Krebsdiagnostik

Studie: Urintest für die Hirntumor-Früherkennung

Stand
AUTOR/IN
Julia Otto

Biomarker für verschiedene Krebsarten werden bereits genutzt – bei Hirntumoren wegen der Bluthirnschranke nicht so einfach. Forschende aus Japan haben nun Hirntumor-Biomarker entdeckt und ein Gerät zur Detektion entwickelt.

Hirntumore werden oft erst durch Neurologische Ausfälle erkannt. (Foto: IMAGO, imago stock&people)

Hirntumore werden meist erst spät durch neurologische Defizite, wie Unbeweglichkeit der Gliedmaßen oder Sehstörungen, mittels CT- oder MRT-Scan des Gehirns entdeckt – eine Frühdiagnose ist oft schwierig. Die Überlebensrate sinkt bei später Diagnose, denn der Hirntumor kann dann bereits zu groß sein, um vollständig entfernt zu werden. Genaue und kostengünstige Methoden in der Krebsfrüherkennung sind deshalb für die Patienten und Patientinnen überlebenswichtig.

Forschenden der Nagoya University in Japan ist dieser Durchbruch vielleicht geglückt: Sie haben vielversprechende Biomarker für Hirntumore im Urin entdeckt – sogenannte microRNAs – und sie haben ein Gerät entwickelt, mit dem sie diese Biomarker detektieren können.

Was sind microRNAs?

MicroRNAs (miRNAs) enthalten keine Informationen für den Aufbau eines Proteins. Sie spielen eine Rolle in der Genregulation und bewirken insbesondere, dass gewisse Gene nicht abgelesen werden. Unterschiedliche gesunde Körperzellen geben unterschiedliche miRNAs in das Blut ab oder den Urin. Entwickelt sich eine Zelle in eine Krebszelle, wird die Menge der miRNAs im Blut oder Urin verändert und die entsprechende Krebsart lässt sich erkennen. Die von den Forschenden entdeckte miRNA ist stabil in Vesikel verpackt – die können nämlich die Bluthirnschranke überqueren, andere tumorspezifische Marker hingegen nicht.

miRNA wird ausdem Zellkern ins Zytoplasma transportiert. (Foto: IMAGO, imago images/Science Photo Library)
miRNA-Moleküle spielen eine Rolle in der Genregulation und bewirken insbesondere, dass gewisse Gene nicht abgelesen werden.

Nanodraht-Gerät zur Detektion von miRNAs im Urin

Die Forschenden haben sich auf die im Urin enthaltene miRNA konzentriert, da „Urin leicht gesammelt werden kann, ohne den menschlichen Körper zu belasten“, erklärt der Associate Professor Atushi Natsume der Nagoya Universität. Der Urin der Patienten mit Hirntumor war laut Natsume bisher noch nicht vollständig untersucht worden:

„Keine der herkömmlichen Methoden konnte miRNAs aus dem Urin in Bezug auf Sorten und Mengen effizient extrahieren. Also beschlossen wir, ein Gerät zu entwickeln, das dazu in der Lage ist.“

Arzt hält eine Urinprobe in der Hand. (Foto: IMAGO, imago stock&people)
Die Forschenden aus Japan konnten zeigen, dass gewisse miRNAs im Urin als Biomarker für Hirntumore dienen können.

Dieses Gerät ist mit 100 Millionen Zinkoxid-Nanodrähten ausgestattet und kann aus nur einem Milliliter Urin eine größere Vielfalt und Menge an miRNA extrahieren als herkömmliche Methoden. Und es kann sterilisiert und in Massenproduktion hergestellt werden – es ist also für den tatsächlichen medizinischen Einsatz geeignet.

Ergebnisse der Forschenden Nagoya University

Die Ergebnisse ihrer Studie wurden in der Fachzeitschrift ACS Applied Materials & Interfaces veröffentlicht und weisen darauf hin, dass solche Urintests bei der Früherkennung von Hirntumoren wirklich helfen können.

Mittels des Nanodraht-Geräts konnten die Forschenden nämlich zeigen, dass die miRNAs aus Hirntumoren tatsächlich im Urin zu finden sind. Dass diese miRNAs auch wirklich als Biomarker für Hirntumore dienen, zeigten sie in einem Diagnosemodell.

Sie untersuchten den Urin von gesunden Personen und Patient*innen mit Hirntumor und konnten die erkrankten von den gesunden Personen unterscheiden – und zwar mit einer Sensitivität von 100%, also der Hirntumor wird sicher erkannt, und einer Spezifität von 97%, das bedeutet, in 3% der Fälle wird ein Gesunder als krank diagnostiziert.

Nanodraht-Gerät ist auch für die Diagnose von anderen Krebsarten einsetzbar

Derzeit werden viele Versuche unternommen, Biomarker-Kandidaten aus Körperflüssigkeiten, wie Urin und Blut, zu extrahieren und für verschiedene Krebsfrüherkennung zu nutzen. Da die Methodik der Forschenden der Nagoya Universität auf verschiedene Krebsarten angewendet werden kann, hoffen die Forschenden, mit ihren Erkenntnissen nicht nur zur Frühdiagnose von aggressiven Hirntumorarten, sondern auch anderer Krebsarten, beigetragen zu haben.

„In der Zukunft werden Menschen in der Lage sein, das Vorhandensein von Krebs zu erkennen, während Ärzte in der Lage sein werden, den Status von Krebspatienten nur mit einer kleinen Menge ihres täglichen Urins zu erkennen.“

Bis das Verfahren auch tatsächlich in der Praxis Anwendung findet, wird allerdings wohl noch einige Zeit vergehen.

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Julia Otto