gründer Jeff Bezos geschafft. Aber was die Starts von beiden zeigen: Tourismus im Weltraum ist kein ferner Zukunftstraum mehr.

Wie hoch fliegt man da?

Richard Bransons Virgin Galactic fliegt auf etwas mehr als 80 Kilometern Höhe über dem Erdboden. Eine typische Entfernung zwischen zwei Großstädten in Deutschland. Jeff Bezos bringt mit Blue Origin Touristen auf knapp 110 Kilometer Höhe. Also ein bisschen weiter. Und der dritte im Milliardärs-Raumfahrt-Bunde ist Elon Musk. Er bringt mit SpaceX schon Astronaut*innen zur Internationalen Raumstation (ISS). Die kreist in rund 400 Kilometern Höhe über der Erde. Tiefes Weltall ist das also nicht.

Auf unterschiedlichen Flugarten in die Schwerelosigkeit

Der Flugverlauf ist je nach Anbieter unterschiedlich: Branson und Bezos schießen sich mit ihren Fluggeräten in Höhen, in denen die Kugelform der Erde bereits zu erkennen ist. Aber weder Virgin Galactic noch Blue Origin kreisen richtig um die Erde. Nachdem der Antrieb abgeschaltet ist, schießen ihre Fluggeräte stattdessen wegen des Schwungs, den sie haben, steil weiter in die Höhe, erreichen den Scheitelpunkt ihrer Bahn und fallen wieder in die Tiefe – zurück zur Erde. Wie ein geworfener Stein.

Richard Bransons Virgin Galactic nutzt dafür eine Art Segelflieger, den ein Raketenantrieb auf Geschwindigkeit bringt, so dass der Schwung für knapp 90 Kilometer Höhe reicht. Und aufgrund seiner Segeleigenschaften kann dieses Raumflugzeug am Ende seines Rücksturzes aus dem All zum Startplatz zurückgleiten.

Jeff Bezos dagegen nutzt eine typische Rakete mit einer Raumkapsel obendrauf, die sich von der Rakete löst und so bis zu 110 Kilometer Höhe erreicht, zurückfällt und dann an Fallschirmen landet. Und Elon Musks SpaceX verfügt über eine Rakete, die ein Raumschiff auf so hohe Geschwindigkeit bringen kann, dass es eben nicht wieder zur Erde zurückfällt – SpaceX erreicht als einziger der drei Weltraumtourismusanbieter mit dem Crew Dragon die Erdumlaufbahn. Den sogenannten niedrigen Erdorbit.

Raumkapsel New Shepard von Blue Origin bei der Landung mit Fallschirmen (Foto: IMAGO, IMAGO / UPI Photo)
Die Raumkapsel New Shepard von Blue Origin fällt nach dem Raumflug zurück zur Erde und landet mit Fallschirmen.

Wo beginnt das Weltall?

Für die Grenze zum Weltall gibt es zwei Definitionen. Die einen sagen, die Grenze zum All liegt bei 100 Kilometern Höhe. Das hat einen physikalischen Grund: Ein Flugzeug braucht zum Fliegen Auftrieb unter den Tragflächen. Auftrieb gibt es nur, wenn sich das Flugzeug durch eine Luftmasse bewegt.

Illustration der Erdatmosphäre (Foto: IMAGO, Imago/CHROMORANGE)
Die Erde einmal vom Weltraum aus sehen. Das könnte bald für Weltraumtouristen möglich sein.

In 100 Kilometern Höhe ist so wenig Luft vorhanden, dass ein Flugzeug keinerlei Auftrieb mehr spüren würde. Deshalb ist oberhalb dieses Bereichs kein Flug mit Hilfe von Tragflächen möglich. Ab 100 Kilometern Höhe braucht man Rückstoßantrieb, also eine Rakete. Die 100-Kilometer-Grenze trennt also die Luftfahrt von der Raumfahrt.

