Starkregen, Überschwemmungen, enorme Schäden - wenn kleine Bäche zu reißenden Strömen werden, reichen die Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser oft nicht aus. Doch es gibt Ausnahmen: In der Stadt Bühl in Baden wurde eine besondere Lösung gefunden. Hier lässt sich ein ganzer Fluss in einen Tunnel umleiten, wenn der Pegel zu hoch wird und Überflutungsgefahr droht. Diese Art von Hochwasserschutz ist vermutlich deutschlandweit einmalig - und funktioniert vollautomatisch.


Millionenprojekt Tunnel schützt Bühl vor Hochwasser
Das vor 12 Jahren gebaute Hochwasserschutzsystem schützt die Stadt in Mittelbaden vor Wassermengen eines Jahrhunderthochwassers. Ursache der Probleme ist eines der Bühler Wahrzeichen: die Bühlot. Das normalerweise hübsche, harmlose Flüsschen verwandelte sich 1998 in einen reißenden Strom und überschwemmte die gesamte Stadt. Die Schäden waren enorm.
Da im Innerorts der Platz fehlte und weder eine Vertiefung noch Verbreiterung des Bachbetts ausreichte, entwickelte man eine kreative Lösung: den Bau eines Tunnels. Ein aufwendiges und kostspieliges Projekt, doch Alt-Oberbürgermeister Hans Striebel erklärt:
“Das war die einzige Möglichkeit die Menge von Wasser an Bühl vorbeizuleiten. So eine einmalige Chance, für so ein Projekt 70 Prozent Zuschuss zu bekommen, das konnten wir uns einfach nicht entgehen lassen.” Das Land übernahm dabei 12 der insgesamt 16 Millionen Euro Baukosten - die Stadt griff die Gelegenheit auf.

Ein innovatives Wasserschutzsystem aus Karlsruhe
Die Pläne wurden am Institut für Wasserbau am KIT in Karlsruhe mit maßstabsgetreuen Versuchen auf ihre Machbarkeit überprüft.
Frank Seidel, Wasserbauingenieur am KIT in Karlsruhe, erklärt: “Es ist schon etwas Außergewöhnliches. Normalerweise wird eben Wasser in Form von Rückhalteräumen zurückgehalten, an der Bühlot ist jetzt kein Platz oberstromig, ist eben sehr dicht besiedelt, Industrie und Ähnliches, sodass man dann hier auf dieses außergewöhnliche Konzept zurückgreifen muss.”
Was dann gebaut wurde ist jetzt kaum sichtbar und funktioniert wie ein überdimensionierter Überlauf im Waschbecken. Oberhalb der Stadt regeln Schleusen-Tore den Wasserzufluss. Kommt mehr Wasser aus dem Schwarzwald, als der Fluss verträgt, passiert folgendes, erklärt Viviane Walzok, die Geschäftsführerin des Zweckverbandes Hochwasserschutz:
“Die beiden Schütze stauen das Wasser auf, sodass im unteren Bereich nie mehr als 1,60 Meter abfließen. Alles, was an Wasser zusätzlich kommt, wird über diese Schwellen in den Flutkanal übergeleitet.”

Der Tunnel bewies seine Wirksamkeit bereits vor Ende der Bauarbeiten
Der Tunnel wird regelmäßig überprüft, wie Viviane Walzok schildert: "Wir gehen einmal im Jahr durch den Tunnel durch und schauen uns da insbesondere die Fugen an, die Betonwände, ob da alles in Ordnung ist, ob es Risse gibt. Wir sind sehr zufrieden mit dem Bauwerk, bisher ist alles gut."
Diese regelmäßige Wartung ist besonders wichtig, denn die Umleitung des Wassers erfolgt automatisch. Dabei unterquert der Tunnel sowohl einen Hügel als auch eine Bundesstraße. Das umgeleitete Wasser fließt in ein speziell angelegtes Hochwasserrückhaltebecken, dessen Kapazität sogar die Wassermenge der verheerenden Überschwemmung von vor 27 Jahren übertrifft.
Die Anlage hat ihre Wirksamkeit bereits bei zwei Gelegenheiten bewiesen. Besonders eindrucksvoll war der Vorfall im Jahr 2013, kurz vor Abschluss der Bauarbeiten: Nach Starkregen stieg der Flusspegel extrem an – das Wasser schoss in den Tunnel, obwohl die Fluttore noch gar nicht eingebaut waren. Die Stadt blieb dennoch verschont.