Elektronik und Robotik

Alleskönner Pilz im Einsatz für Roboterhaut und Leiterplatten

Stand
Autor/in
Annemarie Neumann

Normalerweise findet man Pilze im Wald oder vielleicht noch in Kochtöpfen. Nun ist es Forschenden allerdings gelungen, aus dem Pilz "Glänzender Lackporling" eine nachhaltige Alternative für Chips und Batterien herzustellen und eine lebende Roboterhaut zu konstruieren, die sich selbst heilt.

Jahrhunderte lang kopierten Forschende für Technologien die Lösungen der Natur, seien es Klettverschlüsse, die Flügel von Flugzeugen, wasserabweisende Fassaden und Oberflächen oder dem Nervensystem nachempfundene Leiterbahnen in der Elektronik.

Mittlerweile dient die Natur nicht mehr nur als Vorlage, sondern wird auch mehr in die neuesten Technologien eingebunden. Dass dabei nicht nur Pflanzen und Tiere interessant sind, zeigen die neuesten Forschungsergebnisse rund um den Baumpilz "Glänzender Lackporling" und sein Myzel.

Das Myzel ist das Wurzelwerk vom Pilz, das unterirdisch ein riesiges Geflecht aus fadenförmigen Zellen, den Hyphen, bildet. Die Hyphen nehmen in der Natur lokal das Wasser und Nährstoffe für den Pilz auf. Je nachdem, wie viele Nährstoffe zur Verfügung stehen, breitet sich der Pilz mehr oder weniger aus. Das Myzel ist besonders widerstands- und anpassungsfähig, um auch in widrigeren Umgebungen in der Natur das Netzwerk lebendig zu halten und auszubreiten.

Pilzmyzel, das Wurzelgeflecht vom Pilz
Eigentlich kennt man von Pilzen eher nur die Fruchtkörper, die sichtbar aus dem Boden wachsen. Es verbirgt sich unterirdisch aber auch das Myzel, also das Wurzelnetzwerk, das den Pilz am Leben hält.

Selbstheilende Roboterhaut aus dem 3D-Drucker

Gerade diese Eigenschaften nutzten Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) nun, um mit dem 3D-Drucker eine Roboterhaut zu erstellen, die sich nach Beschädigungen selbst heilt. Wie sie in der Fachzeitschrift Nature Materials beschreiben, druckten sie ein dreidimensionales Gitter mit einem Hydrogel, das mit dem Pilz "Glänzender Lackporling" beladen ist. Pilzmyzelien besiedeln das gedruckte Gitter und dessen Zwischenräume und es entsteht dadurch eine robuste und lebende Haut.

Da das Hydrogel neben dem Pilz auch Malzextrakt enthält, welches dem Pilz als Nährstoff dient, können die Myzelien die Haut wachsen lassen und sie widerstandsfähig gegen Einwirkungen wie Reißen, Dehnen oder Pressen machen und bei Verletzungen regenerieren.

Roboterhaut wird in verschiedenen Tests geprüft

Das Forscherteam führte verschiedene Versuche durch, um die Eigenschaften der lebendigen Haut zu untersuchen. Ein Robotergreifer und ein rundum mit Pilzmyzel bedeckter kugelförmiger Roboter wurden in Wasser eingetaucht, rollten über unterschiedliche Oberflächen und die Haut wurde mit kleinen Schnitten verletzt.

Die dadurch bestätigten Eigenschaften der Myzel-Roboterhaut sind in vieler Hinsicht vergleichbar mit wichtigen Eigenschaften tierischer Haut, wie die Forschenden der ETHZ in der Studie beschreiben: „Die mechanische Robustheit, Weichheit, Selbstheilungsfähigkeit und Wasserfestigkeit des auf Myzel basierenden lebenden Materials verleihen Robotern eine schützende Haut, die mehrere Funktionalitäten biologischer Tierhäute aufweist.“

Weitere Möglichkeiten mit dem Pilzmyzel stehen in Aussicht

Die Selbstheilungsfunktion und die Herstellungsweise im 3D-Drucker eröffnen über die Roboterhaut hinweg Möglichkeiten, zukünftig auch komplexe Strukturen zu schaffen, die maßgeschneiderte Designs und Anpassungsverhalten benötigen. Zudem könnten diese durch einfaches Zusammenfügen separat hergestellter Einzelteile entstehen.

Robotergreifer und Ball
Roboterarme wie dieser könnten in Zukunft durch eine Haut aus Myzel gegen Reibung und Wasser geschützt werden. Zudem würde sich die Haut auch nach Schnitten oder Rissen wiederherstellen.

Es besteht aber weiterhin Forschungsbedarf, denn damit die Haut sich nach einer Verletzung heilen kann, muss die Stoffwechselaktivität aktiv gehalten werden und dazu braucht die Haut durchgehend Nährstoffe. Auch ist noch nicht klar, wie auf lange Sicht Abfallstoffe abgeführt werden können.

