Computergrafik der beleuchteten Seite des Mars im Weltall. (Foto: IMAGO, IMAGO / Panthermedia)

Technik-Fail

Mars Climate Orbiter scheitert an der Pfundkraftsekunde

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David Beck
Bild von David Beck, Reporter und Redakteur SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Impuls. (Foto: SWR, Ilyas Buss)
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Lilly Zerbst

Den Taschenrechner auf Grad statt Radiant eingestellt? Ein typischer Fehler in der Physikklausur. Doch auch den schlauen Köpfen der Nasa unterlaufen Einheitenfehler – mit teuren Folgen.

Die USA sind die Raumfahrtnation schlechthin. Bei Weltraumforschung denken die meisten direkt an die Mondlandung, das Space Shuttle und die Raumstation – all das hat die Nasa, die Nationale Raumfahrtbehörde der USA, möglich gemacht. Doch nicht jede Mission der Nasa ist ein Erfolg. Der Mars Climate Orbiter ist wohl einer der peinlichsten Verluste eines Raumschiffs jemals. Schuld daran ist die Verwechslung von Einheiten.

US-Einheitensystem stiftet Verwirrung

"Customary units", gebräuchliche Einheiten, heißt das System von Maßeinheiten, das in den USA verwendet wird. Gebräuchlich mag es sein, aber ob es auch praktisch ist – darüber lässt sich zumindest streiten. Da gibt es zum Beispiel die umständliche Konvertierung von Längenmaßen: zwölf Zoll sind ein Fuß, drei Fuß machen ein Yard, wovon man wiederum 1.760 für eine Meile braucht, die aber – Achtung – nicht das gleiche ist wie eine nautische Meile. Trotzdem halten vor allem die USA an diesen Einheiten fest. ´

Der Climate Orbiter sollte um den Mars kreisen

Unterschiedlichen Einheitensysteme ließen den Mars Climate Orbiter krachend scheitern. Die Vorgeschichte: Im Rahmen des Discovery-Programms sollte der Mars Climate Orbiter das Marswetter und -klima untersuchen. Er sollte Hinweise auf die Klimaveränderung des Planeten suchen und herausfinden, wie das wenige Wasser, das es auf dem erdnahen Planeten gibt, verteilt ist.

Illustration des Solarsystems und der Planetenorbits. (Foto: IMAGO, IMAGO / Panthermedia)
Der Mars ist der vierte Planet im Sonnensystem. Er ist der äußere Nachbar der Erde.

Strahlungsdruck bringt den Orbiter auf falschen Kurs

Am 10. Dezember 1998 um 18:45 Uhr und 51 Sekunden startete der Mars Climate Orbiter von Cape Canaveral an der Ostküste Floridas. Die Delta II-Trägerrakete schoss den Orbiter direkt in Richtung Mars. Die nächsten neun Monate verbrachte er im interplanetaren Raum. In dieser Zeit wurden einige Kurskorrekturen nötig. Nicht etwa, weil der Transferorbit falsch berechnet wurde, sondern weil sich auf so einer langen Reise durch das Sonnensystem immer Kleinigkeiten am Kurs ändern.

Grund dafür ist der sogenannte Solardruck. Licht, dass auf eine Fläche trifft, überträgt einen minimalen Impuls auf diese Fläche und ändert so Richtung und Geschwindigkeit des Objekts – man nennt das den Lichtdruck, oder im Falle der Sonne, Solardruck. Dieser Impuls ist so winzig, dass er erst 1972 experimentell nachgewiesen werden konnte.

In der interplanetaren Raumfahrt können aber auch schon minimale Kursänderungen über Erfolg oder Misserfolg einer Mission entscheiden. Deshalb muss bei Flügen zum Mars der Solardruck korrigiert werden. Das Navigationssystem der Firma Lockheed Martin berechnete den Impuls für die Kurskorrekturen, den der Solardruck ausübte. Die Korrekturdaten gab das System an das Raumschiff weiter, das von der Nasa entwickelt wurde. Dessen Triebwerke korrigierten dann den Kurs.

Eine Boeing Delta II-Trägerrakete hebt im November 1998 mit dem Mars Climate Orbiter der NASA ab. (Foto: IMAGO, IMAGO / agefotostock)
Die Boeing Delta II-Trägerrakete hebt im November 1998 mit dem Mars Climate Orbiter der NASA ab.

Laufbahn-Korrekturen im falschen Einheitensystem

Bei der Korrekur passierte ein leichtsinniger Fehler. Das Navigationssystem rechnete in einer Einheit, die in den USA gebräuchlich ist, der Pfundkraftsekunde. Der Orbiter allerdings erwartete eine Angabe in Newtonsekunden, der international etablierten SI-Einheit. So entstand eine Abweichung von etwa 1 zu 4,45. Die Korrekturen waren zu groß.

Der Orbiter bremste nicht sanft in 200 Kilometern Höhe in den oberen Schichten der Mars-Atmosphäre. Er ging nicht in eine stabile Umlaufbahn über. Stattdessen knallte das Raumschiff mit hoher Geschwindigkeit aus dem interplanetaren Raum direkt auf die untere Atmosphäre in knapp 60 Kilometern Höhe. Dort zerbrach die Sonde oder sie wurde zurück in den interplanetaren Raum geschleudert. So genau lässt sich das nicht sagen. Klar ist nur: Der 330 Millionen Dollar teure Mars Climate Orbiter war verloren.

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