Mögliche Nebenwirkungen durch AstraZeneca

Sinusthrombosen könnten durch bekannten Mechanismus ausgelöst werden

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David Beck
Bild von David Beck, Reporter und Redakteur SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Impuls. (Foto: SWR, Ilyas Buss)

Ob die gefährlichen Sinusthrombosen, die bei einigen AstraZeneca-Geimpften kurz nach der Impfung aufgetreten sind, tatsächlich mit dem Vakzin in Verbindung stehen, ist noch gar nicht klar, da wollen Forschende der Uni Greifswald schon wissen, wie der Impfstoff die Thrombosen auslöst.

Dass während der Corona-Krise alles schnell gehen kann, das haben wir im vergangenen Jahr immer wieder gesehen – auch in der Wissenschaft. Was die Forschenden aus Greifswald jetzt aber auf die Beine gestellt haben, dürfte trotzdem einen Rekord darstellen: Drei Tage hätten sie durchgearbeitet, sagt Andreas Greinacher, Leiter der Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald, um zu ihrem Ergebnis zu kommen.

Corona-Impfstoff von AstraZeneca (Foto: IMAGO, IMAGO / Martin Wagner)
Der Impfstoff von AstraZeneca steht im Verdacht, in sehr seltenen Fällen gefährliche Hirnthrombosen auszulösen.

Bestimmte Antikörper gefunden, die Blutgerinnung aktivieren können

Der vermutete Mechanismus, wie diese Sinusthrombosen durch den Impfstoff ausgelöst werden könnten, ist bereits von einem anderen Krankheitsbild bekannt: der Heparin-induzierten Thrombozytopenie. Dabei gerinnt das Blut paradoxerweise nach Gabe des Blutverdünners Heparin und eine Thrombose kann sich bilden. Hier bindet Heparin an ein Protein, das für die Blutgerinnung verantwortlich ist, den Plättchen-Faktor 4. Manche Menschen haben Antikörper, die diesen Heparin-PF4-Komplex erkennen, binden und die Blutgerinnungskaskade aktivieren. Und solche Antikörper konnten die Greifswalder auch in Blutproben von Patienten feststellen, die kurz nach der Impfung mit AstraZeneca eine Sinusthrombose entwickelten.

Arzt in Vollschutz injiziert Heparin (Foto: IMAGO, IMAGO / ZUMA Wire)
Heparin wird auch bei Covid-Patienten eingesetzt, um Thrombosen vorzubeugen.

Laut Andreas Greinacher kann wohl auch ein Bestandteil der Impfung oder eine Reaktion des Körpers auf die Impfung zu so einer Blutgerinnung führen. Seine genaue Vermutung wollte er bei der heutigen Pressekonferenz noch nicht sagen.

Andere Vektorimpfstoffe könnten ähnlich wirken

Laut Experten muss es sich dabei aber um ein sogenanntes Polyanion handeln, ein mehrfach negativ geladenes Teilchen. Infrage kommen könnte zum Beispiel das im Impfstoff eingesetzte Adenovirus. Wäre das der Fall, dann könnten die mRNA-Impfstoffe von Biontech, Moderna und Curevac diesen Mechanismus nicht auslösen. Andere Vektorimpfstoffe, die Adenoviren einsetzen, dagegen schon, wie zum Beispiel der russische Impfstoff Sputnik V oder der Impfstoff von Johnson & Johnson.

Ein endgültiger Beweis, dass der Impfstoff von AstraZeneca für die beobachteten Hirnthrombosen verantwortlich ist, ist das aber noch nicht. Sobald die Arbeitsgruppe aus Greifswald ihre Ergebnisse veröffentlicht, werden diese dann von anderen Wissenschaftlern überprüft.

Andreas Greinacher (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Bernd Wüstneck)
Andreas Greinacher ist Leiter der Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald.

Sinusthrombosen sind behandelbar

Aber unabhängig davon, ob der Impfstoff oder etwas anderes zu den Blutgerinnseln führt: Dieses Krankheitsbild ist behandelbar. Von ihrer Arbeit an der Heparin-induzierten Thrombozytopenie wissen die Forschenden aus Greifswald, dass die Aktivierung der Blutgerinnung verhindert werden kann – und zwar durch einen anderen Antikörper. Dieser unterbindet die Aktivierung der Blutgerinnung durch den Antikörper gegen den Heparin-PF4-Komplex. Der Therapie-Antikörper dürfte in jedem mittelgroßen Krankenhaus verfügbar sein, so Andreas Greinacher.

Vorbeugend sollte diese Therapie allerdings nicht angewandt werden, denn wie bei jedem Medikament können auch hier Nebenwirkungen auftreten. Wer zwischen vier und 14 Tagen nach der Impfung Symptome einer Thrombose, also zum Beispiel ein schmerzendes, geschwollenes Bein oder starke, anhaltende Kopfschmerzen, hat, sollte zum Hausarzt gehen. Wenn dann eine Thrombose festgestellt wird, kann sie mit der vorgeschlagenen Therapie behandelt werden – ob sie durch den Impfstoff ausgelöst wurde, oder nicht.