Rekonstruktion eines Jägers und Sammlers (Foto: Pressestelle, Tom Bjoerklund)

Archäologie

Überleben in der Eiszeit

Stand
AUTOR/IN
Vinetta Richter
Vinetta Richter, Reporterin und Social Media Redakteurin SWR Wissen aktuell (Foto: SWR, SWR, privat)
ONLINEFASSUNG
Antonia Weise

In Süddeutschland und in Italien ist der Mensch während der letzten Eiszeit ausgestorben. Es war zu kalt zum Überleben. Das hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Uni Tübingen herausgefunden, anhand von DNA aus Knochenfunden.

Video herunterladen (58,1 MB | MP4)

DNA gibt Aufschluss über Wanderbewegung in der Eiszeit

Vor 30.000 Jahren wurde es immer kälter in Europa. Die letzte Eiszeit hinterließ Spuren auf dem ganzen Kontinent. Weite Gebiete, die nicht von Eis bedeckt waren, wurden zu Steppe, Tundra und Grasland. Hier lebten neben Mammuts, Säbelzahntigern und Riesenhirschen auch verschiedene Gruppen von Jägern und Sammlern.

Vor 25.000 Jahren war der Höhepunkt der Eiszeit erreicht und Tiere und Menschen begannen zu wandern, um der Kälte zu entfliehen.

Um diese Wanderbewegungen genauer zu verstehen hat Junior Professor und Archäo- und Paleogenetiker Cosimo Posth von der Universität Tübingen Jahrtausende alte Knochenreste genauer untersucht und ihre DNA-Bruchstücke analysiert.

Cosimo Posth untersucht Zähne aus der Römerzeit (Foto: SWR)
Bei der Analyse von Jahrtausende alten Knochen konnten die Wissenschaftler feststellen, dass in Italien die Menschen während der Eiszeit ausgestorben sind.

Und dabei haben er und das internationale Team Erstaunliches entdeckt: Die Menschen haben nicht wie zuvor angenommen in Italien den Höhepunkt der Eiszeit überleben können. Sie sind dort ausgestorben. Auf der iberischen Halbinsel überlebten aber Jäger und Sammler den Höhepunkt der Eiszeit.

Das war eine große Überraschung für uns! Wir haben immer gedacht, dass Italien aber auch Spanien die idealen Orte zum Überwintern von Menschen während der Eiszeit gewesen sind. Aber für Italien stimmt das nicht.

Wanderbewegung in der Eiszeit

Als es nach dem Höhepunkt der Eiszeit langsam wärmer wurde, wanderten vermutlich andere Menschen vom Balkan aus nach Italien und Spanien und besiedelten das Gebiet. Über die genauen Gründe kann der Tübinger Forscher nur spekulieren.

Wir haben keine klare Erklärung, warum das so passiert ist, aber wir glauben, dass die Bevölkerung, die in Italien lebte, als die letzte Eiszeit begann, eine Menge Herausforderungen bestehen musste und wahrscheinlich nicht in der Lage war, genug Nahrung zu finden, um zu überleben

Grafik der Völkerwanderung 25.000 Jahre vor Christus (Foto: SWR)
Aufgrund der Kälte sind in Italien Jäger und Sammler ausgestorben. Dafür besiedelten Menschen vom Balkan Spanien.

Die neue Bevölkerung, die vom Balkan aus Italien und Spanien besiedelte, war vermutlich besser an die eiszeitliche Umwelt angepasst war. Diese Jäger und Sammler waren genetisch ganz anders als die ausgestorbenen italienischen Menschen. Sie breiteten sich über einen Zeitraum von mehreren Tausend Jahren in ganz Italien und später auch ganz Europa aus.

DNA-Analysen von Jahrtausende alten Knochen

Um all das herauszufinden, arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über 6 Jahre lang mit Jahrtausende alten Knochen, die überall in Europa gefunden wurden. Dazu wurden die menschlichen Überreste, wie Knochenstücke und Zähne, angebohrt und Knochenpulver erzeugt.

Cosimo Posth untersucht ein Knochenstück (Foto: SWR)
Der Prozess von Knochen zu DNA war sehr aufwendig und dauerte mehrere Monate.

Danach folgen viele Analysen im Labor, ein Prozess der für jede Probe drei Monate dauerte. Das Erbgut wird sequenziert – das heißt der genetische Code wird gelesen und entschlüsselt. Dann erst können die Wissenschaftler die einzelnen Individuen miteinander vergleichen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen. Und sie können sogar herausfinden, ob sich diese frühen Menschen begegnet sind und sich vermehrt haben.

Weiter in die Vergangenheit

In Zukunft will Cosimo Posth menschliches Erbgut durch kleine Ablagerungen in Gesteinspartikeln (Sediment) gewinnen, um damit noch weiter in die Vergangenheit zu blicken und mehr Geheimnisse zu lüften. Klar ist aber, dass gegen Ende der Eiszeit die Menschen vom Süden aus wieder Europa eroberten und sich auch in Süddeutschland niederließen.

Mehr zum Thema Eiszeit

Klimawandel Einmal Eiszeit und zurück – Wenn das Klima Sprünge macht

Immer wieder gab es Phasen in der Erdgeschichte, in denen das Klima kippte - als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Zu diesen Schaltern gehört auch der Golfstrom.

SWR2 Wissen SWR2