Die 80-Kilometer-Marke bzw. 50-Meilen-Marke ist eine spezielle Definition des amerikanischen Militärs aus den 1960er-Jahren. Sie wird heute noch angewandt, um die "Astronaut Wings", ein Abzeichen des US-Militärs, vergeben zu können. Wer die 80-Kilometer-Höhenmarke überfliegt, bekommt das Abzeichen an die Uniform geheftet und darf sich Astronaut*in nennen. Die Flüge von Virgin Galactic auf etwas über 80 Kilometer verhelfen zahlendem Publikum also gerade so zu den "Astronaut Wings".

Als Weltraumtourist schwebt man nicht, man fällt

Die Anziehungskraft der Erde reicht sehr weit ins All. Genau genommen: unendlich weit. Die Erdanziehung wird allerdings umso schwächer, je weiter man von der Erde entfernt ist. Doch bei 80-400 Kilometern sind wir ja noch sehr nah an ihr dran.

Richard Branson schwerelos bei seinem Flug ins All (Foto: IMAGO, Imago/ZUMA Wire/Virgin Galactic)
Richard Branson während der kurzen Phase der Schwerelosigkeit bei seinem Flug ins Weltall am 11. Juli 2021.

Weshalb schweben die Weltraumtouristen, wenn sie doch fast noch auf der Erde sind? Der Grund ist: Die Weltraumtouristen schweben nicht. Bei den Raumschiffen von Virgin Galactic und Blue Origin ist das Fallen zurück zur Erde klar zu erkennen. Aber auch die ISS fällt. Und zwar permanent. Sie fällt unablässig um die Erde herum.

Ein Raumschiff in einer Erdumlaufbahn ist wie ein Stein, der so schnell geworfen wurde, dass er zwar zum Erdboden zurückkehren will, es aber nicht mehr schafft. Er ist so schnell, dass er immer hinter der Erde herunterfällt und deshalb erreicht er den Erdboden nie. Es ist ein unendlicher Fall, den die ISS und ihre Besatzung erleben. Und Dinge, die fallen, die spüren keine Erdanziehungskraft. Im Fallen sind wir schwerelos. Deshalb: Viel Spaß demnächst auf dem Sprungbrett im Schwimmbad. Denn das ist Weltraumtourismus für Einsteiger. Der Fall vom 5-Meter-Turm beschert 1 Sekunde Schwerelosigkeit.

Mann springt von einem Schwimmbad-Sprungturm (Foto: IMAGO, IMAGO / Future Image)
Wer sich günstig schwerelos fühlen will, geht am besten ins Schwimmbad. Bei einem Sprung von einem 5-Meter-Turm erlebt man eine Sekunde Schwerelosigkeit. Und das für ein paar Euro Schwimmbad-Eintritt.

Wally Funk: Mit 82 endlich ins All

Die 82-Jährige US-Pilotin Wally Funk ist mit Jeff Bezos in der Raumkapsel New Shepard an den Rand des Weltalls geflogen. Wally Funk hat in den 1960er-Jahren die Astronautentests durchlaufen, die eigentlich nur für Männer gedacht waren. Aber eine private Initiative organisierte damals eine Testreihe für Frauen. 13 von 20 Kandidatinnen bestanden die Tests. Wally Funk war eine von ihnen. Sie war aber nie NASA-Angehörige und ist auch nie ins All geflogen. Die NASA wollte damals nur militärisch erfahrene Piloten und damit keine Frauen in ihrem ersten Astronautenteam.

Außer Wally Funk gehörte auch Mark Bezos, der Bruder von Jeff Bezos, zur ersten Blue-Origin-Crew, sowie der 18-jährige Oliver Daemen aus den Niederlanden. Damit waren er und Wally Funk derzeit der Jüngste und die Älteste, die ins All geflogen sind.

Was kosten Weltraumflüge?

Tickets von Virgin Galactics oder Blue Origin kosten jetzt, wenn es günstig ist, um die 240.000 Dollar - für 240 Sekunden Schwerelosigkeit. Also 1.000 Dollar pro Sekunde. Der Flug mit SpaceX zur ISS – 50 Millionen Dollar. Für eine Woche. Mit Hin- und Rückflug macht das 9 Tage Schwerelosigkeit. Da kommt man dann auf 64 Dollar pro Sekunde Schwerelosigkeit...