Pilz als nachhaltige Alternative für elektronische Leiterplatten

Da der Pilz und damit sein Myzel ein natürliches Produkt mit vielen nützlichen Eigenschaften für technologische Bauteile ist, kann es neben der Verwendung als lebendige Haut auch als nachhaltige Alternative in der Elektronik für Leiterplatten verwendet werden. Leiterplatten befestigen und verbinden elektronische Bauteile über Leiterbahnen aus Metallen. Die Platte selbst besteht aus einem elektrisch isolierenden Material. Österreichische Forschende nutzen dafür die Myzelhaut des Glänzenden Lackporlings.

Wie das Forscherteam der Johannes-Kepler-Universität in dem Fachmagazin Science Advances kürzlich veröffentlichte, entstehen aus der Pilzmyzelhaut biologisch abbaubare elektronische Leiterplatten, die sich wie konventionelle Leiterplatten mit elektronischen Bauteilen bestücken lassen.

Meistens bestehen Leiterplatten für elektronische Chips aus Kunststoff oder Silizium, die schwer recycelbar sind. Zudem haben elektronische Geräte, wie die Forschenden beschreiben, mittlerweile verkürzte Lebensdauern, weshalb der Fokus auf nachhaltigen und kostengünstigen Ansätzen liegt. Die bestehende Alternative aus Papier ist ressourcenintensiv und benötigt eine große Menge an Wasser. Der Pilz soll eine Alternative darstellen, die wenig Wasser und Energie benötigt.

Einfache und ressourcensparende Herstellung von Leiterplatten

Hergestellt werden die Pilz-Leiterplatten aus Buchenspänen, Dinkelvollkornmehl, Gips und Wasser. Alles wird gründlich vermischt, erhitzt, wieder abgekühlt und anschließend werden Sporen des Baumpilzes hinzugefügt. Bei 25° Celsius und hohem CO2-Gehalt reift der Pilz bis zu 4 Wochen ohne Lichteinwirkung, um möglichst die Bildung von Fruchtkörpern zu unterbinden und das Wachsen des Myzels zu fördern.

Die Forschenden mussten die weiße bis braune Hautschicht vom Myzel noch abziehen, trocknen, pressen und auf die gewünschte Größe zuschneiden. Das Bestücken mit elektronischen Bauteilen funktioniere dann wieder normal. Zunächst wird eine hauchdünne Kupfer- oder Goldschicht auf das Myzel aufgebracht. Anschließend schneidet ein Laser die Metallschicht zurecht, sodass nur die benötigten Leiterbahnen übrig bleiben. Darauf können dann Elektronikbauteile gelötet werden.

Bauteile werden auf Leiterplatte angebracht
Die Anbringung der elektronischen Bauteile auf den Leiterplatten aus Myzel läuft gleich ab wie bei den konventionellen Leiterplatten.

Die Leiterplattenproduktion ist damit einfach, ohne schädliche Chemikalien und nach Entfernen der Bauteile kompostierbar. Laut dem Forschungsteam lassen sich die Prototypen über 2000 Mal biegen, ohne dass Leiterbahnen brechen, und sie halten hohe Temperaturen von bis zu 250° Celsius aus. Sie wurden bisher mit Feuchtsensoren und einer Batterie bestückt. Das besondere an der Batterie ist, dass ihre Hülle sowie die Membran zwischen dem Plus- und Minuspol ebenfalls aus Pilzmyzel bestehen.

Die nächsten Schritte mit dem Pilzmyzel in der Elektronik

Aber auch bei dieser Forschung zeigt sich, dass noch weitergehend an der Elektronik aus Myzel geforscht werden muss. Denn die geringe Menge Metall der Leiterbahnen landet beim Kompostieren als Mikropartikel im Boden, wo sie zwar keinen Schaden anrichte, ideal wäre nach Ansicht der Forschenden aber eine Rückgewinnung aller wertvollen Elemente. Dies ist momentan aber noch sehr aufwendig.

Zudem arbeiten sie auch an einer glatteren Myzelhaut, die dann als Leiterplatte auch für komplexe Elektronik funktioniert. Damit könnten dann selbst biologisch abbaubare Trägerbauteile verwendet werden, beschreibt der beteiligte Physiker Martin Kaltenbrunner: „Das wäre dann der nächste Schritt, für den die Oberfläche noch glatter sein muss."

Das Pilzmyzel mit seinen Eigenschaften könnte in Zukunft eine nachhaltige Alternative darstellen, gerade in Bereichen wie der Medizintechnik, wo Bauteile über den Zeitraum von bis zu einem Jahr funktionieren sollten.

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Autor/in
Annemarie Neumann