Wie schädlich sind Weltraumflüge für Umwelt und Klima?

Ja, Raumfahrt verschmutzt die Atmosphäre. Aber es ist hauptsächlich der Flugverkehr, der bislang für die Belastung der Atmosphäre mit Abgasen aus Fluggeräten verantwortlich ist. Raumfahrt trägt im Vergleich zur Luftfahrt nur einen winzigen Bruchteil zur Verschmutzung des unteren Teils der Atmosphäre bei. In der höheren Atmosphäre würde das anders aussehen, da ist die Raumfahrt alleine für die Verschmutzung zuständig. Doch noch ist der Verkehr im All zu gering, als dass dadurch in der Stratosphäre Umweltprobleme entstehen würden.

Raketenantrieb des Weltraumflugs von Virgin Galactic (Foto: IMAGO, Imago/Cover-Images)
Virgin Galactic nutzt eine Art Segelflieger, den ein Raketenantrieb auf Geschwindigkeit bringt.

Aber das kann sich ändern, wenn täglich Weltraumtouristen ins All aufbrechen. Deshalb braucht es Regeln für die kommerzielle Nutzung des Alls und für den Eintrag von Schmutz und Schrott in die höhere Atmosphäre und die niedrige Erdumlaufbahn. Diese Regeln fehlen bisher leider noch, das Weltraumrecht ist noch auf dem Stand aus den 1960er-Jahren.

Wasserstoff-Antrieb wäre klimaschonend

Noch ein paar konkretere Angaben zur Belastung der Atmosphäre durch die Touristen-Transporte ins All: Virgin Galactics Feststofftriebwerk brennt ab wie eine Feuerwerksrakete und ist entsprechend schmutzig. SpaceX fliegt Astronauten mit Raketenkerosin, das ist schon etwas besser. Aber optimal ist die Lösung von Jeff Bezos' Ingenieurinnen und Ingenieuren: Sie nutzen ein Raketentriebwerk, das nur Wasserstoff und Sauerstoff verbrennt – da kommt dann nur Wasser hinten raus.

Auch Methan und Sauerstoff könnte man kombinieren. Dann kommt neben Wasser noch zusätzlich CO2 aus der Raketendüse. CO2? Treibhausgas! Ja, aber das könnte man kompensieren, indem man das Raketen-Methan mit Hilfe erneuerbarer Energie herstellt. SpaceX will diesen Weg gehen. Blue Origin auch. Wir werden sehen.

Wann gibt es Hotels im All?

Ex-Astronaut Ulrich Walter ist in einem Interview mit tagesschau.de überzeugt, dass künftig Urlaub im All möglich sein wird. Er begrüßt es, wenn mehr Privatleute im All reisen:

Wir sehen aus dem Weltraum die Kleinheit der Menschen, die Bedeutungslosigkeit, die richtige Einordnung des Menschen in das kosmische Geschehen. Und wir sehen, dass wir auf der Erde alle in einem Boot sitzen. Das bewirkt eine Bewusstseinsänderung, das erreichen wir durch den Weltraumtourismus.

Ulrich Walter geht davon aus, dass es in 50 Jahren normal sein wird, im All Urlaub zu machen. Und zwar in Weltraumhotels, etwa auf Höhe der ISS:

Die Menschen fahren dann vielleicht in ein Weltraumhotel statt nach Spanien. Natürlich wird der Preis für das Weltraum-Hotel höher sein, vielleicht 50.000 Euro für vier Personen. Das ist teuer, aber nicht vollkommen unerschwinglich und eben „once in a lifetime“. So etwas macht man einmal im Leben, statt vielleicht zehn Mal nach Spanien zu fahren. Ich war als Astronaut auch nur einmal im Weltraum, aber das hat meine Sicht auf die Erde und auf uns selbst nachhaltig verändert.

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